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Dem Hoax auf der Spur

Wie entstehen Verschwörungsmythen und Erzählungen, warum halten sie sich so hartnäckig und wie kann ich sie entlarven? Mit Themen wie den Morgellon-Parasiten bis hin zu Spukgeschichten befassen sich Alexa und Alexander Waschkau in ihrem Podcast „Hoaxilla“. Sie wollen herausfinden, was an den Geschichten wirklich dran ist und warum sie immer wieder erzählt werden.

Herr und Frau Waschkau, Sie betreiben den Podcast Hoaxilla. Was erwartet die Hörer*innen bei Ihnen?

Alexa Waschkau hat Europäische Ethnologie studiert und ist derzeit als freie Journalistin und Autorin tätig. Schon im Studium hat sie die Erzählforschung besonders fasziniert. Alexander Waschkau ist Diplom-Psychologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Lübeck. Die beiden sind seit 23 Jahren ein Paar und führen seit 2010 gemeinsam den Podcast “Hoaxilla”. Foto: Hoaxilla

Alexa Waschkau: Wie der Name schon sagt, nehmen wir uns Hoaxes vor – das kann man mit “Scherz” übersetzen, aber mittlerweile versteht man darunter auch “Falschmeldung”. Zunächst einmal behandeln wir die entsprechenden Themen, weil wir sie selber faszinierend finden. Und wir hoffen, dass diese Faszination auch auf die Zuhörer*innen überspringt. Wir greifen grenzwissenschaftliche oder esoterische Themen, Verschwörungsmythen oder moderne Sagen auf und möchten die Fakten dahinter beleuchten, aber auch zeigen, warum diese Geschichten immer wieder aufgegriffen und neu erzählt werden.

Alexander Waschkau: Wir möchten eine Art Anleitung geben, wie ich verlässliche Quellen zu einem Thema finden und von nicht verlässlichen Quellen unterscheiden kann.

„Die Hörer*innen sollen am Ende verstehen, wie wir zu unseren Schlüssen kommen und in der Lage sein, künftig ihre eigenen zu ziehen.“ Alexander Waschkau

Die Hörer*innen sollen am Ende verstehen, wie wir zu unseren Schlüssen kommen und künftig in der Lage sein, ihre eigenen zu ziehen. Das ist das didaktische Modell, das sich jetzt nach elf Jahren für uns herauskristallisiert hat.

Wen möchten Sie denn mit dem Podcast erreichen?

Alexander Waschkau: Alle.

Alexa Waschkau: Ja (lacht). Bis auf Kinder vielleicht, weil wir hin und wieder auch etwas gruselige oder nicht ganz jugendfreie Themen behandeln.

Alexander Waschkau: Wir möchten möglichst viele Menschen erreichen. Der Podcast ist kostenfrei, damit jede*r, ganz unabhängig vom Einkommen, ihn hören kann. Wir erreichen Hörer*innen aus allen Altersgruppen – von Teenagern bis zu den über 70-jährigen.

Wieso haben Sie sich für einen Podcast als Format entschieden?

Alexa Waschkau: Der Podcast ist letzten Endes tatsächlich entstanden, als uns eine Kollegin eine moderne Sage erzählt hat und Alexander auf die Idee kam, über so etwas einen Podcast zu machen.

Alexander Waschkau: Wir hatten 2010 einfach Lust, etwas im Internet zu machen. Damals begann die YoutTube-Szene gerade, wir hatten jedoch keine Ahnung, wie man mit einer Kamera umgeht. Audio und eine Internetseite hingegen haben wir uns zugetraut. Podcasts kann man außerdem sehr flexibel im Alltag hören, zum Beispiel auf dem Weg von und zur Arbeit, das ist ein großer Vorteil des Mediums.

Alexa Waschkau: Das Tolle an Podcasts ist, dass man das Medium sehr frei nutzen und die Struktur frei wählen kann: Man ist an keine Redaktionen gebunden und kann so lange oder kurz reden, wie man möchte. Außerdem war der technische Aufwand für uns am Anfang sehr gering; wir haben uns einfach mit der Ausrüstung hingesetzt, die wir zu Hause hatten, und angefangen.

Sie betreiben auch viel Debunking im Podcast. Haben Sie ein Rezept, nach dem Sie dabei vorgehen?

Alexa Waschkau: Da wir uns ja schon so lange mit solchen Themen beschäftigen, haben wir einen Fundus an Personen und Quellen. Zum Einstieg lohnt sich Wikipedia und auch Portale wie mimikama.at, psiram.com oder snopes.com bieten einen guten Anhaltspunkt. Wir haben dank vieler Hörer*innen, die uns Bücher zusenden, auch eine umfangreiche Bibliothek. Für aktuelle Verschwörungsmythen schauen wir uns Primärquellen an, das sind leider oft unangenehme Telegram-Kanäle.

Alexander Waschkau: Es gibt natürlich ein gewisses Grund-Handwerk von Quellenkritik im Netz, das wir im Podcast vermitteln möchten. Bei aktuellen Situationen, wie momentan den Skandal-Artikeln im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, sollte man zuallererst das Datum des Artikels checken. Manchmal sind das uralte Beiträge, die schon längst hinfällig geworden sind. Als Nächstes sollte man prüfen, ob andere Medienportale auch darüber berichten. Dann kann man den*die Autor*in näher unter die Lupe nehmen: Was hat der*die sonst so geschrieben? Gibt es dabei vielleicht eine gewisse Stoßrichtung? Was ich auch immer empfehlen kann, ist die Presse-Schau vom Deutschlandfunk. Dort werden zu einem Thema Artikel aus mehreren Zeitungen zusammengefasst. So bekommt man einen Einblick, wie unterschiedlich Zeitungen tatsächlich berichten.

Welches Feedback bekommen Sie zu ihrem Podcast?

Alexander Waschkau: Im Hinblick auf unsere Kommunikation werden wir durchaus auch kritisiert. Für die einen skripten wir zu wenig, die anderen stört es, dass wir beide keine Sprecherausbildung haben. Wir schneiden auch kaum etwas an unseren Episoden, es sei denn, wir haben mal einen Fehler drin. Andere schneiden jede Pause oder jedes “Ähm” raus. Es gibt aber viele, die diese Authentizität bei uns mögen.

„Wir bekommen manchmal Rückmeldungen, dass es sich beim Zuhören anfühlt, als würde man mit uns auf dem Sofa sitzen.“ Alexander Waschkau

Wir bekommen manchmal Rückmeldungen, dass es sich beim Zuhören anfühlt, als würde man mit uns auf dem Sofa sitzen. Das ist eben unser Stil und da muss jeder für sich den eigenen finden. Wir haben natürlich den Vorteil, dass wir immer zu zweit sind und uns so auch gegenseitig den Ball zuspielen können. Und Alexa hat einfach eine tolle Stimme, das kommt natürlich noch dazu.

Wie viel skripten Sie denn tatsächlich?

Alexa Waschkau: Gar nicht (lacht). Wir hatten eigentlich nur bei zwei Folgen unsere Notizen vor uns, bei denen wir sehr viele Fakten abrufen mussten.

Alexander Waschkau: Wir bereiten die Themen vor, werfen uns Quellen hin und her und kurz vor der Aufnahme gehen wir dann die Struktur durch. Das Gespräch läuft dann und wir haben tatsächlich auch keine Zeit zum Skripten, da ich ja voll berufstätig bin. Das ist wahrscheinlich nicht die Schablone für alle anderen, aber für uns funktioniert dieses Konzept ganz gut.

Welche Learnings und Tipps geben Sie Menschen, die gerade einen Podcast starten möchten?

Alexa Waschkau: Aus meiner Wahrnehmung hat die neuere Generation von Podcaster*innen einen höheren technischen Anspruch als wir ihn damals hatten. Wir sind viel niederschwelliger eingestiegen und haben uns erst nach einiger Zeit verbessert. Man sollte auch abwägen: Möchte ich das machen, weil es mir guttut und ich Spaß daran habe oder um viel Aufmerksamkeit zu bekommen?

Alexander Waschkau: Mein Tipp ist immer, am Anfang nicht zu viel Geld für Equipment auszugeben und ruhig mit einer günstigen Ausstattung zu starten. Für uns galt als Grundregel: Es soll halbwegs gut klingen. Viele haben den Anspruch, perfekt zu klingen, stellen dann jedoch bald fest, dass sie gar kein wirkliches Konzept haben und bereits die Lust verlieren. Ich würde daher am Anfang eher mehr Zeit in das Konzept und die Idee stecken. Technik kann man nachrüsten.

Alexa Waschkau: Wir haben uns insofern weiterentwickelt, dass wir auf verschiedene Dinge wie Gendern achten und eine inklusive Sprache pflegen. Wir möchten uns an solche positiven sprachlichen Veränderungen unbedingt anpassen.

Wie entscheiden Sie, welche Themen Sie als Nächstes behandeln?

Alexa Waschkau: Wir haben eine lange Liste an Themen und bekommen viele Anregungen von Hörer*innen. Manchmal entscheiden wir nach Lust und Laune. Alexander Waschkau: Da wir seit 23 Jahren ein Paar sind, gestaltet sich die Redaktionskonferenzen recht einfach und findet auch mal kurz am Frühstückstisch statt. So planen wir bis zum Ende eines Monats die zwei Folgen für den nächsten Monat, bleiben aber trotzdem flexibel, wenn sich noch ein anderes Thema auftut.

Die beliebtesten Themen für Ihre Zuhörer*innen sind…?

Alexander Waschkau: Was immer gut geht, sind True Crime Geschichten, die wir unter anderem mit der Kriminalpsychologin Lydia Benecke besprechen. Klassische Verschwörungsmythen oder solche über die Pandemie werden ebenfalls viel geklickt. Oder auch Neuigkeiten zu Corona und den Impfungen wurden auf Twitch gut angenommen und viel geteilt.

Was ist denn Twitch – und was machen Sie dort?

Alexander Waschkau: Twitch ist eine Streaming-Plattform für Live-Übertragungen von Videoformaten, auf der man mit den Zuschauer*innen durch einen Chat interagieren kann. Da sind wir beim Format #Ferngespräch vom Autor und Comedian Tommy Krappweis dabei. Meistens sind wir sechs bis sieben Leute, die sich per Videochat über ein Thema unterhalten. Das wird dann live gestreamt. Erster Anstoß zu diesem Kanal waren Verschwörungsmythen rund um SARS-CoV-2. Im Grunde werden die Themen behandelt, über die Tommy Krappweis mehr erfahren möchte (lacht). Dass daraus ein Videoformat entstanden ist, dass jetzt seit über einem Jahr wöchentlich auf Sendung geht, hat uns auch überrascht, aber wir bekommen viele Rückmeldungen von Hörer*innen, wir würden ihnen damit durch die Pandemie helfen.

Warum eignet sich Twitch für Wissenschaftskommunikation?

„Durch den Chat mit all den Emojis, der ja bei Twitch dabei ist und live mit verwendet werden kann, findet eine Art Gamification der Kommunikation statt.“ Alexa Waschkau

Alexander Waschkau: Twitch bietet eine Infrastruktur, um sehr niederschwellig auf Sendung zu gehen. Natürlich gibt es auch hier viele Spielereien mit Green Screen, aber eine Webcam reicht eigentlich aus. Es hat durchaus Vorteile, wenn man mit Visualisierungen arbeiten und eine Grafik zeigen kann. Das kann didaktisch einen großen Mehrwert haben. Twitch hat auch den Vorteil, dass man sehr schnell eine Monetarisierung bekommen kann, denn das Medium ist darauf ausgelegt, dass die Zuschauer*innen den Schaffenden finanziell unterstützen können.

Alexa Waschkau: Was mich bei Twitch so fasziniert ist, wie schnell sich dort eine Community bilden kann. Durch den Chat mit all den Emojis, der ja bei Twitch dabei ist und live mit verwendet werden kann, findet eine Art Gamification der Kommunikation statt. Die Leute sind wirklich mit dabei und können auch ihren eigenen Input dazu geben. Ich denke, das schweißt Zuschauende und Mitwirkende vor der Kamera zusammen.