Foto: Christian Humm, CC BY-SA 4.0

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im März 2020

Wie schlägt sich audiovisuelle Wissensvermittlung gegen Text – und wie Youtube-Clips gegen Fernsehinterviews? Der aktuelle Forschungsrückblick steht im Zeichen des Vergleichs verschiedener Kommunikationsmittel und Medien. Außerdem werfen wir einen Blick darauf, welche Rolle Emotionen in der Beurteilung wissenschaftlicher Informationen spielen.

In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Forschungsergebnisse zum Thema Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

Wie Emotionen die Bewertung von Forschungsergebnissen beeinflussen

Wissenschaftskommunikation kann starke Emotionen hervorrufen – etwa, wenn es um Tod und Krankheiten geht. Beeinflusst eine emotionale Reaktion auf ein Forschungsthema, wie Menschen die wissenschaftlichen Befunde bewerten? Und welche Gefühle wirken sich dabei wie aus? Diesen Fragen gingen Caitlin Drummond und Baruch Fischhoff von der Carnegie Mellon University in einer aktuellen Studie nach.

Methodik: Die Forschenden gaben 695 Versuchspersonen die gekürzte Version eines Artikels zu lesen, in dem es um die Rolle zufälliger, spontaner Mutationen im Erbgut als Auslöser von Krebs ging. Die unangenehme Botschaft des Textes: Viele Krebserkrankungen seien unvermeidbar und einfach das Resultat von „Pech“. Anschließend wurden die Teilnehmenden gefragt, wie stark sie sechs verschiedene Emotionen verspürten (Angst, Wut, Trauer, Überraschung, Freude und Ekel) und ob sie bereits Fälle von Krebs in ihrem persönlichen Umfeld erlebt hatten. Zuletzt sollten sie unter anderem bewerten, wie verständlich sie die Beschreibung der Forschung fanden, wie überzeugend die Befunde und wie vertrauenswürdig die im Artikel erwähnten Forschenden auf sie wirkten. Zudem mussten sie in einem kurzen Fragebogen ihr Verständnis für wissenschaftliche Methoden unter Beweis stellen.

Ergebnisse: Die nach dem Lesen angegebenen Emotionen beeinflussten auf je unterschiedliche Art und Weise die Rezeption und Bewertung der präsentierten Forschung. Wer etwa Trauer verspürte, hatte dem Text nach eigenen Angaben besser folgen können und schätzte sowohl die Qualität der Forschung als auch die Kompetenz der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler größer ein. Überraschung führte ebenfalls dazu, dass die Probandinnen und Probanden Forschung als hochwertiger einstuften und sie den Forschenden eher vertrauten. Ekel dagegen ging mit einem schlechteren Verständnis des Berichts einher, während wütende Teilnehmende die Forschung schlechter bewerteten.

„Überraschung führte dazu, dass die Probandinnen und Probanden Forschung als hochwertiger einstuften und den Forschenden eher vertrauten.“
Schlussfolgerungen: Emotionen wirken sich unterschiedlich auf die Beurteilung von Wissenschaftskommunikation aus. Das könnten sich Kommunizierende vielleicht strategisch zunutze machen, meinen Drummond und Fischhoff. Ihren Ergebnissen zufolge wäre es für Kommunizierende insbesondere lohnenswert, auf einen Überraschungseffekt beim Publikum zu setzen – denn dieser geht mit einer positiveren Bewertung sowohl der wissenschaftlichen Befunde als auch der Forschenden einher.

Einschränkungen: Die Gefühlszustände der Teilnehmenden wurden zwar nach dem Lesen des Artikels abgefragt, es ist aber nicht gesagt, dass die Emotionen auch durch den Beitrag ausgelöst wurden. So könnte auch eine vorher schon bestehende Grundstimmung die Bewertung des Textes beeinflusst haben. Die Schlussfolgerungen basieren zudem auf nur einem Artikel zu einem Thema. Die Forschenden weisen darauf hin, dass natürlich auch ganz andere Themen eine emotionale Wirkung haben können. Als Beispiel nennen sie Forschung, über die gesellschaftlich hitzig debattiert wird – wie in den USA beispielsweise über den Klimawandel. Ob die Ergebnisse sich auch auf solche Fälle übertragen lassen, bleibt also offen.

Drummond, C. & Fischhoff, B. (2020). Emotion and judgments of scientific research. Public Understanding of Science, 29, 319–334. https://doi.org/10.1177/0963662520906797

Welches Medium bleibt im Gedächtnis?

Ob als Podcast, als Youtube-Video oder als schlichter Text: Jeder hat eigenen Vorlieben, auf welche Weise er Informationen über Wissenschaft konsumiert. Wirken dieselben Inhalte in verschiedenen Medien unterschiedlich? Und wie gut kann man sich anschließend jeweils an sie erinnern? Darum ging es in einer neuen Untersuchung des Medienwissenschaftlers Pascal Schneiders von der Universität Mainz.

Methodik: Die 381 Probandinnen und Probanden wurden einer von vier Gruppen zugelost: Die erste Gruppe sah einen fünfeinhalbminütigen Ausschnitt eines Erklärvideos über die ökologischen Auswirkungen der Massentierhaltung. Die zweite Gruppe bekam eine leicht bearbeitete Transkription desselben Videos zu lesen. Die dritte hörte nur die Tonspur (das Video war auch danach ausgewählt worden, dass es als Audiovariante funktioniert), und die letzte Gruppe schließlich las einen „Scrollytelling-Beitrag“, in dem Teile des transkribierten Textes mit einer Infografik und kürzeren Videoclips kombiniert wurden. In einem kurzen Wissenstest wurde anschließend erfragt, wie gut sich die Teilnehmenden an Details aus dem Beitrag erinnern konnten.

Podcasts zur Wissenschaftsvermittlung haben Konjunktur. Aber lassen sich Informationen damit genauso gut weitergeben wie per Bewegtbild oder Text? Die Ergebnisse einer Studie lasen daran Zweifel aufkommen. Allerdings wurde dabei die typischerweise längere Dauer von Audioformaten nicht berücksichtigt. Foto: Elice Moore

Ergebnisse: Der Vergleich aller Medientypen untereinander ergab, dass Video, Text und Scrollytelling etwa gleich effektiv bei der Informationsvermittlung waren. Nur das Hören der Tonspur führte zu etwas geringerem Wissenszuwachs als das komplette Video oder der Scrollytelling-Beitrag (der Unterschied zur Textversion war dagegen nicht signifikant). Setzt man den Lerneffekt auch in Bezug dazu, wie lange die Teilnehmenden mit den unterschiedlichen Medienbeiträgen verbrachten, erweist sich der geschriebene Text als am effizientesten: Hier reichten etwa viereinhalb Minuten Lesen aus, um ungefähr genauso viel zu lernen wie durch das eine Minute längere Video oder durch den Scrollytelling-Artikel, mit dem sich die Versuchspersonen im Schnitt fast sechs Minuten lang beschäftigten.

Schlussfolgerungen: Audiovisuelle Formate sind mindestens so effektiv darin, wissenschaftliche Fakten zu vermitteln, wie Textbeiträge. Dies sei wichtig zu betonen, da traditionell Bilder für die Kommunikation seriöser Informationen geringer geschätzt würden als das geschrieben Wort, betont Schneiders. Ein reines Audioformat dagegen führte in dieser Studie dazu, dass sich die Teilnehmenden etwas schlechter an die wissenschaftlichen Inhalte erinnern konnten als bei den anderen Medien.

Einschränkungen: Die verschiedenen Medien wurden anhand nur eines Beitrags miteinander verglichen – das sollte bei der Interpretation der Ergebnisse unbedingt beachtet werden. Zudem erfolgte der Wissenstest unmittelbar nach dem Medienkonsum, längerfristige Effekte wurden daher nicht erfasst. Zudem gibt Schneiders zu bedenken, dass Menschen im echten Leben selbst auswählen, über welches Medium sie sich über welches Thema informieren, was ebenfalls einen großen Einfluss auf ihre Lernerfahrung haben könnte.

Schneiders, P. (2020). What remains in mind? Effectiveness and efficiency of explainers at conveying information. Media and Communication, 8(1), 218–231.

Forschende auf Youtube und im TV

Nicht erst seit der Coronakrise spielt es eine wichtige Rolle, wie viel Vertrauen die Gesellschaft Forschenden entgegenbringt. Ein Team um die Medienwissenschaftlerin Anne Reif von der Technischen Universität Braunschweig verglich nun, wie „Sciencetuber“ – also Vermittlerinnen und Vermittler von Wissenschaft auf Youtube – sich diesbezüglich im Vergleich zu eher traditionellen Expertinnen und Experten im Fernsehen schlagen.

Methodik: In einem Onlineexperiment bekamen 155 Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeweils zwei kurze Videoclips zu sehen. Dabei handelte es sich einminütige Ausschnitte aus sechs möglichen Videos. Vier Filme waren Gespräche mit Physikerinnen und Physikern in der Sendung „alpha-Forum“, also eine eher förmliche Interviewsituation. Den Kontrast dazu bildeten zwei Ausschnitte aus Videos der Youtube-Kanäle „musstewissen Physik“ und „maiLab“, ebenfalls zu physikalischen Themen. Die Teilnehmenden sollten nach den Clips jeweils angeben, für wie vertrauenswürdig sie die wissenschaftlichen Expertinnen und Experten hielten, wie unterhaltsam und verständlich sie diese fanden und ob sie wie „typische“ Forschende auf sie wirkten.

„Expertinnen und Experten, die nach Ansicht des Publikums besser erklären können und unterhaltsamer sind, werden als vertrauenswürdiger eingeschätzt.“
Ergebnisse: Bei der unterstellten fachlichen Expertise, einer Art von Vertrauensurteil, hatten die Expertinnen und Experten in den traditionellen Fernsehinterviews die Nase vorn. Bei den beiden weiteren Dimensionen von Vertrauen, Integrität und Benevolenz, gab es dagegen keine Unterschiede zwischen TV-Gästen und Sciencetubern. Die Bewertung der Vertrauenswürdigkeit hing aber auch davon ab, für wie unterhaltsam die Teilnehmenden die Expertinnen und Experten hielten und wie verständlich sich diese ausdrückten – beides erhöhte das empfundene Vertrauen. Sciencetuber wurden dabei allerdings als sehr „untypische“ Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wahrgenommen.

Schlussfolgerungen: Expertinnen und Experten, die nach Ansicht des Publikums besser erklären können und unterhaltsamer sind, werden als vertrauenswürdiger eingeschätzt. Offenbar deshalb wirkten die Sciencetuber auf die Teilnehmenden insgesamt fast ebenso vertrauenswürdig wie die Forschenden, die auf traditionelle Art und Weise im Fernsehen präsentiert wurden. Dies gleicht offenbar ihren Nachteil aus, jünger zu sein und weniger als typische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wahrgenommen zu werden.

Einschränkungen: Da echte Medienbeiträge verwendet wurden, waren das Format – Youtube oder TV – und die zu Wort kommenden Expertinnen und Experten im Versuchsmaterial untrennbar miteinander verbunden. Die Effekte der einzelnen Personen lassen sich deshalb kaum von denen des Mediums oder der Präsentationsweise trennen. Aus praktischen Gründen wurden zwar vier TV-Beiträge analysiert, aber nur zwei Youtube-Clips. Ältere Expertinnen und Experten wurden generell als kompetenter eingeschätzt und ihre Ausdrucksweise als weniger verständlich – die Sciencetuber waren aber beide jüngeren Alters. Deshalb dürften Unterschiede zwischen TV- und Youtube-Videos wenigstens zum Teil auch auf das Alter der Expertinnen und Experten zurückgehen statt auf das Medium. Schließlich handelte es sich bei den Teilnehmenden überwiegend um jüngere und eher an Wissenschaft interessierte Personen, was ebenfalls zum guten Abschneiden der Sciencetuber beigetragen haben könnte.

Reif, A., Kneisel, T., Schäfer, M. & Taddicken, M. (2020). Why are scientific experts perceived as trustworthy? Emotional assessment within TV and YouTube videos. Media and Communication, 8(1), 191–205. https://doi.org/10.17645/mac.v8i1.2536

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Weiß, männlich, mittelalt oder alt und mit Laborkittel: Diese Figur malen Kinder meistens, wenn sie darum gebeten werden, jemanden aus der Wissenschaft zu malen. An diesem Stereotyp hat sich laut einer aktuellen Übersichtsarbeit auch 25 Jahre nach der Erfindung des Testverfahrens „Draw A Scientist“ nichts geändert.

Wie berichten Medien in den USA über den Klimawandel? In einer Analyse von Beiträgen aus den Jahren 1985 bis 2017 fanden Forschende heraus, dass im Lauf der Zeit immer mehr Personen aus der Politik statt aus der Wissenschaft zu Wort kamen. Der Diskurs teilte sich dadurch immer stärker in eine „demokratische“ und eine „republikanische“ Sichtweise auf das Thema. Parallel dazu habe sich auch die gesellschaftliche Meinung immer weiter polarisiert.

Flauschiger Nachbar: Ein finnisches Citizen-Science-Projekt regt Jugendliche dazu an, wissenschaftliche Daten über Stadtratten zu sammeln und ihre Vorurteile gegenüber den Nagern abzubauen. Foto: Jans Canon, CC BY 2.0

Den Stand der deutschsprachigen Forschung zur Wissenschaftskommunikation hat eine Forschungsgruppe aus Zürich und Berlin erhoben, und zwar anhand von Tagungsabstracts. Ergebnis: Es gibt in der Forschung einen starken Fokus auf medial vermittelte und institutionelle Wissenschaftskommunikation (beide zusammen machten 71 Prozent der Studien aus), die vorherrschenden Methoden waren Befragungen und Inhaltsanalysen (zusammen 81 Prozent). Inhaltlich beschäftigten sich viele Untersuchungen mit dem Verständnis der Bevölkerung für wissenschaftliche Inhalte.

Eine Zeit lang galten sie als „Wunderwaffe“ der Wissenschaftskommunikation: sogenannte Konsens-Botschaften. Sie sollen darüber informieren, dass sich Forschende in einer bestimmten Frage (etwa dem Klimawandel) weitgehend einig sind. Doch nach vielen Studien dazu ist mittlerweile klar, dass auch diese Nachrichten nicht immer die erhoffte Wirkung erzielen. Asheley Landrum und Matthew Slater sortieren in einem aktuellen Aufsatz den Stand der Forschung und zeigen auf, welche Fragen über Konsens-Botschaften noch offen sind.

Wie erreicht man mit Forschungsinhalten ein Publikum, dessen Verhältnis zur Wissenschaft eher als „inaktiv“ bezeichnet werden könnte? Einer kleinen Pilotstudie zufolge könnten Pop-up-Formate auf Campingplätzen dafür eine Möglichkeit bieten, doch es gibt dabei einiges zu beachten.

Nach den Spuren spezieller Nachbarn suchten jugendliche Schülerinnen und Schüler in einem Projekt der Universität Helsinki: Das „Helsinki Urban Rat Project“ widmet sich der Untersuchung von Ratten in der Stadt und enthält eine Citizen-Science-Komponente – mit positiven Lerneffekten, wie nun eine Evaluation zeigt.

Die Kurzmeldungen zur Wissenschaftskommunikationsforschung erscheinen alle 14 Tage im Panoptikum.