Foto: William Bout, CC0 1.0

Vertrauen in die Wissenschaft – blind oder kritisch?

Vertrauen spielt in der Wissenschaftskommunikation eine zentrale Rolle. Aber wie entscheiden Laien überhaupt, welchen Informationen sie vertrauen? Dieser Frage geht die Psychologin Friederike Hendriks in ihrem Gastbeitrag nach.

Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse als „alternative Fakten“ und Experten als verzichtbar bezeichnet werden, muss über Vertrauen der Öffentlichkeit in Wissenschaft gesprochen werden. Vertrauen in Wissenschaft wird seit längerer Zeit systematisch erforscht. So zeigen repräsentative Umfragen, dass das Vertrauen in Wissenschaft und Wissenschaftler relativ hoch ist (obwohl es auch vom Thema abhängt). In solchen Umfragen findet man auch, dass das Internet für immer mehr Menschen bevorzugter Zugang zu wissenschaftlichen Informationen ist. Hier machen Leser Entscheidungen darüber, ob sie wissenschaftlichen Informationen und Quellen vertrauen sollen. Wie solche Vertrauenseinschätzungen zustande kommen, möchte ich in diesem Artikel beleuchten – und damit eine psychologische Sichtweise auf Vertrauen1.

Ich beginne mit einem Beispiel (unterbrochen durch konzeptuelle Einschübe):

Martin plant einen Autokauf und ist an Elektroautos interessiert. Er sucht im Internet nach Informationen zur Umweltfreundlichkeit von Elektroautos. Dazu findet er sehr unterschiedliche Auskünfte.

1. Wissen ist unsicher. Wissenschaftliches Wissen ist durch Vorläufigkeit gekennzeichnet. Doch durch Nutzung von Forschungsmethoden, die Überprüfbarkeit und Wiederholbarkeit garantieren, versucht die Wissenschaft Verlässlichkeit zu etablieren.

… Martin weiß um die Bemühungen der Wissenschaft, verlässliches Wissen herzustellen und ist bereit, sich auf die Meinung wissenschaftlicher Experten zu verlassen.

Er stößt auf den Blogeintrag einer Wissenschaftsbloggerin, die selbst zu Elektroautos forscht. Martin stellt sich die Frage: „Kann ich glauben, was ich da lese?“ Auch die konkreten wissenschaftlichen Geltungsbehauptungen, die die Wissenschaftsbloggerin aufstellt, kann er nicht selbst prüfen. Ihm fehlen dazu die nötigen Ressourcen und das nötige Hintergrundwissen …

2. Wissen ist ungleich verteilt. Das ist Resultat der fortschreitenden Ausdifferenzierung wissenschaftlicher Disziplinen. Nicht-Experten (Laien) haben also begrenztes Wissen über spezielle wissenschaftliche Inhalte, aber auch darüber, wie Wissenschaft funktioniert.

… Auch wenn Martin also nicht in der Lage ist zu beurteilen, was er glauben soll, so kann er doch entscheiden, ob er der Wissenschaftsbloggerin vertrauen sollte. Vertrauen ist dabei keinesfalls blind. Martin hat bereits Anhaltspunkte identifiziert, die für ihre Vertrauenswürdigkeit sprechen. Sie gehört einer renommierten wissenschaftlichen Institution an und arbeitet zudem für ein Umweltschutzprojekt.

3. Vertrauen ist kritisch. Schon im Alter von drei Jahren machen Kinder kritische Vertrauensentscheidungen: So vertrauen sie Informanten abhängig davon, ob sie fehlerhafte Aussagen machen, oder Andere in Schutz nehmen – und sie wägen solche Eigenschaften von Informanten gegeneinander ab.

Aus diesem Beispiel geht auch hervor, dass man zwischen Vertrauen als Zustand oder Haltung des Lesers – also seiner Erwartung, dass die Wissenschaft die besten und relevantesten Antworten zu alltäglichen Fragestellungen liefert – und dem Prozess des Erschließens von Vertrauenswürdigkeit, um konkrete Urteile über Personen oder Informationen zu treffen, unterscheiden muss.

In unserer Forschung fokussieren wir letzteres, nämlich kognitive Prozesse, die individuellen und situativen Vertrauensentscheidungen von Individuen zugrunde liegen. Wir konnten zeigen, dass Laien dabei zwischen drei Dimensionen unterscheiden, nämlich hinsichtlich der Expertise (einschlägiges Wissen und Erfahrungen der Experten), der Integrität (Handeln der Experten nach den Regeln und Normen des Berufsstandes) und des Wohlwollens (Handeln der Experten mit dem Wohl Anderer im Sinn).

Die Frage ist: Welche Hinweise berücksichtigt Martin, wenn er kritische Urteile über die Expertise, Integrität und das Wohlwollen der Wissenschaftsbloggerin macht? Das können Quellenmerkmale sein, wie ihre institutionelle Affiliation oder ihre Zuständigkeit für den betreffenden Themenbereich. Auch die im Artikel enthaltenen Informationen und Argumente selbst bieten (teils in Interaktion mit den themenspezifischen Einstellungen des Lesers) Hinweise auf die Vertrauenswürdigkeit der Autorin. Und schließlich – und das stand im Fokus unserer Untersuchungen – scheinen Laien zudem auf die Intentionen von Experten zu schließen.

In experimentellen Studien fanden wir Anhaltspunkte, dass Leser Schlüsse auf die wohlmeinende Intentionen von Kommunikatoren ziehen, wenn Wissenschaftler selbst neben wissenschaftlicher Evidenz auch zugehörige Unsicherheiten oder gesellschaftliche Rahmenbedingungen kommunizieren (das können ethische Aspekte, aber auch Fehleinschätzungen des Wissenschaftlers oder, wie Jensen (2008) fand, Unsicherheiten im wissenschaftlichen Erkenntnisstand sein). Diese Offenlegung durch den verantwortlichen Wissenschaftler (und nicht etwa durch eine externe Person) resultiert darin, dass Leser dem Wissenschaftler mehr Integrität und Wohlwollen zusprechen. Die Leser scheinen die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Wissenschaftler solche Unsicherheit evozierenden Informationen mit der Intention offenlegen, die Leser bestmöglich zu informieren (und nicht mit der, zu überzeugen).

Unsere Studien zeigen, dass Laien differenzierte und kritische Einschätzungen der Vertrauenswürdigkeit von Experten machen, indem sie schauen, wer diese Experten sind, worüber sie kommunizieren, und welche Intentionen ihrer Wissenschaftskommunikation zugrunde liegen mögen. So tragen nach unseren Erkenntnissen über ein allgemeines Vertrauen in die Verlässlichkeit des Wissenschaftssystems hinaus auch unsere kritischen Urteile über die Vertrauenswürdigkeit bestimmter Experten (die uns als Informationsquelle dienen) dazu bei, dass wir wissenschaftlichen Informationen Glauben schenken – oder auch nicht.