Foto: Susanne Vondenbusch-Teetz

Im Profil: Charlotte Wermser

Twitter, Science Slam, Blog: Bereits im Studium und während der Promotion war Charlotte Wermser in der Wissenschaftskommunikation aktiv. Schließlich wechselte sie dann aus der Forschung in die Öffentlichkeitsarbeit. Warum Sie diesen „Sprung“ überhaupt nicht bereut, erzählt sie im Jobprofil.

Karriereleiter, Karrieresprungbrett oder Karrierekarussell – Wie war Ihr Weg in die Wissenschaftskommunikation?

Weniger als ein Jahr nach dem „Sprung“ von der aktiven Forschung in die Öffentlichkeitsarbeit ist es zu früh, das abschließend zu sagen – aber zum jetzigen Zeitpunkt war es am ehesten ein Sprungbrett und ich freue mich darauf, zu sehen, wo ich landen werde!

Ich habe in Würzburg Biomedizin studiert, im Anschluss war die Promotion für mich eine logische Entscheidung, weil mich die Forschung einfach sehr gereizt hat. Währenddessen habe ich angefangen, mir verschiedene Standbeine in Richtung Wissenschaftskommunikation zu bauen, aber noch gar nicht mit dem Gedanken, diese einmal für eine Karriere zu nutzen.

Ich habe angefangen, Twitter zu nutzen, um über aktuelle Literatur auf dem neuesten Stand zu bleiben und mich auf Konferenzen mit anderen Forschenden zu vernetzen. Schnell habe ich gemerkt, dass auf Twitter viele hervorragende Wissenschaftskommunikatorinnen und -kommunikatoren aus verschiedensten Bereichen aktiv sind und ich da noch viel lernen konnte.

Nachdem ich mehrfach als Besucherin bei Science Slams war, hatte ich einen „Das kann ich doch auch“-Moment und habe mich für einen Slam angemeldet. Dann gab es kein Zurück mehr und es hat mir zum Glück großen Spaß gemacht, einen Slam zu entwickeln. Das Konzept hat mich einfach sofort angefixt. Es ist eine super Gelegenheit auszuprobieren, welche Geschichten aus der eigenen Forschung beim Publikum am besten ankommen. Um noch mehr Geschichten, die nicht direkt meine Forschung betreffen, erzählen zu können, habe ich einen kleinen Blog gestartet. So konnte ich gleich ein bisschen Schreiberfahrung jenseits von Publikationen und der Doktorarbeit sammeln.

Durch die Summe dieser Erfahrungen ist in mir dann die Idee entstanden, mich nach der Promotion hauptberuflich der Wissenschaftskommunikation zu widmen. Über eine Trainee-Stelle am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried konnte ich diesen Schritt dann auch tatsächlich machen – ohne meine Vorerfahrungen parallel zur Promotion wäre das wahrscheinlich nicht möglich gewesen.

Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Job und warum lohnt es sich trotzdem jeden Tag?

Persönlich war die Umstellung des Arbeitsalltags vom Labor in die Pressearbeit eine Herausforderung. Ich hatte während der Doktorarbeit das Glück, mir mein Projekt sehr frei einteilen zu können. Jetzt ist mein Arbeitsalltag durch Deadlines, kurzfristige Anfragen etc. etwas fremdbestimmter. Gleichzeitig sind meine Aufgaben sehr abwechslungsreich und kein Tag ist wie der andere. Das macht den Job sehr reizvoll.

Allgemein sind Themen der Grundlagenforschung ja oft hochkomplex und es geht um kleinste Details. Warum die Öffentlichkeit viel Geld für Wissen ausgeben soll, von dem keiner weiß, ob es einmal anwendbar und „nützlich“ sein wird, ist nicht immer leicht zu vermitteln. Daher ist es wichtig, die richtigen Geschichten zu erzählen, Chancen aufzuzeigen und trotzdem nicht das Blaue vom Himmel zu versprechen.

Die Arbeit mit einem Publikum, das von Schülerinnen und Schülern bis in den Fachjournalismus reicht, macht es natürlich auch notwendig, sich immer wieder neu auf sein Gegenüber einzustellen. Dabei lerne ich selbst viel dazu. Am schönsten ist es, wenn meine Gesprächspartnerin oder mein Gesprächspartner eine Frage stellt, über die ich vorher noch nie nachgedacht habe. Da merke ich, dass man ihn oder sie wirklich erreicht und etwas angestoßen hat.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation?

Der Trend zu alternativen Fakten und Pseudowissenschaften ist beunruhigend, daher wünsche ich mir, dass die Wissenschaftskommunikation es schafft, Fakten und fundiertes Wissen wieder als Grundlage von gesellschaftlichen Diskussionen zu etablieren. Dafür müssen wir ein breiteres Publikum erreichen. Zu oft erreicht die Wissenschaftskommunikation nur Leute, die sich sowieso schon für Wissenschaft interessieren oder sogar Menschen, die selbst in diesem Bereich tätig sind – wir predigen also zum Chor.

Daher wünsche ich mir, dass Formate, die die Wissenschaft direkt zu den Menschen bringen und sie erlebbar machen, weiter ausgebaut werden. Ich finde zum Beispiel „Citizen Science“-Projekte sehr spannend, also Projekte, bei denen sich Laiinnen und Laien beteiligen können. Diese Art der Zusammenarbeit bietet einen niederschwelligen Zugang zur Wissenschaft und kann gleichzeitig zeigen, dass es nicht „die Wissenschaft“ gibt, sondern dahinter Menschen aus Fleisch und Blut stehen. Die Geschichten dieser Menschen sollten wir in der Wissenschaftskommunikation noch mehr erzählen. Ich habe einmal für eine Woche den Twitter Account @realsci_DE übernommen. Dort übernimmt jede Woche eine andere Person aus der Wissenschaft den Account und berichtet aus dem eigenen Forschungsalltag. Dieser relativ direkte Kontakt und die Möglichkeit, auch mal Nachfragen zu stellen, kann schon viele Missverständnisse aus dem Weg räumen. Auf die Gesamtbevölkerung gesehen, ist Twitter natürlich eher ein Nischenkanal – leider, denn ich glaube, dass solche Projekte einiges bewegen können.

Bonusfrage: Was hat Sie dazu bewegt, die aktive Forschung aufzugeben?

Während der Promotion fand ich mich lange Zeit im Zwiespalt zwischen der Leidenschaft für Forschung und einer gewissen Desillusion, da langfristig eine Karriere in der Forschung, zum Beispiel als Gruppenleiterin, für mich nicht erstrebenswert schien. Dazu kam, dass mir das Kommunizieren der Forschung mehr Spaß gemacht hat und besser lag als die eigentliche Arbeit im Labor. Mit der Option als Wissenschaftskommunikatorin zu arbeiten, habe ich einen Weg gefunden, der es mir erlaubt, ganz nah an der Forschung zu bleiben und den Schwerpunkt der Arbeit so zu verschieben, wie ich es mir gewünscht habe. Bisher fühlt sich die Entscheidung, die aktive Forschung aufzugeben zum Glück sehr richtig an!


Foto: Susanne Vondenbusch-Teetz

Charlotte Wermser hat in Würzburg Biomedizin studiert und am dortigen Institut für molekulare Infektionsbiologie promoviert. Seit Mai 2018 arbeitet sie am Max-Planck-Institut für Biochemie im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.