Foto: Benson Kua, CC-BY-SA-2.0

Tagung #wowk17 – Zu Besuch im Physikerzoo?

Alle möchten das Vertrauen in die Wissenschaft stärken. Doch gehen Forschende, Kommunikatoren, Institutionen und Journalisten das Problem oft getrennt voneinander an.  Braucht es diese Kontrollinstanzen oder doch gemeinsamen Lobbyismus? Wissenschaftsjournalist Alexander Mäder fasst die Ergebnisse der Tagung „Wissenschaft braucht Gesellschaft“ zusammen.

Am zweiten Tag der Tagung platzt dem Physiker der Kragen. „Ich fühle mich wie im Aquarium und draußen stehen die Journalisten und Kommunikatoren und studieren, was ich tue“, klagt er. In seiner Stadt hat er schon viele gut besuchte öffentliche Veranstaltungen organisiert, und er hätte sich gewünscht, dass solche erfolgreichen Formate besprochen werden. Doch auf der Konferenz „Wissenschaft braucht Gesellschaft“ der Volkswagen-Stiftung werden – in fünf Podiumsdiskussionen – andere Debatten geführt. Es wird beklagt, dass es für Wissenschaftler wenig Anreize gebe, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Es wird berichtet, dass dieses Engagement hier und da doch schon Pluspunkte bringe bei Anträgen und Berufungsverfahren. Es wird diskutiert, ob Forscher in Talkshows gehen sollten. „Dort kann man die Komplexität und Differenziertheit der Wissenschaft nicht vermitteln“, lautet die eine Position. „Aber die Leute wollen Antworten – und es gibt auch Talkshows mit Niveau“, die andere.

Graswurzelkommunikation vs. konzertierter Lobbyismus

Die meisten Teilnehmer eint das Gefühl, dass Wissenschaft und Wissenschaftsjournalismus in raue See geraten sind. Wissenschaftliche Expertisen – etwa zu Gesundheits- oder Bildungsfragen – werden ignoriert oder freihändig umgedeutet. „Die Gesellschaft rennt der Wissenschaft nicht hinterher“, fasst Andreas Zick zusammen, Communicator-Preisträger von der Universität Bielefeld. Das jüngste Wissenschaftsbarometer in Deutschland liefert die Zahlen dazu: Nur 50 Prozent sagen, dass sie der Wissenschaft und Forschung vertrauen. Nur 40 Prozent sagen, dass Wissenschaftler im Interesse der Öffentlichkeit forschen. Und mehr als 70 Prozent quer durch alle Bevölkerungsschichten sagen, dass Wissenschaftler stark von ihren Geldgebern abhängig sind. Stefan Wegner von der Agentur Scholz & Friends berichtet von ähnlichen Klagen in anderen Bereichen der Gesellschaft: Auch Kirche, Politik und Sport haben den Eindruck, dass ihnen mit zunehmender Skepsis begegnet wird. Und er sieht eine Flut an Veranstaltungen, die als Zugehen auf die Öffentlichkeit gedacht sind, aber diesem Anspruch nicht gerecht werden.

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Wegner empfiehlt den wissenschaftlichen Einrichtungen und Organisationen, die Kräfte zu bündeln und gegenüber der Politik selbstbewusst aufzutreten. Nach dem Vorbild der Arbeitgeberverbände könnte man eine Lobbyorganisation wie die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ gründen. Beim Marketing gehe es schließlich darum, ein sichtbares und glaubwürdiges Konstrukt zu schaffen – eine Marke eben. Doch der Tenor vieler Beiträge auf der Tagung ist ein anderer: Gute Öffentlichkeitsarbeit müsse von unten wachsen und von den Institutionen gefördert werden. „Wir können nur die Karotte hinhalten“, sagt zum Beispiel Wilhelm Krull, Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung, zum Angebot, die Öffentlichkeitsarbeit der Stipendiaten zu fördern. Wegner hingegen fordert ein Signal der Spitzen.

Die Vermittlung den Medien überlassen? Oder doch den Forschenden?

Eine andere Option wäre, es den Medien zu überlassen, den Dialog zwischen Forschern und Laien zu organisieren. „Wissenschaft muss nicht Journalismus simulieren“, sagt Christian Schwägerl, Mitinitiator der Plattform Riffreporter.de. Doch Wilhelm Krull, Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung, und Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft, sehen beide im australischen Portal The Conversation ein mögliches Modell für Deutschland. Die Kosten seien nicht bedeutend, sagt Meyer-Guckel. „Das ist eine Option, die wir uns anschauen sollten“, sagt Krull. Auf dieser vor allem von Hochschulen und forschenden Unternehmen finanzierten Website schreiben Wissenschaftler über ihre Arbeit und andere aktuelle Themen; eine journalistische Redaktion sorgt dafür, dass die Texte nach den Regeln der Kunst aufbereitet und präsentiert werden. Die Frage, ob ein solches Angebot den etablierten Medien Konkurrenz machen würde, bleibt auf der Tagung unbeantwortet.

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Medien und Wissenschaft als gegenseitige Kontrollinstanzen

Der kritische Blick auf die Wissenschaft bleibt den Journalisten überlassen. Anna-Lena Scholz, Redakteurin der Wochenzeitung Die Zeit und Mitveranstalterin der Tagung, spricht einige Probleme an: die geringe Zahl an Professorinnen und Rektorinnen, die niedrige Quote an Studenten aus der Arbeiterklasse und die schwierige Situation von Nachwuchswissenschaftlern mit kurzen Zeitverträgen. Die Schwierigkeiten, der guten wissenschaftlichen Praxis durchzusetzen und die Replizierbarkeit von Experimenten zu gewährleisten könnte diese Liste ergänzen. Der Appell der Journalistin: „Bevor man die Tür des Elfenbeinturms öffnet, sollte man drinnen aufräumen.“ Und als Reaktion auf schlechte journalistische Beiträge bittet sie um Leserpost: Nur wenn man die Verantwortlichen systematisch auf Fehler und verzerrte Darstellungen hinweist, entsteht der nötige Druck, die Arbeitsweisen zu ändern.

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Alexander Mäder ist Mitglied der Genossenschaft der Riffreporter.

Alle Beiträge zu #wowk17, der Tagung „Wissenschaft braucht Gesellschaft“ der Volkswagen-Stiftung, 25.–26.10.2017: