Foto: Jakob Owens

Jahresrückblick 2021 – Impfkommunikation, Positionspapiere, Science of Science Communication

In diesem Jahr ist viel in der Wissenschaftskommunikation passiert. Julia Wandt und Markus Weißkopf blicken auf ihre Highlights und aktuelle Themen zurück und wagen einen Ausblick in das kommende Jahr.

Das Gespräch fand im Rahmen eines Twitter-Space am 10. Dezember 2021 statt. Zuhörer*innen konnten sich aktiv einbringen, Fragen stellen und mitdiskutieren. Der Beitrag ist eine gekürzte Zusammenfassung.

Frau Wandt, was waren Ihre persönlichen Highlights im Wisskomm-Jahr 2021?

Julia Wandt: Da gab es viele. Ein Highlight waren die beidenVeranstaltungen rund um die #FactoryWisskomm. Es gab die Präsentation der Zwischenergebnisse im Juni – und ich betone das „zwischen“ hier auch bewusst, denn im September fand ein weiteres Treffen statt, bei dem wir überlegt haben, wie eine Fortsetzung des Prozesses aussehen könnte.

Julia Wandt ist Mitglied der Universitätsleitung der Universität Freiburg. Dort verantwortet sie den Geschäftsbereich Wissenschaftskommunikation und Strategie. Sie ist Vorsitzende des Bundesverbands Hochschulkommunikation. Foto: Universität Konstanz

Mir ist in diesem Jahr positiv aufgefallen, dass das Thema „Reputation und Anerkennung“ in der Wissenschaftskommunikation an Relevanz gewinnt. Ein weiteres wichtiges und aktuelles Thema ist die Reaktion aus der Wissenschaft, insbesondere der Allianz der Wissenschaftsorganisationen, auf die BILD-Berichterstattung „Die Lockdown-Macher“.
Und dann gibt es noch zwei persönliche Highlights: Dazu zählt mein Wechsel an die Universität Freiburg, einer Institution, die Wissenschaftskommunikation sehr wertschätzt. Und zuletzt habe ich mich natürlich über meine Wiederwahl in den Vorstand des Bundesverbands Hochschulkommunikation gefreut, in dem ich als Vorsitzende mit bisherigen und neuen Kolleg*innen weiterarbeiten darf.

In Ihrer neuen Position an der Universität Freiburg ist Wissenschaftskommunikation auf Chef*innenebene verankert. Ist diese Rolle eine Blaupause für die Zukunft?

Wandt: Das Besondere an meiner Position ist die Verbindung zwischen Wissenschaftskommunikation und Strategie auf Universitätsleitungsebene. Es gibt mittlerweile schon Nachahmer*innen. Die Universität Dresden und die Technische Universität Darmstadt sind bereits diesem oder einem ähnlichen Modell gefolgt. An den Universitäten und Hochschulen gibt es dazu zwei Haltungen: Die eine Gruppe ist total begeistert. Sie möchte das Konzept ebenfalls umsetzen und fragt nach den ersten Erfahrungen. In anderen Einrichtungen müsste das Verständnis für die Bedeutung von Wissenschaftskommunikation noch stärker verankert werden.

Man sieht ein steigendes Bewusstsein an deutschen Hochschulen dafür, dass Wissenschaftskommunikation neben Forschung, Studium und Lehre, Internationalisierung, Nachhaltigkeit und weiteren Themen in der universitären Leitungsebene verankert sein sollte. Meine Rolle kann eine Blaupause dafür sein. Aber jede Hochschule muss ihre eigene Form der Organisation und damit auch Schwerpunktsetzung finden. Man zeigt dadurch auf jeden Fall nach außen, aber auch in die Universität hinein, welche Themen wichtig für die Institution sind.

Herr Weißkopf, was waren Ihre persönlichen Highlights in der Wissenschaftskommunikation in diesem Jahr?

Markus Weißkopf ist Geschäftsführer von Wissenschaft im Dialog*. Foto: WiD

Markus Weißkopf: Julia hat da gerade schon einige der wichtigsten Ereignisse in diesem Jahr benannt. Persönlich habe ich mich gefreut, dass nicht mehr alles digital stattfand. Gerade den internationalen Austausch wieder analog zu erleben, war für mich ein Highlight. Daneben waren Forschung zu Wissenschaftskommunikation und auch der Transfer von Forschung in die Wissenschaftskommunikations-Praxis wichtige Themen. Dass wir klar sagen, wir müssen evidenzbasierte Wissenschaftskommunikation betreiben, ist mir wichtig.

Mittlerweile gibt es wahnsinnig viel Forschung zur Wissenschaftskommunikation. Es wurden vier neue, von der VolkswagenStiftung geförderte Zentren für Wissenschaftskommunikationsforschung gegründet. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat angekündigt, dass es eine neue Förderrichtlinie geben wird. Das alles gibt dem Thema neuen Schwung. Die Erkenntnisse der Forschung müssen wir weiter sammeln, strukturieren und für die Praxis nutzbar machen. Wir sehen einen großen Bedarf auf beiden Seiten. An unserer diesjährigen Future of Science Communication Conference nahmen über 1000 Personen vorwiegend aus Europa teil und wollten genau über dieses Thema sprechen.

Wie gut gelingt aktuell der Wissenstransfer zwischen Praxis und Forschung? Und was müsste sich ändern, um ihn in Zukunft zu verbessern?

Wandt: Was noch besser funktionieren könnte, ist, dass die Erkenntnisse aus der Forschung auch wirklich in der Praxis ankommen und umgesetzt werden. Ich stimme Markus zu, dass das Thema an Bedeutung gewonnen hat. Es gibt ein besseres Verständnis dafür, wie wichtig Forschung über Wissenschaftskommunikation ist. In der Praxis wird das auch gesehen, es fehlt aber noch der letzte Schritt: Das Anwenden dieser auf das Tagesgeschäft – also was diese Forschung für die Wissenschaftskommunikation-Praxis bedeutet.

„Mir ist in diesem Jahr positiv aufgefallen, dass das Thema „Reputation und Anerkennung“ in der Wissenschaftskommunikation an Relevanz gewinnt.“ Julia Wandt
Weißkopf: Wir müssen an der Wissenschaftskommunikation der Wissenschaftskommunikationsforschung arbeiten. Viele Praktiker*innen wünschen sich Handreichungen im Sinne von, „wenn du das so machst, wird es folgende Wirkung haben“. Die Wirkungen sind aber abhängig von vielen Kontextfaktoren. Deswegen können die Forscher*innen eben diesem Wunsch nach klaren Empfehlungen oft nicht nachkommen. Nichtsdestotrotz gibt es noch Verbesserungspotenzial, was die zielgruppengerechte Aufarbeitung der Forschungsergebnisse angeht.

Wir müssen auch mehr ins Gespräch kommen: Zum einen müssen sich die Forscher*innen untereinander aus den verschiedenen Fachgebieten wie der Kommunikationswissenschaft, Soziologie oder Psychologie stärker austauschen und vernetzen. Zum anderen muss die Forschung und die Praxis stärker in den Austausch miteinander treten, um mehr Verständnis für die Perspektiven der anderen zu bekommen.

Sie haben beide bereits über die Zukunft der Wissenschaftskommunikation gesprochen. In diesem Jahr gab es dazu diverse Positionspapiere und Handlungsempfehlungen, darunter vom Wissenschaftsrat, der #FactoryWisskomm und der Allianz der Wissenschaftsorganisationen. Wie bewerten Sie diese und was bleibt davon für die Zukunft?

Wandt: Ich frage mich manchmal: Reicht es nicht so langsam mit den Papieren?. Meistens beantworte ich mir die Frage mit „ja“. Aber ich fand es wichtig, dass sich insbesondere eine Einrichtung mit Gewicht wie der Wissenschaftsrat noch einmal der Wissenschaftskommunikation angenommen hat. Das war so etwas wie ein Ritterschlag für das Thema. Auch die Handlungsempfehlungen der #FactoryWisskomm haben für mich noch einmal eine besondere Qualität. Das sind tatsächlich Handlungsempfehlungen geworden. Ich höre auch oft, dass man sie zu Rate zieht. Grundsätzlich ist bei allen Papieren die Herausforderung, dass man sie in die Anwendung bringen muss. Das gelingt bei manchen besser als bei anderen. Wir müssen uns jetzt auf die Umsetzung der Papiere konzentrieren.

Weißkopf: Dem würde ich mich anschließen. Im Positionspapier des Wissenschaftsrats kamen eben auch neue Perspektiven und Forderungen hinzu. Es thematisiert beispielsweise auch, dass Wissenschaftler*innen, die sich im öffentlichen Raum bewegen, die Beziehungen zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit, Medien und Politik reflektieren sollten. Es gibt darin auch sehr viele Denkanstöße, die die Diskussionen um das Verhältnis von Wissenschaft und Politik aufgreifen.

Und: Papiere haben nicht nur eine Wirkung nach außen. Sie wirken auch zurück nach innen auf diejenigen, die sie schreiben und die dafür befragt werden. Sehr viele Personen innerhalb des Wissenschaftssystems, die daran mitgeschrieben haben, mussten sich noch einmal Gedanken um das Thema Wissenschaftskommunikation machen und in die Diskurse einsteigen. Die Papiere des Siggener Kreises wurden darin reflektiert. Die Leitlinien für gute Wissenschafts-PR sind aufgenommen worden. Wie Julia schon sagte: Jetzt geht es an die Umsetzung. Dabei stellen sich die Fragen, wer welche Aufgabe, welche Rolle hat und wo es die benötigten Ressourcen gibt.

Sie haben schon das Verhältnis von Wissenschaft, Öffentlichkeit, Medien und Politik angesprochen. Ich möchte zu einem Punkt zurückkommen, den Frau Wandt bereits erwähnt hat. Nämlich die gemeinsame Stellungnahme der Wissenschaftsorganisationen, in der sie die BILD-Berichterstattung über Wissenschaftler*innen in der Coronapandemie kritisieren. Wie schätzen Sie die Signalwirkung dieser Stellungnahme ein?

Weißkopf: Ich glaube, die Stellungnahme hatte eine große Signalwirkung, vor allem weil sie sehr schnell kam. Es war nicht nur die Allianz der Wissenschaftsorganisationen, sondern es gab auch andere Institutionen, die die Berichterstattung kritisiert haben. Sie haben deutlich gemacht, dass da eindeutig eine rote Linie überschritten wurde. Der Vorfall reiht sich in eine Reihe von Vorfällen ein – wie der Auseinandersetzung von Christian Drosten mit der BILD-Zeitung in diesem Jahr.

„Das ist eine riesige Kommunikationsaufgabe, die Rolle der Wissenschaft in dieser sich verändernden Beziehung zu vermitteln.“ Markus Weißkopf
Wir sehen, dass sich das Verhältnis von Wissenschaft und Politik verändert hat. Wissenschaft wird in einem Raum verhandelt, in dem sie früher kaum vorkam. Die Wissenschaft wird als ein Akteur gesehen, der sich vermehrt politisch äußert und deswegen auch seitens einiger Medien anders behandelt wird. Diese Rollenänderung muss uns bewusst sein. Wir müssen darüber diskutieren, was das bedeutet und ob das die Rolle ist, die Wissenschaft einnehmen will. Wir müssen auch im Zweifel mit Journalist*innen ins Gespräch kommen, welche Regeln dabei zu gelten haben.

Wandt: Genau dieses Rollenverständnis zwischen Wissenschaft, Politik und Kommunikation finde ich wichtig. Ich habe dazu bereits im Mai 2021 einen Beitrag geschrieben. Damals war gerade die Heinsberg-Studie ein Thema. Wir müssen die unterschiedlichen Rollen einfach viel klarer machen. Natürlich wissen wir alle, dass die BILD bewusst provoziert. Trotzdem muss man klar sagen: Die Wissenschaft berät. Die Wissenschaft muss aus meiner Sicht Grundlage sein für politische Entscheidungen. Sie darf dabei aber nicht zwischen die Fronten geraten. Die politischen Entscheidungen werden nicht von Wissenschaftler*innen getroffen. Dass in der BILD-Berichterstattung drei Wissenschaftler*innen zu Unrecht persönlich angeklagt werden, ist diffamierend. Neben der Schnelligkeit der Stellungnahme hat mir auch gefallen, dass sie eine massive Unterstützungs- und Solidaritätswelle nach sich gezogen hat.

Weißkopf: Ich beobachte auch eine Entwicklung in der politischen Kommunikation. In der letzten Stellungnahme der Leopoldina gab es am Schluss einen Absatz namens „Wertfragen“. Darin wurde auch darüber reflektiert, auf welchen, teils normativen Annahmen die Empfehlungen beruhen. Da gibt es eine Bewusstseinsänderung in der Wissenschaft. Das ist eine riesige Kommunikationsaufgabe, die Rolle der Wissenschaft in dieser sich verändernden Beziehung zu vermitteln.

Die Transparenz der wissenschaftsbasierten Politikberatung war auch ein Aspekt im diesjährigen Wissenschaftsbarometer. Für einen Teil der Befragten ist nicht nachvollziehbar, wie Wissenschaftler*innen ausgewählt werden und wie ihre Erkenntnisse in die Politik einfließen. Wo sehen Sie dabei die Rolle der Wissenschaftskommunikation, diesen Prozess klarer und transparenter zu machen und das Rollenverständnis besser zu erklären?

„Was noch besser funktionieren könnte, ist, dass die Erkenntnisse aus der Forschung auch wirklich in der Praxis ankommen und umgesetzt werden.“ Julia Wandt
Wandt: Es ist nicht so, dass man das nicht bereits versucht hätte. Daher stellt sich jetzt die Frage, was man vielleicht ändern müsste. Aufgabe der Wissenschaftskommunikation ist es, erst einmal zu erklären, wie Wissenschaft funktioniert, was ihre Methoden und Prozesse sind. Bei der Impfkommunikation sieht man das gerade: Eigentlich denkt man, das ist doch alles klar. Es gibt die Zahlen und Studiendaten, mit denen jede*r verstehen müsste, warum man sich impfen lassen sollte. Trotzdem möchte sich ein Teil der Bevölkerung nicht impfen lassen. Da spielt ganz stark eine Emotionalität rein. Es ist wichtig, diese emotionale Betroffenheit auch einzubeziehen.

Markus Weißkopf: Das Verhältnis von Wissenschaft und Politik hat sich in den letzten zwei Jahren so schnell gewandelt, dass ich die Zahlen, die im Wissenschaftsbarometer rauskamen, gar nicht so schlecht finde. Im Gegenteil, ich bin eher überrascht davon gewesen, wie viele sagen, dass sie die Auswahl der Wissenschaftler*innen in der Politikberatung nachvollziehen können.

Aus dem Publikum des Twitter-Space meldet sich Henning Krause, Social Media Manager der Helmholtz-Gemeinschaft, zu Wort.

Henning Krause: Ich nehme einmal die Gegenposition zu Julia und Markus ein, die hier viele positive Nachrichten in den Raum gestellt haben. Die sehe ich auch. Ich stelle mir nur hier die Frage, ob es ein zu positives Resümee des Wisskomm-Jahres 2021 ist. Wenn wir als Gesellschaft es nicht erreicht haben, eine Impfquote zu bekommen, die uns alle schützt – auch die, die nicht oder noch nicht geimpft werden können  – ist das dann positiv? Wir haben es nicht geschafft, im Klimawandeldiskurs einen Konsens herzustellen, dass man schnell handeln muss. Die Tatsache, dass es jetzt die Stellungnahme der Allianz gibt, ist gut. Aber trotzdem passiert es immer wieder, dass Wissenschaftler*innen verleumdet werden. Können wir das als Erfolg verbuchen, wenn wir schnell reagieren? Oder ist es nicht negativ, dass es überhaupt so weit kommt?

Julia Wandt: Du hast Recht. Die Frage ist, was Wissenschaftskommunikation dazu beitragen kann, diese Probleme zu lösen. Gerade bei der Debatte um die BILD-Berichterstattung greifen noch ganz andere Mechanismen. Da muss auch von anderer Stelle ein Zeichen gesetzt werden. Dann sind wir ganz schnell beim Punkt Pressefreiheit, das sicherlich als Argument von der BILD-Zeitung angeführt wird. Wobei natürlich Falschbehauptungen nicht unter die Pressefreiheit fallen.

Henning Krause: Aber gerade beim Punkt Impfen sehe ich es auch als ein Versagen der Wissenschaftskommunikations-Community, dass wir es nicht geschafft haben, eine höhere Impfquote zu erreichen.

Aus dem Publikum des Twitter-Space meldet sich Martin Grund zu Wort.

Martin Grund: Ich möchte an dieser Stelle eine Lanze für die Wissenschaftskommunikation brechen. Natürlich ist es eine berechtigte Frage, ob die Wissenschaftskommunikation beim Thema Impfen versagt hat. Ich würde sagen, nein. Denn am Ende fehlt es ihr auch an Ressourcen. Es haben sich sehr viele Wissenschaftler*innen engagiert. Wir müssen als Gesellschaft verhandeln, wo wir hinwollen und uns dann fragen: Haben wir das Ziel erreicht?

Markus Weißkopf: Ich stimme zu Teilen mit Henning überein. Ich würde es nicht als ein Versagen der Wissenschaftskommunikation bezeichnen, aber es ist zumindest nicht gut gelaufen. Ich habe mir einmal die Stellungnahme von Cornelia Betsch zur Einführung der Masern-Impfpflicht aus dem Jahr 2019 durchgelesen. Diese könnte man heute eins zu eins als Empfehlung an Politiker*innen geben. Sie benennt darin, wie man gewisse Communities zum Thema Impfen erreichen kann und wie man mit den Zielgruppen kommunizieren muss.

„Welche Kommunikation, wenn nicht die Wissenschaftskommunikation sollte evidenzbasiert arbeiten?“ Markus Weißkopf
Das alles war also zum Start der Impfkampagne verfügbares Wissen. Das haben Expert*innen auch von Anfang an deutlich gemacht. Vielleicht war man da ein bisschen geblendet vom „Run“ auf die ersten Impfdosen und hat nicht gesehen, dass man da in ein Problem reinläuft. Die COSMO-Studie der Universität Erfurt und auch das Wissenschaftsbarometer haben gezeigt, dass etwa 25 Prozent der Bevölkerung sich nicht impfen lassen wollen oder zumindest zweifeln. Hier hat man eben die Evidenz beiseite geschoben, anstatt eben auf diese Forschungsergebnisse oder das Wissen und die Erfahrungen der Public Health-Forscher*innen und -Praktiker*innen zurückzugreifen. Dass man das machen kann und das dann auch etwas bewirkt, zeigt das Bundesland Bremen, in dem im Vergleich zu anderen Bundesländern verstärkt auf verschiedene Zielgruppen zugegangen und kommuniziert wurde. Aber generell machen wir jetzt wieder den gleichen Fehler und kleistern alles mit „Impft euch“ zu, ohne eine abgestimmte und differenzierte Strategie zu verfolgen.

Aus dem Publikum des Twitter-Space meldet sich Mario Hüttenhofer zu Wort.

Mario Hüttenhofer: Ich bin bei „Klima vor Acht“ aktiv. Wir beschäftigen uns damit, wie wir noch mehr Klimafakten ins öffentlich-rechtliche Fernsehen bekommen. Ich frage mich, wie Wissen aus der Wissenschaft an die Menschen kommt. Ist Klimakommunikation die Aufgabe einzelner Akteur*innen wie den Wissenschaftler*innen oder müssen wir das Zusammenspiel von Wissenschaft, NGOs, Politik und Gesellschaft verbessern, um wirksam Wissen zu vermitteln?

Julia Wandt: Genau dieses Bewusstsein müssen wir noch stärken. Als Wunsch für das nächste Jahr habe ich mir genau diesen gemeinsamen Ansatz für die Wissenschaftskommunikation notiert. Kooperationen zu stärken, ist etwas, was uns noch fehlt.

Weißkopf: Das Feld der Wissenschaftskommunikation ist noch relativ jung und stark im Wandel begriffen. Natürlich gibt es nach innen Vernetzung. Aber Kooperationen mit NGOs oder gesellschaftlichen Akteur*innen sind noch ausbaufähig. Dabei geht es auch um die Fragen, wer welche Rolle hat und wie wir gut kooperieren können. Es gibt den Wunsch vieler Akteur*innen zusammenzuarbeiten. Häufig hakt es an fehlender Zeit und mangelnden Ressourcen.

Was sind Ihre Lehren aus dem diesjährigen Wisskomm-Jahr und Ihre Wünsche für das kommende Jahr?

Julia Wandt: Innerhalb weniger Jahren hat sich die Wissenschaftskommunikation auf verschiedenen Ebenen und in vielen Facetten weiterentwickelt. Die Anfragen zum Thema und Beratungseinladungen häufen sich enorm. Wenn man einen Schritt zurücktritt und zurückschaut, muss man sich das einmal bewusst machen. Es gilt jetzt diesen Schwung zu nutzen und weiterzumachen.

Jetzt geht es darum, auch gemeinsame Ansätze zu schaffen. Eine Kritik an den vergangenen Jahren ist auch, dass die Wissenschaftskommunikation sich in ihren einzelnen Positionen eingerichtet hat, beispielsweise dass die des Wissenschaftsjournalismus eine sei, die der institutionellen Wissenschaftskommunikation eine andere. In der Pandemie merken wir jetzt, was die übergeordneten Themen sind, die alle Facetten von Wissenschaftskommunikation gleichsam betreffen.

Weißkopf: Dem kann ich mich anschließen. Ich wünsche mir, dass wir die Evidenzen, die es in unserem Bereich gibt, besser nutzen und dann auch übergreifend agieren. Welche Kommunikation, wenn nicht die Wissenschaftskommunikation sollte evidenzbasiert arbeiten?

Für 2022 würde ich mir wünschen, dass Wissenschaftskommunikation auf der Agenda der Politik, der Wissenschaftsorganisationen und der Wissenschaft selbst bleibt. Meine oder unsere Rolle verstehe ich auch darin, dass wir „Bühnen“ bauen und einen Rahmen geben für die Wissenschaftler*innen, damit sie kommunizieren können. Dass sie authentisch Wissenschaft rüberbringen können. Die Wissenschaftler*innen brauchen dazu Ressourcen, Zeit und Wertschätzung und Anerkennung. Daran müssen wir dranbleiben.

*Wissenschaft im Dialog ist einer der drei Träger des Portals Wissenschaftskommunikation.de.