Foto: Sarah Jonek Fotografie

„Jede*r muss den eigenen Weg finden, zu kommunizieren“

Christian Scharun forscht am Karlsruher Institut für Technologie zum Klimawandel und ist der diesjährige Gewinner des FameLab Deutschlands. Im Interview spricht er über seinen Auftritt beim Wettbewerb, seine Erfahrungen und die Bedeutung von Wissenschaftskommunikation.


Herr Scharun, Sie haben im Mai das Finale des FameLabs gewonnen. Wie ist es zu Ihrer Teilnahme gekommen?
Ich habe vor rund einem Jahr angefangen, mir Gedanken darüber zu machen, dass Wissenschaftskommunikation für mich ein wichtiges Thema ist und in welchen Formaten ich mich in diesem Bereich engagieren kann. Dann habe ich mir angeschaut, was meine Vorbilder in diesem Bereich für Wege gewählt haben. Mai Thi Nguyen-Kim hat beispielsweise 2012 den Wettbewerb von Falling Walls gewonnen. Deshalb habe ich auch mitgemacht und dann ebenfalls gewonnen. Anschließend habe ich mir überlegt, was ich als nächstes machen könnte und die Science Slams von Thora Schubert entdeckt, die ich super gut fand. Danach bin ich über andere Slammer*innen, die mich begeistert haben und die auch bei FameLab mitgemacht haben, auf die Idee gekommen dort teilzunehmen. Es ist natürlich total schön, dass ich dann auch direkt gewonnen habe.

Christian Scharun ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Spurengase und Fernerkundung (IMK-ASF) des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) tätig. Er studierte Mathematik und Geographie und entwickelte während seiner Promotion eine Methode, mit der Emissionen von Treibhausgasen präziser als bisher bestimmt werden können. Derzeit arbeitet er an einem Treibhausgas-Monitoring System in Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst. Foto: privat

Sie haben ja bereits gesagt, dass für Sie Wissenschaftskommunikation ein wichtiges Thema ist. Weshalb ist es aus Ihrer Sicht bedeutsam?
Das Klimathema ist ein sehr großes und zwar nicht erst seit Scientists oder Fridays for Future, sondern eigentlich schon seit Jahrzehnten. Ich habe angefangen, in diesem Bereich zu forschen. Als Doktorand ist man natürlich sehr beschäftigt mit vielen Dingen und hat eher keine Zeit auch noch zu kommunizieren. Gegen Ende meiner Promotion habe ich mich immer mehr gefragt, was der Mehrwert meiner Arbeit ist und überlegt, warum ich es eigentlich mache. Die Antwort war, dass ich auch privat sehr stark hinter meiner Arbeit stehe und das Thema so wichtig finde, dass ich damit auch andere Menschen erreichen möchte. Deshalb fand ich es wichtig, aktiv darüber zu kommunizieren. Gerade, weil man als Wissenschaftler*in natürlich ein gewisses Standing in der Gesellschaft hat und die Menschen einem in dieser Rolle dann auch eher zuhören. Insbesondere, wenn man das Thema anschaulich darstellt und sich auch aktiv an Diskussionen beteiligt. Ich habe die Hoffnung, dadurch etwas verändern und verbessern zu können. Das ist natürlich ein sehr großes Ziel, aber es ist meine Motivation hinter der Kommunikation.

Weshalb ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass Wissenschaftler*innen selbst aktiv kommunizieren?
Ich finde es wichtig, weil Wissenschaftler*innen sich täglich mit dem Forschungsthema befassen und folglich die wissenschaftliche Perspektive aus dem täglichen Arbeitsalltag haben. Dadurch gewinnen sie an Reputation und Glaubwürdigkeit. Reine Kommunikator*innen können diese Perspektive und thematische Tiefe so nicht mehr haben, weil es zu viele andere Dinge gibt, um die sie sich kümmern müssen. Deshalb ist es für mich zentral, dass es Leute gibt, die direkt aus der Forschung heraus kommunizieren.

„Deshalb ist es für mich zentral, dass es Leute gibt, die direkt aus der Forschung heraus kommunizieren.“ Christian Scharun

Sie sind auf Twitter aktiv, haben bei unterschiedlichen Publikumsevents teilgenommen. Gibt es ein Format, was Sie besonders begeistert oder Ihnen besonders liegt?
Ich mache tatsächlich sehr viele unterschiedliche Formate und ich finde jedes davon hat seinen Reiz. Am meisten Freude machen mir aber Formate, bei denen die Leute Spaß haben und lachen können. Aus meiner Erfahrung geht das auch nicht auf Kosten des Inhalts, sondern auch aus diesen Formaten entstehen inhaltliche Fragen und spannende Diskussionen zum Thema. Am schönsten finde ich es, wenn ich die Rückmeldung bekomme, dass ich mit den humorvollen Formaten Leute zum Denken und Grübeln angeregt habe.

Gibt es eine Zielgruppe, die Sie besonders spannend finden?
Es gibt für mich in Bezug auf das Klimathema drei große Zielgruppen. Diejenigen, die bereits überzeugt und interessiert sind, halte ich deshalb für wichtig, da wir nur als große Masse etwas bewegen können. Dann gibt es die Zielgruppe der Skeptiker*innen. Ich erlebe sie sehr viel auf Twitter, aber da ist es natürlich sehr schwierig wirklich etwas an der Einstellung zu verändern. Die Gruppe, die ich derzeit am wichtigsten finde, sind die Entscheider*innen – also die politischen und wirtschaftlichen Strippenzieher*innen. Die kann man entweder direkt erreichen oder eben über ihre Wähler*innen. Am wertvollsten ist natürlich der direkte Austausch und da ergeben sich momentan für mich auch erstmals Möglichkeiten. Allerdings ist es natürlich etwas einfacher – gerade am Anfang der eigenen wissenschaftlichen Karriere – an die Wähler*innen heranzukommen und hier den Dialog zu suchen beziehungsweise Begeisterung zu entfachen. Da können Formate wie das FameLab natürlich helfen.

„Die Gruppe, die ich derzeit am wichtigsten finde, sind die Entscheider*innen – also die politischen und wirtschaftlichen Strippenzieher*innen.“ Christian Scharun

Wie haben Sie angefangen zu kommunizieren und wovon lassen Sie sich inspirieren in der Art und Weise, wie sie kommunizieren?
Ich glaube der Falling Walls-Vorentscheid in Karlsruhe war das erste Mal, dass ich mit Wissenschaft auf einer Bühne stand und etwas für die Zielgruppe Öffentlichkeit gemacht habe. Dabei habe ich gemerkt, dass ich Spaß daran habe und ich auch offensichtlich gut bei den Leuten angekommen bin. Danach gab es eigentlich keinen Grund mehr, es nicht zu machen. Und klar, andere kommunizierende Wissenschaftler*innen sind immer eine Inspiration und man nimmt immer etwas mit, wenn man die Beiträge anderer Leute sieht.

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Wie viel Zeit beansprucht Kommunikation in Ihrem Alltag?
Sie nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und vieles davon mache ich in meiner Freizeit. Gerade in den letzten Wochen und Monaten ging es schon auf Kosten meiner Hobbys und meiner Freizeit. Die wissenschaftliche Arbeit steht natürlich immer im Vordergrund. Ich habe allerdings das Glück, dass meine Vorgesetzten und auch die Leitungsebene am KIT sehr hinter dem stehen, was ich im Bereich der Wissenschaftskommunikation mache und es wichtig finden. Deshalb habe ich auch die Möglichkeit einiges während der Arbeitszeit zu machen, solange eben die wissenschaftliche Arbeit nicht darunter leidet. Dieser Zuspruch ist super wichtig für mich und erleichtert es, sich dafür engagieren zu können.

Wenn Sie sich etwas für die Wissenschaftskommunikation wünschen könnten, was wäre es?
Ich würde mir wünschen, dass ich hier am KIT eine Stelle bekäme, bei der ich für Kommunikation und Transfer aus der Wissenschaft über die Klimaforschung verantwortlich bin und die unterschiedlichen Arbeitsbereiche und Themenfelder noch stärker als bisher vernetzen kann. Das wäre ein Wunschtraum.

„Es ist wichtig, man selbst zu sein. Dann ist man authentisch und hat quasi das eine C, Charisma, aus der Bewertung der FameLab-Auftritte schon erfüllt.“ Christian Scharun

Welchen Rat würden Sie Wissenschaftler*innen geben, die anfangen wollen zu kommunizieren?
Es ist wichtig, man selbst zu sein. Dann ist man authentisch und hat quasi das eine C, Charisma, aus der Bewertung der FameLab-Auftritte schon erfüllt. Man sollte hinter den Dingen stehen, über die man spricht und sich selbst als Person treu bleiben. Dadurch gelingt es einem auch, ehrlich und offen zu kommunizieren und es wird außerdem deutlich, dass Wissenschaftler*innen ganz unterschiedliche Persönlichkeiten haben. Jede*r muss den eigenen Weg finden, zu kommunizieren.