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„Wir müssen und wollen die strategische Kommunikation über unser Handeln immer mitdenken“

Die Technische Universität Darmstadt hat einen neuen Chief Communications Officer. Seit Juli ist Patrick Honecker im Amt, das direkt im Präsidium angesiedelt ist. Zeit für ein Tandemgespräch mit ihm und der Präsidentin der TU, Tanja Brühl, über die Umstellung, die Zusammenarbeit und die Ziele für die Zukunft. 

Frau Brühl, wie ist es zu der neuen Position im Präsidium gekommen?

Brühl: Strategische Wissenschaftskommunikation ist enorm wichtig. Und sie hat sich stark verändert. Während in den Anfängen Presseabteilungen kurze Texte nach außen gegeben haben, ist heute Kommunikation im Dialog, ist wechselseitiger Austausch gefordert. Neben den klassischen Medien, spielen natürlich auch diverse andere Kommunikationskanäle, von Social Media bis zu partizipativen Bürger*innen-Formaten eine Rolle. Wissenschaftskommunikation trägt zur strategischen Verortung von Universitäten in dem Gefüge von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei. 

Tanja Brühl ist seit 2019 Präsidentin der TU Darmstadt. Die Professorin ist Sprecherin der europäischen Universität UNITE! und Sprecherin der Konferenz Hessischer Universitätspräsidien.
Foto: Katrin Binner

Daher habe ich an der TU Darmstadt die neue Position des CCO geschaffen. Konkret geht es mir darum: Wir forschen zu gesellschaftlich höchst relevanten Themen, haben innovative Lehrformate und u.a. eine lebendige Ausgründungsszene. Darüber möchte ich in den Dialog treten. Und dazu braucht es als Grundlage eine neue Marken- und Kommunikationsstrategie. Wir müssen und wollen die strategische Kommunikation über unser Handeln immer mitdenken. Aufgrund der strategische Bedeutung ist die Wissenschaftskommunikation im Präsidium verankert.

Mit Herrn Honecker haben Sie die Stelle auch personell neu besetzt. Wie ist die Wahl auf ihn gefallen?

Brühl: Wir waren zu dem Thema im Gespräch und mir ist schnell klar geworden: Das passt auf inhaltlicher, kommunikativer und persönlicher Ebene sehr gut. Ich arbeite sehr gerne mit intellektuellen Sparringspartnern zusammen, entwickle gerne Neues und setze dabei auf Erfahrung. 

Patrick Honecker ist als Chief Communication Officer Mitglied des Präsidiums der TU Darmstadt. Der gelernte Journalist und Wissenschaftsmanager hat vor seiner Tätigkeit in Darmstadt das Dezernat für Kommunikation und Marketing der Universität zu Köln aufgebaut und viele Jahre geleitet. Er hat bereits zahlreiche Hochschulen und außeruniversitäre Einrichtungen bei der Etablierung von strategischen Kommunikationsstrukturen begleitet. Foto: Axel Schulten

Honecker: Dieses Art des Sparrings war für mich entscheidend. Ich glaube, der direkte Austausch mit den anderen strategischen Akteur*innen im Rektorat oder Präsdium fehlt vielen Hochschulkommunikator*innen. Diesen Austausch zu realisieren und möglichst eng zu gestalten, ist aus meiner Sicht der Grund, weshalb Positionen wie diese in Darmstadt oder auch die neue geschaffenen Positionen in Dresden oder Freiburg ein guter Weg sind. 

Herr Honecker, Sie waren jahrelang an der Universität Köln tätig. Wie schafft man es, plötzlich eine Strategie für eine andere Universität zu entwickeln?

Honecker: Das Thema ist ja das Gleiche. Es geht um Wissenschaftskommunikation und wie wir verstärkt auf das große und relevante Thema Wissenschaft einzahlen. Es ist wichtig dieses Thema insgesamt zu stärken und dabei geht es eben nicht nur um Marketing und PR-Arbeit für eine Hochschule. 

Was sind denn die Ziele der neuen Strategie?

Honecker: Erstmal schauen wir uns den Ist-Zustand an und identifizieren, welche Bereiche aus Forschung und Lehre besonders anschlussfähig an die Gesellschaft sind. Für die kommunikativen Schnittstellen werden wir in einem partizipativen Prozess bewerten, welche Kanäle man wie besser nutzen kann um unsere Anspruchsgruppen zu erreichen. Frau Brühl betont immer wieder das Thema deliberative Kommunikation, was sicherlich an ihrem Hintergrund als Politikwissenschaftlerin liegt, und ich stimme ihr zu, dass es Zeit für eine beratende, sich austauschende und kontextualisierende Wissenschaftskommunikation ist.

„Ich sehe es darüber hinaus auch als unsere gesellschaftliche Verantwortung an über das, was wir erforschen, auch zu kommunizieren.“ Tanja Brühl
Brühl: Das besondere an der TU Darmstadt ist, dass wir sehr interdisziplinär arbeiten. In der Energieforschung genauso wie in der Künstlichen Intelligenz. Wir bieten an vielen Stellen Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen an. Zukünftig wollen wir diese Themen stärker in die Gesellschaft, Politik und Wirtschaft tragen. Ich sehe es darüber hinaus auch als unsere gesellschaftliche Verantwortung an über das, was wir erforschen, auch zu kommunizieren. 

Honecker: Außerdem sehen wir gerade, dass wir erschreckenderweise mit evidenzbasierter Kommunikation bestimmte Gruppen einfach nicht erreicht haben. Deshalb haben wir uns gefragt, woran das liegen kann und wie wir das auflösen können. Daher ist ganz wichtig, gemeinsam mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen Fragen zu formulieren, die es zu lösen gilt. 

Die eben formulierten Ziele sind nicht unbedingt Reputationskommunikationsziele, die aber häufig noch im Vordergrund von Hochschulkommunikation stehen. Zeigt eine Stelle wie die, die sie jetzt installiert haben, dass beides zusammengeht oder schafft man damit die Reputationskommunikation ab?

„Ich glaube, die Reputationskommunikation ist ein Beiprodukt von Wissenschaftskommunikation, aber nicht die Zielsetzung.“ Tanja Brühl
Brühl: Ich glaube, die Reputationskommunikation ist ein Beiprodukt von Wissenschaftskommunikation, aber nicht die Zielsetzung. Das Ziel ist es, Wissenschaft im Sinne von „Was wir warum und wie tun“ nach außen zu bringen. 

Honecker: Wir sind an einem Punkt, an dem wir sehr gut darin sind, Ergebnisse zu kommunizieren. Wir müssen aber besser darin werden, die Prozesse und Methoden von Wissenschaft zu erklären und zu kommunizieren. Reputation entsteht, wenn man dies gut macht, automatisch. 

Damit eine neue Position funktioniert, braucht es gute Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Akteur*innen. Wie gestaltet man eine solche Zusammenarbeit?

Brühl: Das wichtigste ist auch hier die klare und transparente Kommunikation! In Gremiensitzungen und informellen Gesprächen habe ich für die neue Position geworben. Das ging sehr einfach. Nun geht es darum mit den Kommunikations-Kolleg*innen in der Zentrale und den Fachbereichen zu klären: Wer hat welche Ziele? In welchem Zeitrahmen können wir was schaffen? Dabei dürfen gerne auch mal unfertige Gedanken im Raum stehen. Je unterschiedlicher die Sichtweisen am Anfang sind und je stärker sich die Wahrnehmungen darstellen, desto besser wird die Erarbeitung des neuen Gesamtbildes. 

„Ich selbst sehe mich auch in einer Rolle des Coaches, Beraters und Begleiters von kommunikativen Prozessen und natürlich auch von Personen.“ Patrick Honecker
Honecker: Dafür ist es besonders wichtig, sich auch über die unterschiedlichen Rollen, die man in einer Einrichtung hat, im Klaren zu sein. Ein Bewusstsein für die jeweilige Rolle hilft oft dabei, den anderen zu verstehen und macht den Austausch produktiver. Ich selbst sehe mich auch in einer Rolle des Coaches, Beraters und Begleiters von kommunikativen Prozessen und natürlich auch von Personen. Gleichzeitig weiß ich aber darum, dass es natürlich auch Grenzen gibt und nicht alle Menschen Kommunikator*innen sein wollen und können. 

Die TU ist ja nicht die einzige Hochschule, die eine derartige Umstrukturierung macht. Inwiefern glauben Sie, Herr Honecker, wird sich diese Art, die Kommunikation enger an die Strategie zu koppeln, durchsetzen?

Honecker: Ich glaube, das hängt davon ab, wie modern die jeweilige Leitung des Hauses ist. Ich habe mit Frau Brühl jemanden getroffen, deren Ansätze und Ideen ich ausgesprochen interessant finde und die ich so auch noch nicht oft gehört habe. Insofern wird viel davon abhängen, welche Präsident*innen und Führungskräfte an den Universitäten zukünftig tätig sind. Gleichzeitig ist der Druck von außen sehr hoch. Man kann nicht mehr hingehen, die Türen zu machen und schöne Pressemitteilungen versenden, um es mal überspitzt zu sagen. Deshalb glaube ich, dass unser Weg zukunftsweisend ist. 

Was ist denn bisher konkret passiert?

„Es geht darum, in einem partizipativen Prozess zu erarbeiten, wofür die TU Darmstadt als Ganzes steht und was sie zu bestimmten gesellschaftlichen relevanten Issues anbieten kann.“ Patrick Honecker
Honecker: Wir haben am Anfang erstmal gesagt: „Wo wollen wir eigentlich hin? Wir wissen es noch nicht.“ (lacht) Aber Spaß beiseite. Es geht darum, in einem partizipativen Prozess zu erarbeiten, wofür die TU Darmstadt als Ganzes steht und was sie zu bestimmten gesellschaftlichen relevanten Issues anbieten kann. Und dann gibt es natürlich auch noch die Einbettung in regionale und internationale Kontexte und auch hier muss über die Positionierung nachgedacht werden.

Brühl: Die TU Darmstadt ist Teil der Rhein-Main-Universitäten (RMU). Wir sind also mit den Universitäten Frankfurt und Mainz schon eng vernetzt. Diese Synergien wollen wir weiter vertiefen. Student*innen könnten schon jetzt zwischen den Universitäten wechseln und es gibt viele gemeinsame Kooperationen in der Forschung. Darum wollen wir auch als RMU eine gemeinsame Kommunikationslinie entwickeln. Dazu kommt die europäische Ebene: Gemeinsam mit sechs anderen europäischen technischen Universitäten hat die TU Darmstadt die Allianz UNITE! gegründet. Wir arbeiten in Lehre, Forschung und Entrepreneurship zusammen. Unsere Aktivitäten als europäische Universität wollen wir auch kommunizieren. 

Vertrauen spielt für die Zusammenarbeit zwischen Präsidium und Kommunikation natürlich eine große Rolle, wie baut man ein solches Vertrauen auf?

„Es gibt sowas wie ein Grundvertrauen, das man besitzen kann. Weiterhin ein Vertrauensverhältnis, dass ich im Laufe der gemeinsamen Arbeit vertieft.“ Tanja Brühl
Brühl: Für mich kommen da zwei Komponenten zusammen. Es gibt sowas wie ein Grundvertrauen, das man besitzen kann. Weiterhin ein Vertrauensverhältnis, dass ich im Laufe der gemeinsamen Arbeit vertieft. Beides ist bei uns gegeben. 

Honecker: Manchmal ist es auch einfach Glück und Zufall und bei uns stimmt es auf einer persönlichen Ebene. Wir haben einen ähnlichen Humor und eine ähnliche Grundeinstellung zu bestimmten Themen. Sowas ist natürlich wichtig für eine gute Zusammenarbeit und die Ausbildung von Vertrauen.

Was schätzen Sie am jeweils anderen besonders?

Brühl: Ich schätze Herrn Honecker sehr aufgrund seines breiten und extrem fundierten Erfahrungswissen. Er ist DER Fachmann für Wissenschaftskommunikation und hat ein modernes Kommunikationsverständnis. Darüber hinaus hat er eine extrem schnelle Auffassungsgabe, stellt wichtige Fragen und bringt neue Ideen ein. Außerdem können wir über ähnliche Dinge lachen. 

Honecker: Ich finde Frau Brühl umfassend klug, weit über das Wissenschaftsmanagement hinaus und mich beeindruckt ihr großes politisches Gespür. Außerdem ist sie nahbar, Stichwort Augenhöhe, und man kann mit ihr auch lachen. Große Kompetenz, gelebte Augenhöhe und Humor sind für mich eine Trias, die ich sehr schätze. 

Wenn ich Sie in einem Jahr nochmal frage, was hat sich dann in Darmstadt bewegt hinsichtlich der Kommunikation?

Brühl: Wir kommunizieren noch bewusster und noch aktiver mit unseren Partner*innen in und außerhalb der Wissenschaft. 

Honecker: Und wir sind natürlich gespannt, was sich deutschlandweit tut. Insbesondere nach der Bundestagswahl. Ich denke, da wird sich auch für die Wissenschaftskommunikation nochmal einiges bewegen.