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Jahresrückblick #2 – Gesundheitskommunikation, Vertrauen, junge Zielgruppen und digitale Lösungen

Wissenschaftskommunikation ist in diesem Jahr so präsent in der öffentlichen Debatte wie noch nie. Wir schauen zurück auf die Themen, die die Community neben, trotz und wegen der Corona-Pandemie beschäftigt haben und geben Tipps zum (wieder) lesen aus der Redaktion. Heute: April bis Juni 2020.

Forschende im Fokus der Öffentlichkeit

„Spätestens seit sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder auf ein Verbot von Zusammenkünften in der Öffentlichkeit von mehr als zwei Personen geeinigt hat, scheint auch in Deutschland ein Großteil der Bevölkerung den Ernst der Lage erkannt zu haben“, schreibt der Psychologe Lars König am 1. April in seinem Gastbeitrag. Darin befasst er sich mit der Wissenschaftskommunikation im Krisenmodus und erklärt, dass sie gerade in solchen Zeiten ruhig, sachlich und unaufgeregt sein darf.

So wurde die Kommunikation des Virologen Christian Drosten wahrgenommen, der seit Beginn der Pandemie im NDR-Podcast regelmäßig über aktuelle Erkenntnisse aus der Wissenschaft zum neuartigen Coronavirus informiert. Für seine Leistung wurde er von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Stifterverband mit einem „Sonderpreis für herausragende Kommunikation der Wissenschaft in der Covid19-Pandemie“ ausgezeichnet Zu Recht, sagte die Kommunikationswissenschaftlerin Hannah Schmid-Petri im Interview.

Ganz anders wurde die mithilfe von PR-Maßnahmen umgesetzte Kommunikationskampagne rund um die Heinsberg-Studie aufgenommen. Sie führte zu einer regen Diskussion über die Sinnhaftigkeit eines solchen Vorgehens und den daraus resultierenden Konsequenzen. Dies wurde auch bei uns mehrfach kommentiert (1, 2, 3).

Warum es für viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wichtig ist, sich in die öffentliche Debatte um Corona einzumischen und was für sie gute Kommunikation in der Krise ausmacht, berichteten Forschende in einer Statement-Reihe. Hier äußerten sich renommierte Virologinnen wie Sandra Ciesek und Melanie Brinkmann, oder Psychologen wie Jürgen Hoyer oder Borwin Bandelow, um nur einige der Forschenden zu nennen.

 

Verständlichkeit und Vertrauen

Das Informationsbedürfnis zu Corona ist enorm und gleich zu Beginn der Pandemie stellte sich die Frage, wie die einzelnen Zielgruppen bei einem so komplexen Thema adressiert werden sollten. Bei Kindern sei das Wichtigste, den richtigen Tonfall zu treffen, sagte der Neurobiologe und Wissenschaftsjournalist Lars Dittrich im Interview.  

„Ich bin optimistisch, dass beispielsweise durch die Erfahrungen der Öffentlichkeit mit Wissenschaft rund um Covid-19 das informierte Vertrauen gefördert wird.“ Rainer Bromme im Interview
Er wurde vorübergehend zum Erklärbär zu Covid-19 bei der Fernsehsendung Tigerenten Club. „Verständlichkeit ist gut, aber es geht um informiertes Vertrauen“, sagt Rainer Bromme im Interview. Der Psychologe befasst sich an der Universität Münster mit Wissenschaftskommunikation und Vertrauen in die Wissenschaft. Plötzlich war Detailwissen aus der Epidemiologie und der Virologie gefragt, aktuelle Forschung also, die meist noch umstritten und mit Unsicherheiten behaftet ist. „Hier kommt nun das Vertrauen ins Spiel, denn man muss sich entscheiden, welchen Expertinnen und Experten man Glauben schenkt“, so der Forscher.

Erfreulicherweise war das Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft hoch, wie das Wissenschaftsbarometer Corona Spezial im Mai zeigte. Dies sei eine gute Nachricht für uns alle, kommentierte die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, die Ergebnisse.

„Eine Mehrheit der Befragten hat also erkannt: Der offene Umgang mit Nichtwissen ist eine gute Basis für Vertrauen.“ Gerald Haug im Gastbeitrag

Die Ergebnisse wurden zudem von Gerald Haug, Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina eingeordnet und interpretiert. Das hohe entgegengebrachte Vertrauen sei eine „große Anerkennung für die Forscherinnen und Forscher, die in diesen Wochen einen so intensiven Dialog mit der Gesellschaft führen.“

Kommt es zu einer Rückkehr des Vertrauens?, fragte daraufhin im Juni Michael Baurmann von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er betrachtete das Thema aus sozialwissenschaflticher Perspektive und hob die Bedeutung der digitalen Wissenschatskommunikation hervor.

Weitere Beiträge zu dem Thema sammeln wir kontinuierlich in unserem Spezial zum Thema Gesundheitskommunikation. Hier finden sich auch Leitlinien, wie die zur Risikokommunikation oder dazu, wie Unsicherheiten vermittelt werden können.

 

Junge Zielgruppen erreichen

Doch was passiert mit Wissenschaftskommunikationsprojekten in Zeiten von Corona? Im Themenschwerpunkt „Junge Zielgruppen erreichen“ haben wir mit einigen Projektteams darüber gesprochen. Lange etablierte Formate, wie das Mathelabor am Karlsruher Institut für Technologie, konnten durch die Schulschließungen vorerst keine Schulklassen empfangen. Vor der gleichen Herausforderung stand das neu gestartete MINT- und Leseförderungsprogramm „echt jetzt?“. Mit diesem Projekt der Stiftung Haus der kleinen Forscher und der Stiftung Lesen soll naturwissenschaftliche Bildung mit der Lesekompetenz kombiniert werden.

Andere Formate blieben unberührt von der Situation oder gewannen vielleicht sogar an Bedeutung. So gab es ein Beispiel eines Storytellingsansatzes in Form des Kinderbuches „Mats Möwe auf großer Klimamission“. Im Interview berichtete die Autorin und Umweltwissenschaftlerin Denise Müller-Dum, wieso Sie ihre Forschungsinhalte in einer Geschichte festhalten wollte.

Dass man sich dem Thema Klimakommunikation auch spielerisch nähern kann, beschrieb Sebastian Bathiany im Gastbeitrag. Hier stellte der Meteorologe und wissenschaftliche Mitarbeiter beim Climate Service Center Germany (GERICS) Gesellschaftsspiele vor, die dabei helfen sollen, Erkenntnisse über den Klimawandel unmittelbar erlebbar zu machen.

Ein Klassiker unter den Formaten für Kinder, die Kinder-Uni, wurde aus Sicht der Forschung betrachtet. Die Studienleiterin Susanne Kretschmer sagt dazu: „Vor allem bei den Grundschulkindern war es so, dass die Veranstaltung ihre Vorstellungen davon beeinflusst hat, was Wissenschaft eigentlich ist und was Forschende tun“.

 

Wege in die Wisskomm

Wie unterschiedliche Menschen ihren Weg von der Wissenschaft in die Kommunikation gefunden haben, beschrieben die Chemikerin Uta Bilow und der Physiker Florian Eigner in ihrem Jobprofil.

Tipps aus den eigenen Reihen von Wisskomm.de, um mit der Kommunikation zu starten, gab es zudem mit unserer dreiteiligen Videoreihe „Wisskomm mit Jana“.

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Digitale Lösungen für Wissenschaftskommunikation im Lockdown

Von einem Tag auf den anderen waren auch in der Wissenschaftskommunikation neue Lösungen gefragt. „Wie Corona die Museumslandschaft digitalisiert“, hat ein Forschendenteam der Abteilung Wissenschaftskommunikation am Karlsruher Institut für Technologie im Gastbeitrag beschrieben.

Für Forschende, die weiterhin ein öffentliches Engagement bewirken wollen, zeigte die Leitlinie des National Co-ordinating Center for Public Engagement, wie dies mithilfe von soziale Medien gelingen kann. Auch im Fortbildungsbereich konnten neu entstandene digitale Aus- und Weiterbildungsangebote aufgenommen werden.´

Einen tiefen Blick in die (neuen) virtuellen Angebote gibt es im dritten Jahresrückblick und im gleichnamigen Schwerpunkt.

Hier sind alle Jahresrückblicke von 2020 zu finden.


Weiterlesen

Jahresrückblick #1: Neue Zielgruppen, Vertrauen in Wissenschaft und ein unbekanntes Virus

Jahresrückblick #3: Alles digital, Journalismus und Corona, #FactoryWisskomm

Jahresrückblick #4 – Politik, Diversität und das Wissenschaftsbarometer