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Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im Mai 2024

Welche Metaphern sollten in der Klimakommunikation verwendet werden? Wie interpretieren Menschen Schlüsselbegriffe aus der Klimaforschung? Und wie haben Wissenschaftler*innen während der Coronapandemie auf Twitter/X kommuniziert?

In unserem monatlichen Forschungsrückblick besprechen wir aktuelle Studien zum Thema Wissenschaftskommunikation. Diese Themen erwarten Sie in der aktuellen Ausgabe:

Von Anpassung bis Kipppunkt: Wie verständlich sind Klimawandel-Begriffe?

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der UN fasst regelmäßig aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klima zusammen. Die Berichte sind öffentlich zugänglich – aber sind sie auch verständlich? In einer Studie hat ein Forschungsteam um Wändi Bruine de Bruin im Jahr 2021 festgestellt, dass US-Amerikaner*innen Schwierigkeiten hatten, die Schlüsselbegriffe aus den IPCC-Berichten zu verstehen. Wie sieht es in Deutschland aus? Lena Wege von der Leuphana Universität Lüneburg, Wändi Bruine de Bruin von der University of Southern California und Astrid Kause von der Universität Potsdam haben in Interviews Deutsche befragt, wie sie eine Reihe von Schlüsselbegriffen interpretieren.

Mehr als 80 Prozent hatten Probleme mit Fachausdrücken wie „CCS“.

Methode: Die Forscherinnen rekrutierten 24 Deutsche für Interviews zum Thema „Kommunikation zum Klimawandel“, davon 20 über die Online-Plattform Prolific und vier über wissenschaftsskeptische Online-Plattformen. Die Interviews wurden zwischen September und November 2022 per Telefon oder Zoom geführt. Die Forscherinnen nutzten dabei die Interviewfragen der zitierten Studie von Wändi Bruine de Bruin aus dem Jahr 2021. 18 Teilnehmende gaben an, dass der Klimawandel hauptsächlich durch menschliche Aktivitäten verursacht wird und wurden deshalb als klimabewusst eingestuft. Sechs stimmten nicht zu und wurden als klimaambivalent eingestuft. Im Zentrum der Befragung standen folgende Schlüsselbegriffe von IPCC-Webseiten: „Minderung des Klimawandels/von Treibhausgasemissionen“, „CO2-neutral“, „beispiellose Veränderung“, „Kipppunkt“, „nachhaltige Entwicklung“, „Kohlenstoffdioxidentnahme aus der Atmosphäre“, „Anpassung“ und „abrupte Veränderung“. Die Teilnehmenden lasen die Begriffe zunächst allein, dann laut, gaben danach an, ob sie sie schon einmal gehört hatten und interpretierten sie dann. Sie bewerteten die Verständlichkeit der Begriffe auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht verständlich) bis 5 (sehr leicht zu verstehen). Dann lasen die Teilnehmenden Sätze, die aus den deutschen Zusammenfassungen des sechsten Sachstandsberichts des IPCC für politische Entscheidungsträger*innen stammen und die entsprechenden Begriffe enthielten. Die Teilnehmenden bewerteten auch hier die Verständlichkeit und wurden gebeten, alternative Formulierungen vorzuschlagen. Der Satz zum Begriff „CO2-neutral“ lautet beispielsweise folgendermaßen: „Das Erreichen von globalen netto null CO2-Emissionen, wobei anthropogene CO2-Emissionen durch anthropogene Entnahmen von CO2 ausgeglichen werden,
ist eine Voraussetzung für die Stabilisierung des CO2-bedingten Anstiegs der globalen Oberflächentemperatur.“

Ergebnisse: Fast alle Begriffe und Sätze wurden als relativ leicht zu verstehen eingestuft. Die Sätze wurden dabei insgesamt als schwieriger empfunden als die Begriffe. Im Folgenden werden einige Einschätzungen genannt – angefangen mit dem Begriff, den die Teilnehmenden am schwierigsten fanden bis hin zu dem, den sie am verständlichsten fanden. 

1. „Kohlenstoffdioxidentnahme aus der Atmosphäre“

  • Elf Befragte (46 %) kannten den Begriff oder die Begriffskombination nicht. Für sieben Befragte (29 %) war der Zusammenhang mit dem Klimawandel unklar.
  • Einige bezogen den Begriff auf Fotosynthese. Niemand beschrieb andere Möglichkeiten, der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen.
  • Den zugehörigen Satz bezeichneten rund 20 Prozent als zweideutig. Mehr als 80 Prozent hatten Probleme mit Fachausdrücken wie „CCS“. Dreiviertel erwähnten, dass der Satz sehr lang und verschachtelt sei. 
  • Empfehlungen waren einfachere Formulierungen (beispielsweise „Treibhausgase“ statt „Kohlendioxid“) und kürzere Sätze. Auch wurde vorgeschlagen, Begriffe wie CCS und den Prozess der Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu erklären.

2. „CO2-neutral“

  • Alle Befragten gaben an, mit dem Begriff vertraut zu sein, obwohl er als der zweitschwierigste eingestuft wurde. Sieben Befragte waren sich über die detaillierte Bedeutung im Unklaren, 13 lieferten detaillierte Erklärungen. 
  • Ein Drittel der Befragten verwechselte den Begriff mit Null-Emissionen und Kompensation.
  • Ein Viertel äußerte Misstrauen und brachten den Begriff beispielsweise mit „Greenwashing“ in Verbindung. 
  • Der zugehörige Satz wurde als zu lang, verschachtelt und umständlich eingestuft. Dreiviertel der Teilnehmenden schlug vor, Fachjargon zu vermeiden. Viele wünschten sich genauere Erklärungen – beispielsweise, wie sich der Begriff von „Nullemissionen“ unterscheidet.  

3. „Kipppunkt“

  • Mehr als die Hälfte kannte den Begriff vorher nicht, für neun war der Zusammenhang mit dem Klimawandel unklar. 63 Prozent erkannten, dass das Überschreiten eines Kipppunkts die Rückkehr zu einem früheren Zustand unmöglich macht.
  • Rund 40 Prozent hielten den Begriff für eine Metapher, aber ihre Interpretationen deckten sich kaum mit der Definition. 
  • Niemand äußerte Misstrauen gegenüber dem Begriff oder dem Satz. Er wurde von einigen jedoch als verschachtelt, mehrdeutig und kompliziert empfunden.
  • Empfohlen wurde, andere Begriffe zu verwenden, beispielsweise die englische Formulierung „point of no return“.

4. „Beispiellose Veränderung“

  • 46 Prozent waren mit dem Begriff beziehungsweise der Begriffskombination nicht vertraut.
  • Für rund 70 Prozent war der Zusammenhang mit dem Klimawandel unklar. 
  • Probleme gab es beim Verständnis des Begriffes „beispiellos“, der teilweise als „ineffizient“ oder „alternativlos“ interpretiert wurde. 
  • Zwei äußerten Misstrauen, weil sie den Begriff als populistisch empfanden und 25 Prozent bezweifelten, dass es sich beim Klimawandel um eine noch nie dagewesene Entwicklung handelt.
  • 25 Prozent empfanden den Satz als mehrdeutig. Ein Drittel kritisierte, er sei zu lang oder zu verschachtelt. Auch die komplizierte Grammatik wurde erwähnt. 
  • Vorgeschlagen wurde unter anderem, die Verbindung zum Klimawandel deutlicher zu machen und Beispiele und relevante Details zu präsentieren, um den Begriff verstehen zu können.

5. „Minderung des Klimawandels/von Treibhausgasemissionen“

  • 46 Prozent der Teilnehmenden waren mit den Begriffen nicht vertraut. Einige hatten sie zwar gehört, aber nicht im Kontext des Klimawandels. Viele erwähnten Möglichkeiten zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen. 
  • Einige bezeichneten den Begriff als „wischiwaschi“, „abstrakt“ oder „ungenau“. 
  • Es wurde vorgeschlagen, kurze prägnante Sätze und alternative Begriffe wie „verlangsamen“ oder „Verringerung“ (der globalen Erwärmung) zu verwenden.

6. Nachhaltige Entwicklung 

  • 54 Prozent gaben an, dass der Begriff weit verbreitet ist. Der Zusammenhang mit dem Klimawandel war für 38 Prozent jedoch unklar. 
  • Die Hälfte schien nicht im Detail zu wissen, was mit nachhaltiger Entwicklung gemeint ist. 
  • Rund 20 Prozent empfanden den Begriff als Schlagwort. 
  • 17 Prozent beschrieben den Satz als mehrdeutig. Eine Person sagte, sie hätte ihn fünfmal lesen müssen, um ihn zu verstehen. Eine andere sagte, er ergebe überhaupt keinen Sinn.
  • Gebeten wurde um konkrete Erklärungen und Beispiele dafür, was nachhaltige Entwicklung ist.

7. Abrupte Veränderung

  • Drei Teilnehmende waren nicht mit den Begriffen oder deren Kombination vertraut. Für 13 war der Bezug zum Klimawandel unklar. 
  • Einige hatten Schwierigkeiten, den Unterschied zu Kipppunkten zu erklären. 
  • Rund 20 Prozent bewerteten den Satz als mehrdeutig, weil beispielsweise unklar sei, ob sich die Veränderung auf das Klima oder Gesellschaft beziehe.
  • Vorgeschlagen wurde, „abrupt“ durch geläufigere Begriffe wie „plötzlich“, „schnell“ oder „drastisch“ zu ersetzen und den Satz zu verkürzen oder in mehrere Abschnitte aufzuteilen. 

8. Anpassung 

  • Dieser Begriff wurde als am wenigsten schwer verständlich eingestuft. Alle kannten den Begriff, für 42 Prozent war jedoch der Zusammenhang mit dem Klimawandel unklar. 
  • Einige verwechselten Anpassung mit Maßnahmen zur Abmilderung des Klimawandels. 
  • Der Satz wurde von einigen als mehrdeutig empfunden, 46 Prozent bewerteten ihn als zu lang oder verschachtelt.
  • Die Teilnehmenden schlugen vor, explizit zu beschreiben, was der Begriff Anpassung für Menschen beuten würde. Auch der Bezug zum Klimawandel müsse deutlich gemacht werden.

Schlussfolgerungen: Obwohl die deutschen Interviewpartner*innen fast alle Begriffe als relativ leicht verständlich einstuften, hatten sie Schwierigkeiten mit der Interpretation. Um sie zu verstehen, zogen sie häufig andere Kontexte heran. Die Forscherinnen identifizierten sechs Kernprobleme: 1.) Die Teilnehmenden waren mit den Begriffen oder deren Kombination nicht vertraut. 2.) Sie gaben an, dass sie nicht wussten, in welchem Bezug die Begriffe zum Klimawandel stehen. 3.) Die Teilnehmenden waren hinsichtlich der genauen Bedeutung verwirrt und brachten Begriffe mit den falschen Prozessen in Verbindung. 4.) Gegenüber Begriffen wie etwa „CO2-neutral“ äußerten die Teilnehmenden Misstrauen. 5.) Fast alle Sätze wurden als mehrdeutig, verwirrend oder zu komplex empfunden. 6.) Alle Sätze wurden als zu lang empfunden. Teilweise wurden Nebensätze und Fachsprache kritisiert. 

Fast alle Sätze wurden als mehrdeutig, verwirrend oder zu komplex empfunden.
Die Ergebnisse stimmen mit denen der US-amerikanischen Studie überein, obwohl die Deutschen generell besorgter bezüglich der Auswirkungen des Klimawandels sind. Ausgehend von ihren Erkenntnissen fordern die Forscherinnen, dass die deutsche Klimakommunikation eine klarere Sprache verwenden, Verbindungen zum Klimawandel deutliche machen und relevante Details präsentieren müsse. Fachjargon und Akronyme sollen vermieden werden. Worte und Sätze sollten möglichst kurz sein.

Einschränkungen: Die Studie zeigt, welche Probleme es beim Verstehen von Schlüsselbegriffen des Klimawandels gibt. Die Ergebnisse geben aber keinen Aufschluss darüber, wodurch diese verursacht werden. Folgestudien könnten Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Faktoren wie dem Wissen über den Klimawandel, der Besorgnis bezüglich des Klimawandels oder der Lese- und Schreibfähigkeit und dem Verständnis von Begriffen und Texten zum Thema in den Blick nehmen.

Wege, L., Bruine de Bruin, W., Kause, A. (2024) Public understanding of climate change terminology in Germany. Climatic Change 177, 81. https://doi.org/10.1007/s10584-024-03725-2

Wie Wissenschaftler*innen während der Pandemie auf Twitter kommunizierten

Große gesellschaftliche Herausforderungen wie Covid-19 können zu einem erhöhten Bedarf nach wissenschaftlichem Wissen führen. Aus diesem Grund standen in der Pandemie plötzlich einige Wissenschaftler*innen in der Öffentlichkeit. Online-Plattformen machen es dabei möglich, unabhängig von der Gate-Keeper-Funktion traditioneller journalistischer Medien mit Menschen außerhalb des Wissenschaftsbetriebs in Kontakt zu treten. Was bedeuten diese Entwicklungen für das Rollenverständnis von öffentlich kommunizierenden Wissenschaftler*innen? Kaija Biermann und Monika Taddicken von der Technischen Universität Braunschweig haben das am Beispiel von prominenten Virolog*innen auf X, vormals Twitter, untersucht. 

Methoden: Über Kriterien wie die akademische Laufbahn und wissenschaftliche Publikationen identifizierten die Forscherinnen Wissenschaftler*innen aus dem Bereich der Virologie in Deutschland und überprüften, ob sie auf Twitter aktiv sind. Bei ihrer Analyse konzentrierten sie sich auf diejenigen, die mehr als 10.000 Follower*innen hatten. Acht Wissenschaftler*innen erfüllten diese Bedingungen, darunter eine Person, die nicht in Deutschland arbeitet, aber deutschsprachig ist. Um Veränderungen im Zeitverlauf einzubeziehen, betrachteten die Forscherinnen sechs jeweils zweiwöchige Zeiträume zwischen 2020 und 2022. Sie wählten Perioden, die durch politische Ereignisse wie beispielsweise Lockdowns geprägt waren.

Das häufigste Thema, das in fast 30 Prozent der Tweets vorkam, war „Forschung und Wissenschaft“.
Untersucht wurden die 891 Tweets, die einen Verweis auf Covid-19 enthielten. Die Forscherinnen bestimmten dabei übergreifende Thema (zum Beispiel „Politische Maßnahmen und Forderungen“) und Unterkategorien. Sie identifizierten erwähnte Akteur*innen, die Art der vorgebrachten Evidenz, den Tonfall, Gefühlsäußerungen und die Erwähnung wissenschaftlicher Unsicherheit. Erfasst wurde außerdem, ob die Tweets wissenschaftliche Fachausdrücke, bestimmte Aussageformen und Aufforderungen zum Handeln oder Verweise auf klassische Medien enthielten.

Ergebnisse: Das häufigste Thema, das in fast 30 Prozent der Tweets vorkam, war „Forschung und Wissenschaft“ (z. B. Forschung zu neuen Virusvarianten), gefolgt von „politische Maßnahmen und Forderungen“ (z. B. Schulschließungen), das in 25 Prozent der untersuchten Tweets vorkam. Weitere wichtige Themen waren „Medien“ (16,5 Prozent), „Prävention auf individueller Ebene“ und „Ausbreitung und Wachstum“. In der letzten Periode wurden insgesamt weniger Tweets veröffentlicht, von denen sich jedoch die Hälfte mit „Forschung und Wissenschaft“ befassten. „Medien“ und „politische Maßnahmen und Forderungen“ kamen fast nicht mehr vor. 

Die Mehrheit der erwähnten Akteur*innen kam aus der Wissenschaft (46 Prozent), gefolgt von Medien (knapp 27 Prozent). Politische Akteur*innen machten 11,6 Prozent der Akteur*innen aus. In fast 30 Prozent der Tweets wurden wissenschaftliche Beweise zitiert. Die Wissenschaftler verwendeten dabei am häufigsten andere Expert*innen und Studien als Beweisquellen in ihren Tweets. 

Der Tonfall der Tweets war bei 55,4 Prozent neutral, bei knapp 25 Prozent negativ und bei knapp 20 Prozent positiv. Zu Anfang der Pandemie gab es mehr positive Tweets. Fast 30 Prozent aller Tweets enthielten Elemente der Emotionalisierung. Insbesondere zu Beginn der Pandemie fanden sich häufiger emotionale Elemente in den Tweets. In 15,6 Prozent aller Tweets erwähnten die Wissenschaftler*innen einzelne Emotionen wie Wut (9,5 Prozent), gefolgt von Freude (4,2 Prozent). Angst (0,9 Prozent) und Traurigkeit (1,5 Prozent). 

Die Kommunikation der Wissenschaftler*innen war teilweise emotional aufgeladen, insbesondere zu Beginn der Pandemie.
Die meisten Tweets enthielten keinen wissenschaftlichen Jargon (65 Prozent). In 22,4 Prozent der Fälle enthielten die Tweets jedoch wissenschaftliche Fachsprache, die bereits in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen war, zum Beispiel „Inzidenz“. Die Verwendung von fachsprachlichen Ausdrücken (reine Fachsprache sowie allgemeiner Sprachgebrauch) nahm im Laufe der Pandemie zu. Wissenschaftliche Unsicherheit war in den Tweets nur selten Thema – am häufigsten in der dritten und vierten Periode. Die Wissenschaftler*innen präsentierten überwiegend sachliche Informationen (53 Prozent), äußerten aber auch Meinungen (37,6 Prozent) und in fast einem Fünftel aller Tweets Kritik.

Handlungsaufrufe kamen in einem Viertel aller Tweets vor – hauptsächlich an die Gesamtgesellschaft gerichtet (rund 51 Prozent), aber auch an die Politik (fast 36 Prozent), Wissenschaft (8 Prozent) und Medien (rund 2 Prozent). Medienverweise fanden sich in mehr als einem Viertel aller Tweets. In der zweiten Periode bezogen sich die Wissenschaftler*innen deutlich häufiger auf die Medien als in der fünften und sechsten Periode.

Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse zeigen, dass die Wissenschaftler*innen ihre Kommunikation nicht nur auf Inhalte zu Forschung und Wissenschaft beschränkten, sondern auch politische Maßnahmen ansprechen, die Medienberichterstattung kommentierten und über Präventionsmaßnahmen auf individueller Ebene kommunizierten. Sie bezogen sich nicht nur auf die Vermittlung von evidenzbasiertem Wissen, sondern stellten eigene Ansichten dar und äußerten Kritik. Das deutet darauf hin, dass die öffentlich sichtbaren Wissenschaftler*innen an einem breiten Diskurs teilnahmen und dabei über eine Rolle als reine Vermittler*innen wissenschaftlicher Informationen hinausgingen. 

Die Kommunikation der Wissenschaftler*innen war teilweise emotional aufgeladen, insbesondere zu Beginn der Pandemie. Wissenschaftler*innen scheinen demnach Social-Media-Kanäle auch genutzt zu haben, um Unmut und Frustration, beispielsweise über die Regierung, auszudrücken. Überraschenderweise wurde wissenschaftliche Unsicherheit nur selten angesprochen. 

Die geringe Häufigkeit von Fachausdrücken deutet laut der Forscherinnen darauf hin, dass die Kommunikation der Wissenschaftler*innen für die breitere Öffentlichkeit weitgehend verständlich war. Die Zunahme der Fachsprache im letzten Zeitraum könnte darauf hindeuten, dass sich das Zielpublikum wieder auf ihresgleichen verlagert haben könnte. Eine andere Erklärung wäre, dass die Öffentlichkeit inzwischen mit diesen Begriffen vertraut war. 

Dass sich auch Handlungsaufrufe an die Öffentlichkeit finden, kann als Hinweis gesehen werden, dass Wissenschaftler*innen während der Pandemie als Problemlöser*innen agierten. Auch drückten sie Kritik und Wertschätzung gegenüber Medienbeiträgen aus. Gleichzeitig kommunizierten sie über Social Media direkt mit ihren Follower*innen. Die digitalen Kommunikationsumgebungen ermöglichten ihnen laut der Forscherinnen, in der Pandemie Aufgaben zu übernehmen, die in erster Linie mit Journalist*innen in Verbindung gebracht werden. Somit unterstützt diese Studie die Annahme, dass digitale Kommunikationsumgebungen und wissenschaftliche Themen mit hoher öffentlicher Aufmerksamkeit zu Veränderungen in den Rollenvorstellungen von Wissenschaftler*innen führen. 

Die Ergebnisse zeigen auch, dass sich die Rollen der Wissenschaftler*innen im Laufe der Zeit ändern. Zu Beginn der Pandemie äußerten sie häufiger Meinungen und emotionalisierten stärker. Zum Ende der Pandemie verweist das Kommunikationsverhalten darauf, dass sie wieder stärker zu ihren traditionellen Rollen zurückgekehrt sind. Die neuen Rollen haben also laut der Forscherinnen die alten nicht ersetzt, sondern koexistierten mit ihnen. 

Einschränkungen: Die Studie beschränkt sich auf acht Wissenschaftler*innen aus einem bestimmten Fachbereich zu einer politischen und gesellschaftlichen Ausnahmesituation. Die Ergebnisse können deshalb nicht ohne Weiteres auf andere kommunizierende Wissenschaftler*innen und andere zeitliche Perioden übertragen werden. 

Biermann, K., Taddicken, M. (2024). Visible scientists in digital communication environments: An analysis of their role performance as public experts on Twitter/X during the Covid-19 pandemic. Public Understanding of Science, 0(0). https://doi.org/10.1177/09636625241249389

Minenfeld des Klimawandels: Welchen Einfluss haben Metaphern auf „Doomism“?

Die Erwärmung des Planeten ist unvermeidlich? Die Eindämmung des Klimawandels scheint schier unmöglich? Eine solche Untergangsstimmung wird als „Doomism“ bezeichnet. Inzwischen sei diese Einstellung gegenüber der Klimakrise in den USA weiter verbreitet als Klimaskepsis, schreiben Caitlin Johnstone und Elise Stickles von der University of British Columbia in Kanada. Die Folgen könnten jedoch vergleichbar sein. Denn Gefühle von Angst und Hoffnungslosigkeit könnten ebenso zu Untätigkeit führen. In der Klimakommunikation sollte deshalb darauf geachtet werden, nicht ungewollt „Doomism“ zu befördern, schreiben die Forscherinnen. In einer Umfrage haben sie die Auswirkungen von zwei unterschiedlichen Metaphern untersucht. 

Methode: Als Doomism definierten die Forscherinnen einen Zustand, in dem ein starkes Gefühl von Dringlichkeit mit einem geringeren Gefühl von Machbarkeit („feasibility“) und Handlungsmacht („agency“) verbunden sind. Denn das deute darauf hin, dass sich Menschen der Risiken der Klimakrise bewusst sind, aber die Chancen für gering halten, dass die Krise bewältigt werden kann – und ihre individuellen Handlungen einen Einfluss darauf haben könnten. 

Hauptziel der Studie war, die Beziehung zwischen metaphorischen Darstellungen der Klimakrise und Gefühlen des „Doomism“ zu verstehen. Dafür wählten die Forscherinnen zwei gängige Metaphern, die in der Klimakommunikation verwendet werden: „climate change is a minefield“ (Klimawandel ist ein Minenfeld) und „climate change is a cliff edge“ (Klimawandel ist eine Klippe). Beide Metaphern drücken die Dringlichkeit der Krise aus. Bei der Klippe jedoch wird der Klimawandel als ein gefährlicher Endpunkt dargestellt. Es gibt nur zwei Zustände: Vor der Klippe die „Nichtbetroffenheit“, dahinter die „Betroffenheit“. Das Minenfeld hingegen kann auch als laufender Prozess mit zunehmendem Risiko interpretiert werden. 

In allen Gruppen berichten die meisten Teilnehmenden (96 Prozent) von einem recht starken Gefühl der Dringlichkeit.
Die Stichprobe bestand aus rund 1200 US-Bürger*innen, die über die Online-Rekrutierungsplattform Prolific gewonnen wurden. Klimawandelskeptiker*innen wurden dabei ausgeschlossen, weil es unlogisch wäre, wenn diese gleichzeitig eine klimabedingte Weltuntergangsstimmung verspürten. 

Die Teilnehmenden bekamen einen kurzen Absatz im Stil eines Zeitungsartikels zu lesen. Sie wurden in fünf Gruppen aufgeteilt. Zwei von ihnen erhielten jeweils einen Artikel, der die Minenfeld- oder Klippenmetapher enthielt. Die Metaphern wurden jeweils einmal mit der Erwähnung von menschlichen Akteur*innen kombiniert, die Handlungsfähigkeit suggerieren sollten (Beispielsatz: „In den Vereinigten Staaten arbeiten wir daran, eine Katastrophe zu vermeiden, indem wir unseren CO2-Fußabdruck in den nächsten Jahrzehnten reduzieren.) Der Text der fünften Gruppen, die als Kontrollgruppe diente, enthielt keine Metapher und keine Akteur*innen. 

Nachdem die Teilnehmenden die Texte gelesen hatten, wurden ihnen drei Fragen gestellt: „Wie dringend ist es für die USA, sofort Energiesparprogramme umzusetzen?“ (Dringlichkeit), 2. „Wie wahrscheinlich ist es, dass die USA das schlimmste Szenario eines katastrophalen Klimawandels vermeiden können?“ (Machbarkeit) , 3. „Inwieweit glauben Sie, dass Ihr individuelles Handeln dazu beitragen kann, das Problem des Klimawandels anzugehen?“ (Handlungsfähigkeit). Die Fragen wurden auf einer Skala von 1 (niedrige Zustimmung) bis 6 (hohe Zustimmung) bewertet. Außerdem sollten die Teilnehmenden angeben, was ihrer Meinung nach die Ursache für den Klimawandel ist und wie sie die Temperaturänderungen in ihrer Region in den letzten fünf Jahren wahrgenommen haben.

Ergebnisse: In allen Gruppen berichten die meisten Teilnehmenden (96 Prozent) von einem recht starken Gefühl der Dringlichkeit. 58 Prozent der Teilnehmenden gaben eine geringe Machbarkeit an, der Rest eine hohe. 51 Prozent von ihnen gaben eine geringe und 29 Prozent eine hohe Handlungsfähigkeit an. Bei hohen Dringlichkeitswerten war die Wahrscheinlichkeit, dass Teilnehmende eine geringe Machbarkeit angeben, höher. Das Gefühl von Dringlichkeit war stärker, wenn Befragte weiblich waren, den Klimawandel als menschengemacht einschätzten und die lokalen Temperaturen als steigend wahrnahm.

Eine metaphorische Rahmung machte die Annahme wahrscheinlicher, dass die Klimakrise erfolgreich bewältigt werden könnte.
Die Forscherinnen konnten keinen signifikanten Einfluss der metaphorischen Darstellung auf die Handlungsfähigkeit beobachten. Bei der Machbarkeit sah es anders aus. Beide Metaphern erhöhten die Wahrscheinlichkeit, dass die Teilnehmenden von einer stärkeren Machbarkeit ausgingen. Bei der Minenfeld-Metapher schien der Einfluss etwas größer zu sein.

Bei einer weiteren statistischen Modellierung zeigte sich, dass sich die Wahrnehmung der Dringlichkeit und der Handlungsfähigkeit in keiner Gruppe signifikant von der Kontrollgruppe unterschied. Bei den Metaphern in Kombination mit handelnden Personen war die Wahrscheinlichkeit geringer, dass die Teilnehmenden von einer geringen Machbarkeit ausgingen. Dieser Effekt zeigte sich jedoch nur, wenn in den Texten von menschlichen Akteur*innen die Rede war.  

Schlussfolgerungen: Insgesamt war das Gefühl von Dringlichkeit bei den Teilnehmenden sehr hoch, das von Machbarkeit und menschlicher Handlungsfähigkeit aber eher gering. Das deutet laut der Forscherinnen darauf hin, dass Gefühle von „Doomism“ weit verbreitet sind. 

Eine metaphorische Rahmung machte die Annahme wahrscheinlicher, dass die Klimakrise erfolgreich bewältigt werden könnte. Gleichzeitig blieb ein Gefühl von Dringlichkeit erhalten. Das ist laut der Forscherinnen wichtig, um Motivation zum Handeln zu wecken. 

Die Studienergebnisse unterstützen also die Hypothese, dass es eine Beziehung zwischen der Darstellung in Metaphern und einer klimabedingten Weltuntergangsstimmung gibt. Entgegen der Annahmen der Forscherinnen sind dabei die Unterschiede zwischen den beiden Metaphern jedoch nicht gravierend. Sie hatten angenommen, dass Metaphern, die keinen Endpunkt des Klimawandels kommunizieren, wahrscheinlicher Untergangsstimmungen hervorrufen als solche, die nur zwischen den zwei Zuständen „betroffen“ und „nicht betroffen“ unterscheiden. Beide Metaphern würden sich demnach eignen, um „Doomism“ entgegenzuwirken. Die Studienergebnisse sprechen auch dafür, dass die Nennung von menschlichen Akteur*innen in der Klimakommunikation eine entscheidende Rolle spielt.

Die Metaphern zeigten Einfluss auf die Machbarkeit, nicht aber auf die Handlungsfähigkeit. Das kann laut der Forscherinnen auch methodologische Gründe haben. Möglicherweise sei die Frage nach individueller Handlungsfähigkeit kein gutes Maß für die Messung von Doomism. Denn angesichts des Ausmaßes der Klimakrise sei es tatsächlich unmöglich, als einzelne Person dagegen anzugehen. Trotz einer niedrigen Einschätzung individueller Möglichkeiten könne die kollektive Handlungsfähigkeit trotzdem hoch eingeschätzt werden.

Einschränkungen: Weil sie den Aufmerksamkeitstest nicht bestanden hatten, wurden etwas 20 Prozent der Teilnehmenden ausgeschlossen, sie durften keine weiteren Fragen beantworten. Die Forscherinnen können nicht ausschließen, dass dies zu einer Verzerrung der Ergebnisse geführt haben könnte. Denn vielleicht hätten Teilnehmende, die die Testfrage nicht bestanden haben, die Fragen anders beantwortet. 

Johnstone, C., and Stickles, E. (2024) Navigating the climate change minefield: the influence of metaphor on climate doomism. Frontiers in Communication 9:1380092. doi: 10.3389/fcomm.2024.1380092

 

Mehr Aktuelles aus der Forschung

Leben retten mit TikTok, Fact-Checking über YouTube? Welche Rollen können soziale Medien in der Gesundheitskommunikation spielen? Montse Vázquez-Gestal von der University of Vigo hat zusammen mit zwei Kolleg*innen YouTube-Kanäle der kommunalen Gesundheitsbehörden in Spanien während der Coronapandemie untersucht. Immer mehr von ihnen nutzen Videos zur Bekämpfung von Desinformation – entweder als Präventivmaßnahme oder als Reaktion auf die Verbreitung von Falschinformationen. Die Forscher*innen bewerten das als eine starke Antwort auf Fake News. Sie empfehlen öffentlichen Institutionen, sich populärer Formate zu bedienen, um die Öffentlichkeit zu erreichen.

Ein konkretes Beispiel von Gesundheitskommunikation auf Social Media diskutieren Jin-Xin Zheng von der Shanghai Jiao Tong University School of Medicine und Shun-Xian Zhang von der Shanghai University of Traditional Chinese Medicine. Ein TikTok-Influencer berichtete über Erfahrungen mit einem Kohleofen, woraufhin ihn Follower*innen vor einer Kohlenmonoxidvergiftung warnten. Er befolgte die Ratschläge seiner Follower*innen, ein Familienmitglied aber erlitt eine CO-Vergiftung. Die Forschenden untersuchen an dem Fall, wie sich digitale Kommunikation auf gesundheitsbezogene Verhaltensweisen auswirken kann. Sie raten, digitale Plattformen stärker in die Strategien des öffentlichen Gesundheitswesens zu integrieren.

Schadet Werbung dem Klima? Für die Otto-Brenner-Stiftung haben Uwe Krüger, Katharina Forstmair, Alexandra Hilpert und Laurie Stührenberg von der Universität Leipzig das klimaschädliche Potenzial von Fernseh- und YouTube-Werbung analysiert. Ob Süßigkeiten, Autos oder Hygieneprodukte: Das Ergebnis zeigt, dass von den mehr als 10.000 untersuchten TV-Spots rund jeder Dritte für klimaschädliche Waren und Dienstleistungen wirbt, bei den YouTube-Spots jeder siebte. Die Forscher*innen fordern, Werbung für klimaschädliche Güter strenger zu regulieren und argumentieren dabei auch mit den Grundsätzen des Medienstaatsvertrags. Denn darin heißt es, dass durch Werbung keine Verhaltensweisen gefördert werden sollen, die „in hohem Maße den Schutz der Umwelt gefährden“.