Foto: Christian Humm, CC BY-SA 4.0

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im Februar 2019

Im aktuellen Forschungsrückblick beschäftigen uns ein Lehrvideo über Antibiotika, Selfies im Labor und das Publikum von Science-Festivals.

In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Forschungsergebnisse zum Thema Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

Wer profitiert von Antibiotika-Aufklärung?

Resistenzen gegen Antibiotika werden von Fachleuten – unter anderem dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts – als ein drängendes Gesundheitsproblem angesehen. In der Bevölkerung setzt sich dagegen erst langsam die Erkenntnis durch, dass unter anderem die falsche Verschreibung von Antibiotika ein gravierendes medizinisches Problem darstellt. Forschende der Universität Tilburg und des Niederländischen Instituts für öffentliche Gesundheit und Umwelt (RIVM) untersuchten nun die Effektivität eines Aufklärungsvideos zum Thema.

Methodik: Das Forschungsteam befragte 1780 Versuchspersonen, die repräsentativ für die niederländische Bevölkerung in Bezug auf Alter, Geschlecht, Bildungsstand und die Wohnregion waren. Die Probandinnen und Probanden mussten online eine Reihe von Fragebogen ausfüllen, ein Teil von ihnen sah zwischendurch das 90 Sekunden lange Erklärvideo.

Ergebnisse: Das Problembewusstsein der Testpersonen, die das Video zu sehen bekamen, stieg anschließend nur geringfügig an. Nähere Analysen zeigten, dass dieser Effekt vollständig auf einen Zuwachs in der Probandengruppe mit dem geringsten Vorwissen zurückging; bei diesen Teilnehmenden fiel er dafür deutlich aus. Zudem fand sich wider Erwarten ein stärkerer Effekt des Videos bei jenen Probandinnen und Probanden, die gemäß Fragebogen eher „gleichgültig“ in Bezug auf Umwelt- und wissenschaftliche Themen waren und die sich als weniger sozial eingebunden beschrieben.

Blisterpackung mit Tabletten
Antibiotika drohen ihre Wirkung gegen viele Keime zu verlieren. Als Grund nennen Forschende unter anderem eine falsche Verschreibungspraxis. Foto: Brett Jordan, CC0

Schlussfolgerungen: Die „Defizit-Hypothese“, nach der Information alleine schon zu einer Veränderung im Denken führt, wird unter Forschenden weitestgehend abgelehnt. In dieser Untersuchung konnte sie aber zumindest ein Stück weit bestätigt werden, und zwar für jene Versuchspersonen mit dem geringsten Vorwissen zum Thema und dem wenigsten zu erwartenden Interesse. Erst ab einem gewissen Kenntnisstand spielte zusätzliche Information keine Rolle mehr.

Einschränkungen: Auch in der ursprünglich am schlechtesten informierten Gruppe war der Effekt zwar signifikant, aber ebenfalls nur „moderat“ ausgeprägt – was aber auch an der Kürze der Intervention gelegen haben dürfte. Es ist unklar, wie lange das gewandelte Problembewusstsein anhält, und ob es auch mit einer (realen oder zumindest beabsichtigten) Änderung des Verhaltens in Bezug auf Antibiotika einhergeht.

Van Rijn, M., Haverkate, M., Achterberg, P. & Timen, A. (2019). The public uptake of information about antibiotic resistance in the Netherlands. Public Understanding of Science. https://doi.org/10.1177/0963662518823701

#ScientistsWhoSelfie: Mit Hashtags gegen Stereotype

Weiß, männlich und mittelalt, intelligent, aber nicht sonderlich herzlich: So in etwa lassen sich wohl einige der hartnäckigsten Stereotype über Forschende zusammenfassen. Mit Aktionen und Hashtags wie #ScientistsWhoSelfie wollen vor allem junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deshalb in den sozialen Medien sichtbar machen, dass in Laboren „ganz normale“ Menschen arbeiten. Ein Forschungsteam um Paige Jarreau und Samantha Yammine untersuchte nun den Effekt, den solche Wissenschafts-Selfies auf die Betrachtenden haben, und veröffentlichte die Ergebnisse als Preprint.

Methodik: Die 1620 Versuchspersonen bekamen im Rahmen einer Onlineumfrage unter anderem sieben Instagram-Postings zu sehen. Diese zeigten entweder beliebige Menschen, Gegenstände aus der wissenschaftlichen Arbeit oder dieselben Gegenstände auf dem Selfie einer Forscherin oder eines Forschers. Anschließend sollten die Teilnehmenden unter anderem Fragen über die Absender der Bilder sowie über Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Allgemeinen beantworten. Dabei schätzten sie diese auf zwei grundlegenden Persönlichkeitsdimensionen ein: ihrer Kompetenz (was hier zum Beispiel hohen sozialen Status oder Intelligenz bedeutet) und ihrer Wärme, also ihrer Herzlichkeit und Umgänglichkeit. Dreißig Prozent der Befragten hatten selbst einen Hochschulabschluss, 10 Prozent in einem MINT-Fach.

Ergebnisse: Die Kontrollgruppe, die gar keine Wissenschaftsbilder gesehen hatte, beurteilte Forschende im Allgemeinen zwar als kompetent, aber nur als mäßig umgänglich oder herzlich. Wer dagegen Instagram-Fotos mit Selfies von Forschenden gesehen hatte – insbesondere von Frauen –, schätzte die Urheber der Postings anschließend als „wärmer“ ein im Vergleich zu Teilnehmenden, die Bilder von beliebigen Personen oder nur von wissenschaftlichen Geräten gesehen hatten. Die wahrgenommene Kompetenz der Forschenden litt dabei nicht oder stieg sogar leicht an.

„Die Gruppe, die „Scientist-Selfies“ gesehen hatte, sprach Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anschließend eine größere persönliche Wärme und Kompetenz zu.“

Diese positiven Bewertungen übertrugen sich zudem auf die Einschätzung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern generell. Auch ihnen sprach die Gruppe, die „Scientist-Selfies“ gesehen hatte, anschließend eine größere persönliche Wärme und Kompetenz zu. Zudem hielt sie Forschende grundsätzlich für glaubwürdiger und für weniger bedrohlich.

Schlussfolgerungen: Kompetenz oder ein hoher sozialer Status nötigen Menschen Respekt ab. Wärme oder Herzlichkeit wird jedoch oft als die wichtigere Dimension angesehen, denn sie bildet die Grundlage dafür, dass man eine Person oder eine Gruppe mag und ihr Vertrauen schenkt. Eine Personalisierung der Wissenschaft durch Selfies aus dem Labor oder aus dem Feld scheint diesen Ergebnissen zufolge geeignet, um das Image von Forschenden insgesamt zu verbessern und Berührungsängste abzubauen.

Einschränkungen: Es handelte sich nur um sieben Social-Media-Postings, die in künstlicher Umgebung betrachtet wurden, also nicht während einer normalen Instagram-Sitzung. Die Selfies waren allerdings authentisch: Sie waren im Rahmen der Aktion #ScientistsWhoSelfie auf Instagram und Twitter entstanden – weshalb sie auch nicht nach bestimmten Merkmalen ausgesucht werden konnten. Das Forschungsteam regt deshalb an, in künftigen Untersuchungen dieser Art auch Bilder selbst herzustellen, damit Faktoren wie die Attraktivität der Userinnen und User oder deren Mimik systematisch variiert werden können.

Jarreau, P. B., Cancellare, I. A., Carmichael, B. J., Porter, L., Toker, D. & Yammine, S. Z. (2019). Using selfies to challenge public stereotypes of scientists. SocArXiv. https://doi.org/10.31235/osf.io/qac4u

Das Publikum auf Wissenschaftsmärkten: Die üblichen Verdächtigen

Science-Festivals sind offen für alle – Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass das Publikum dort dennoch kein Abbild der Gesellschaft darstellt: Besser ausgebildete und finanzkräftigere Familien sind offenbar auf den Wissenschafts-Jahrmärkten überrepräsentiert. Forscherinnen um Katherine Nielsen von der University of California wollten nun diesen Befund an der bislang größten Stichprobe in den USA überprüfen.

Methodik: Für ein Projekt zur Evaluation von Science-Festivals (EvalFest) standen den Forscherinnen die demografischen Daten von 9759 Personen zur Verfügung, die 2017 einen von 24 Wissenschaftsjahrmärkten in den USA besucht hatten. Während der Events hatten Mitarbeitende der Festivals zufällig menschen aus dem Publikum ausgewählt, sie angesprochen und interviewt.

Ergebnisse: Die Teilnehmenden auf den Märkten unterschieden sich in mehreren Punkten von der Allgemeinbevölkerung in den Vereinigten Staaten: Es waren mehr Frauen (61 statt 51 Prozent), ein Drittel von ihnen hatte einen Masterabschluss oder eine Promotion vorzuweisen (in der Gesamtbevölkerung haben das 12 Prozent) und weitere 43 Prozent einen Bachelorabschluss (gesamt 33 Prozent). Aus ökonomischer Sicht war vor allem die Mittelklasse mit einem geschätzten jährlichen Haushaltseinkommen zwischen 50.000 und 75.000 US-Dollar stark überrepräsentiert – sowohl ärmere (weniger als 35.000 USD) als auch reiche Schichten (mehr als 150.000 USD) blieben den Veranstaltungen dagegen überdurchschnittlich häufig fern.

Schlussfolgerungen: Diese umfassende Analyse bestätigt erneut, dass Science-Festivals – wie andere öffentliche Wissenschaftsevents auch – vor allem gebildete und relativ wohlhabende Teile der Bevölkerung erreichen. Zwar gebe es mittlerweile mehr Reflexion über dieses Phänomen und Bemühungen, ein ausgewogeneres Publikum zu gewinnen, schreiben die Forscherinnen. Über die Effektivität dieser Maßnahmen wisse man aber bislang noch zu wenig.

Einschränkungen: Die Stichprobe basiert auf vielen verschiedenen Wissenschaftsfestivals, diese fanden aber ausschließlich in den USA statt. Das Einkommen wurde nur näherungsweise geschätzt, und zwar anhand der Postleitzahl der Befragten.

Nielsen, K., Gathings, M. J. & Peterman, K. (2019). New, not different: Data-driven perspectives on science festival audiences. Science Communication. https://doi.org/10.1177/1075547019832312

Mehr Aktuelles aus der Forschung:

Erreicht man mit Twitter ein „breites Publikum“? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Centre for Marine and Renewable Energy am University College Cork haben ihren eigenen Twitter-Account einer näheren Analyse unterzogen, um das herauszufinden. Immerhin ein Drittel aller aktiven Follower scheint nicht zum „inneren Kreis“ aus Forschenden und Meeres-Enthusiasten zu gehören.

Roboter-Arm
Künstliche Intelligenz = Roboter? In der britischen Bevölkerung ist diese Gleichsetzung offenbar verbreitet. Foto: Franck V., CC0

Was die (britische) Öffentlichkeit über künstliche Intelligenz denkt, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der University of Cambridge mit Hilfe einer repräsentativen Umfrage ergründet. Demnach denken viele Befragten bei dem Begriff vor allem an Roboter – und fürchten sich vor zunehmender Automatisierung und vor einer künftigen Überlegenheit der KI gegenüber dem Menschen.

Was bewegt junge Frauen dazu, eine Karriere in den MINT-Fächern zu ergreifen? Ein britisch-australisches Forschungsteam hat unter anderem Daten aus den PISA-Studien herangezogen, um herauszufinden, welche Rolle die Mutter als Vorbild spielt. Geht sie einem MINT-Beruf nach, steigert das die Neigung der Töchter zur Wissenschaft. Der Effekt ist allerdings je nach Land unterschiedlich stark ausgeprägt.

Warum wenden Menschen Homöopathie an? Für eine aktuelle kommunikationswissenschaftliche Dissertation wurden darüber Nutzerinnen und Nutzer in Neuseeland befragt. Ergebnis: Die meisten sind sich durchaus darüber im Klaren, dass es keinen wissenschaftlich belegten Nutzen gibt – sie vertrauen ihren persönlichen Erfahrungen aber stärker und zweifeln die wissenschaftlichen Erkenntnisse an.

Wie Wissen über ein Thema mit den Einstellungen dazu zusammenhängt, gehört zu den schon vielfach untersuchten Forschungsfragen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der University of Wisconsin-Madison weisen nun darauf hin, dass es durchaus einen großen Unterschied macht, wie Wissen gemessen wird: als bloße Selbsteinschätzung, wie gut man sich auskennt, oder als echter Fakten-Test.

Studien über Bakterien in Quietsche-Entchen und anderen Haushaltsgegenständen würden oft in den Medien dramatisiert, moniert der Mikrobiologe Frederik Hammes in einem aktuellen Editorial. Dabei könnten gerade diese Untersuchungen – richtig vermittelt – einen wichtigen Beitrag zur Wissenschaftskommunikation leisten.

 

Die Kurzmeldungen zur Wissenschaftskommunikationsforschung erscheinen alle 14 Tage im Panoptikum.