Foto: Christian Humm, CC BY-SA 4.0

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im Februar 2020

Wie schroffe Umgangsformen in den Kommentarspalten des Internets Nutzerinnen und Nutzer abschrecken, eine Evaluation von Science-Pubs und Astrophysik im Kino: Das sind die Themen im aktuellen Forschungsrückblick.

In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Forschungsergebnisse zum Thema Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

Wie unhöfliche Online-Kommentare wirken

In den Kommentarspalten des Internets herrschen oft ruppige Umgangsformen. Hat das vielleicht einen Einfluss auf die Bereitschaft von Nutzerinnen und Nutzern, sich mit den präsentierten Inhalten auseinanderzusetzen? Dieser Frage ging ein Team um die Kommunikationsforscherin Leona Yi-Fan Su von der University of Illinois at Urbana-Champaign in einer aktuellen Online-Studie nach.

Methodik: Die 2429 Teilnehmerinnen und Teilnehmer lasen einen fingierten Artikel, der angeblich im Wissenschaftsblog einer kanadischen Tageszeitung erschienen war. Darin ging es entweder um Fracking, Gentechnik oder Nanotechnologie – alles relativ junge Wissenschaftszweige, die politisch umstritten sind, da Konservative sie meist anders bewerten als Linke. Unter dem Blogbeitrag gab es stets sechs Kommentare unterschiedlicher Ausrichtung, die sowohl zustimmend als auch ablehnend waren. Diese waren entweder in neutraler Sprache verfasst oder mit unhöflichen Formulierungen und Beleidigungen gespickt. Anschließend wollten die Forschenden wissen, ob sich die Probandinnen und Probanden gern weiter über das Thema informieren wollen und sie den Beitrag mit anderen teilen würden.

„Wer der Demokratischen Partei nahestand, wollte weniger mit dem Thema zu tun haben, wenn es im Kommentarbereich unhöflich zuging.“
Ergebnisse: Ob ein rauer Umgangston in der Kommentarspalte das weitere Interesse der Teilnehmenden beeinflusste, hing sowohl von ihrer politischen Einstellungen als auch vom konkreten Thema ab. Bei den beiden politisch besonders aufgeladenen Themen Fracking und Gentechnik fühlten sich konservative Probandinnen und Probanden von „inzivilen“ Kommentaren eher dazu ermuntert, weitere Informationen zu suchen oder den Beitrag zu teilen. Wer dagegen der Demokratischen Partei nahestand, wollte weniger mit dem Thema zu tun haben, wenn es im Kommentarbereich unhöflich zuging.

Schlussfolgerungen: Beleidigungen und persönliche Angriffe in Online-Kommentaren zu politisch umstrittenen Themen wirken unterschiedlich auf Personen, die dem linken oder dem rechten politischen Spektrum nahestehen. Wer eher links eingestellt ist, schreckt demnach stärker vor Debatten zurück, in denen eine pöbelnde und respektlose Sprache vorherrscht. Das gilt aber offenbar nur für politisch ohnehin schon aufgeladene Themen, nicht für Angelegenheiten wie Nano-Silberpartikel in Konsumgütern, die weniger polarisieren.

Einschränkungen: Die Erkenntnisse gelten nur für politisch umkämpfte Themen in den USA, wo der Graben zwischen konservativen und progressiv eingestellten Wählerinnen und Wählern breiter ist als etwa aktuell noch in Deutschland. Da der Blogbeitrag jeweils nur einen speziellen Aspekt der genannten Themen behandelte, wird sich in weiteren Studien zeigen müssen, ob sich die Ergebnisse auch auf diese Themen im Allgemeinen oder auf weitere wissenschaftliche Fragen erstrecken.

Su, L. Y.-F., Scheufele, D. A., Brossard, D. & Xenos, M. A. (2020). Political and personality predispositions and topical contexts matter: Effects of uncivil comments on science news engagement intentions. New Media & Society. https://doi.org/10.1177/1461444820904365

Science-Pubs: Eulen nach Athen tragen?

Science-Cafés und ähnliche Veranstaltungen in Kneipen, wie „Pint of Science“, sollen seit etwa 20 Jahren Forschende mit Bürgerinnen und Bürgern in lockerer Atmosphäre zusammenbringen. Die Idee ist, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dort ihre Themen vermitteln, aber zugleich nahbar wirken und offen für Ideen aus dem Publikum sind. Zur Frage, welchen Effekt der Besuch eines solchen Events auf die Teilnehmenden hat, gibt es bislang kaum Forschung. Die Anthropologin Cara Ocobock, die selbst solche Events im US-Bundesstaat New York ausrichtet, und die Psychologin Patricia Hawley haben das nun empirisch untersucht.

Methodik: Die Forscherinnen teilten bei zehn Veranstaltungen der Reihe „Science on Tap“ jeweils zu Beginn und am Ende Fragebogen an die Besucherinnen und Besucher aus. Darin ging es um demografische Angaben, aber auch um politische Überzeugungen, Vertrauen in Wissenschaft sowie Einstellungen und Gefühle in Bezug auf Wissenschaft. Für insgesamt 251 Befragte konnten sie damit einen Vorher-Nachher-Vergleich anstellen.

„Science on Tap“ – Wissenschaft vom Fass – ist der Name einer beliebten Reihe von Pub-Science-Events in den USA. Foto: Louis Hansel

Ergebnisse: Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden lag bei 37 Jahren, fast zwei Drittel waren Frauen. Rund 73 Prozent gaben an, auf einem im weiteren Sinne wissenschaftlichen Feld zu arbeiten. Die politischen Ansichten der Befragten waren deutlich weniger konservativ als im US-Durchschnitt, ihre Einstellungen zu Wissenschaft grundsätzlich positiv. Keine der abgefragten Variablen hatte sich nach Ende der Veranstaltungen signifikant verändert. Nur eine einzelne Frage bildete eine (negative) Ausnahme: Die Teilnehmenden waren hinterher etwas stärker der Meinung, das wissenschaftliche Theorien mit „Ahnungen“ gleichzusetzen seien.

Schlussfolgerungen: Das Publikum bei Pub-Science-Events ist grundsätzlich eher wissenschaftsfreundlich, und der Besuch einer solchen Veranstaltung verändert weder das Vertrauen in Wissenschaft noch Emotionen in Bezug auf Wissenschaft oder Überzeugungen zu wissenschaftlichen Methoden. Die einzige messbare Veränderung bestand darin, dass die Befragten den Begriff Theorie schlechter verstanden als zuvor. Ocobock und Hawley halten die Events trotzdem für sinnvoll, weil sie Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt mit aktiven Forschenden bringen und sie beispielsweise erfahren, woran an Instituten und Hochschulen in ihrer Region gearbeitet wird. Es seien jedoch mehr Formate nötig, die ein weniger selektives Publikum ansprechen, wofür sie als Beispiel das Projekt „Two Scientists Walk Into a Bar“ nennen.

Einschränkungen: Es gab in dieser Evaluation keine Kontrollgruppe, und aus praktischen Gründen waren die verwendeten Fragebogen stark gekürzte (und in dieser Form nicht validierte) Versionen etablierter Messinstrumente. Vor allem aber wurde nach Vertrauen und Einstellungen zu Wissenschaft ganz allgemein gefragt und nicht spezifisch zu den Themen, über die auf den jeweiligen Veranstaltungen referiert wurde. Dabei ist zum Beispiel Vertrauen in Wissenschaft bekanntermaßen von der konkreten Fragestellung abhängig. Zudem wurden die Ergebnisse der Prä-Post-Messung nicht aufgeschlüsselt nach Personen, die auf wissenschaftlichen oder nichtwissenschaftlichen Gebieten arbeiteten – so bleibt unklar, ob es wenigstens beschränkt auf letztere messbare Effekte gab.

Ocobock, C. & Hawley, P. (2020). Science on tap: Effective public engagement or preaching to the choir? Journal of Science Communication, 19(1), A04. https://doi.org/10.22323/2.19010204

Filme gucken für die Wissenschaft

Unterhaltungsmedien wie Filme und TV-Serien stellen im Alltag für viele Menschen einen wichtigen Berührungspunkt mit wissenschaftlichen Inhalten dar. Über die Effekte dieser Medien auf das Wissenschaftsverständnis ist allerdings noch eher wenig bekannt. Kommunikationswissenschaftlerinnen um Kate Luong von der Ohio State University haben in einer aktuellen Studie erforscht, wie eine filmische Narration von Astrophysik auf das Publikum wirkt.

Methodik: Nach einem Vortest bekam die Hälfte der 205 Versuchspersonen einen 45-minütigen Ausschnitt aus „Interstellar“ zu sehen, einem 2014 erschienenen Science-Fiction-Film, an dem der Physiknobelpreisträger Kip Thorne als wissenschaftlicher Berater mitgewirkt hat. Die übrigen Teilnehmenden sahen stattdessen einen Teil des Thrillers „The Lincoln Lawyer“ (auf Deutsch „Der Mandant“). Nach dem Video wurde das Wissen der Probandinnen und Probanden zum Thema abgefragt und sie sollten unter anderem angeben, wie sehr sie sich in die Handlung hineinversetzt gefühlt hatten und wie stark sie sich für das Thema Astrophysik interessierten. Dabei kam auch ein neu entwickelter Fragebogen zum Einsatz, in dem es darum ging, wie verständlich die Teilnehmenden die wissenschaftlichen Inhalte des Films fanden und inwiefern sie den Eindruck hatten, dass die wissenschaftliche Information gut in die Handlung des Films eingebunden war.

„Auch ob die wissenschaftlichen Fakten nach Ansicht der Versuchspersonen gut in die Handlung integriert waren, spielte eine Rolle.“
Ergebnisse: Beide Filmausschnitte kamen bei den Teilnehmenden gleich gut an und sie fühlten sich bei beiden gleichermaßen ins Geschehen hineinversetzt. Wer den Science-Fiction-Film gesehen hatte, wusste anschließend mehr über Astrophysik (zum Beispiel, dass es einen Unterschied zwischen Schwarzen Löchern und Wurmlöchern gibt), hatte ein größeres Interesse an diesem Thema und wollte eher weitere Informationen dazu suchen. Auch ob die wissenschaftlichen Fakten nach Ansicht der Versuchspersonen gut in die Handlung integriert waren, spielte eine Rolle: Wer dieser Meinung war, hatte nachher ein umso größeres Interesse am Thema und wollte mehr darüber wissen.

Schlussfolgerungen: Das Publikum kann aus Unterhaltungsmedien wie Filmen neue wissenschaftliche Fakten lernen und ein größeres Interesse an Wissenschaft entwickeln, selbst in Bezug auf eher abstrakte Themen wie Astrophysik. Je besser Wissenschaft und Storytelling dabei miteinander verflochten sind, desto stärker ist offenbar die Wirkung auf das Interesse.

Einschränkungen: Die Versuchspersonen waren Studierende, also möglicherweise wissenschaftlichen Themen gegenüber aufgeschlossener als der Bevölkerungsdurchschnitt. Dass nur ein Film und ein Kontrollfilm getestet wurden, führen die Autorinnen darauf zurück, dass wissenschaftlich akkurate Erzählungen in Unterhaltungsmedien immer noch rar seien. Zudem wurde nicht erfragt, ob die Teilnehmenden den Film bereits kannten, was ihnen beim Verstehen der wissenschaftlichen Fakten geholfen haben dürfte.

Luong, K. T., Moyer-Gusé, E. & McKnight, J. (2020). Let’s go to the movies … for science! The impact of entertainment narratives on science knowledge, interest, and information-seeking intention. Journal of Media Psychology. https://doi.org/10.1027/1864-1105/a000272

Mehr Aktuelles aus der Forschung:

Eine Mischung aus Science-Pub und Wissenschaftscomedy: Das bietet die Veranstaltungsreihe Bright Club im Vereinigten Königreich und in Irland. In einem Aufsatz im Magazin Science Communication beleuchten Forschende um den Astrophysiker Joseph Roche die bisherigen Erfahrungen mit dem Format in Dublin und anderen irischen Städten.

Die österreichische Bevölkerung steht der Nanotechnologie grundsätzlich neutral oder positiv gegenüber. Das ergab eine Befragung, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Salzburg veröffentlicht haben. Es gibt aber weiterhin Vorbehalte: jeder Zehnte Befragte hat demnach schon einmal bewusst auf den Kauf eines Produktes mit Nanotechnologie verzichtet, insbesondere bei Kosmetika.

Die Verarbeitung wissenschaftlicher Informationen lässt sich laut einer neuen Studie zu einem gewissen Grad steuern: etwa indem man Menschen dazu anhält, beim Lesen eines Textes über Impfungen auf Genauigkeit zu achten. Foto: Centers for Disease Control and Prevention

Wissenschaftliche unhaltbare Überzeugungen können ernste Folgen haben, etwa beim Thema Impfen. Doch wie lassen sich Fehlannahmen am besten korrigieren? In einer neuen Studie gelang dies am besten, wenn man beim Präsentieren wissenschaftlicher Belege den Fokus der Teilnehmenden auf eine genaue Informationsverarbeitung lenkte und sie dazu aufforderte, verschiedene Perspektiven einzunehmen.

Wie stehen Forschende in den USA zur Wissenschaftskommunikation? Das untersuchte eine Befragung von mehr als 6.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Universitäten. Die meisten von ihnen halten Kommunikation für sehr wichtig, viele beklagen sich aber über fehlende institutionelle Unterstützung oder zweifeln an ihren persönlichen Kommunikationsfähigkeiten.

Artikel in wissenschaftlichen Fachzeitschrift folgen seit mindestens einhundert Jahren denselben Prinzipien für ihre Struktur und Gestaltung – und die seien nicht mehr zeitgemäß, moniert eine Gruppe kanadischer Autorinnen und Autoren aus der Forschung und dem Publikationswesen. Die wissenschaftliche Veröffentlichung der Zukunft müsste nicht nur „lebendig“ und veränderbar sein, sondern auch größeren Wert auf Verständlichkeit für ein nicht-wissenschaftliches Publikum sowie auf den Impact jenseits von Zitationen legen. 

Brotbacken für die Wissenschaft? Darum bittet das Citizen-Science-Projekt „Sourdough for Science“, das an der North Carolina State University angesiedelt ist. Das Ziel: herauszufinden, welche Bakterien und Hefen eigentlich genau einen Sauerteig bevölkern und welche dafür verantwortlich sind, dass nur aus Mehl, Wasser und Wärme ein bekömmlicher Teig wird – denn das sei nach Jahrtausenden des Brotbackens noch immer nicht genau bekannt, schreiben die Initiierenden.

Die Kurzmeldungen zur Wissenschaftskommunikationsforschung erscheinen alle 14 Tage im Panoptikum.