Foto: Mostafa Meraji (bearbeitet)

Ein wichtiger Impuls – mit offenen Fragen

Dass das BMBF Wissenschaftskommunikation in seinem neuen Grundsatzpapier in den engeren Fokus rückt, findet der Präsident der Freien Universität Berlin, Günter Ziegler, großartig. Eine spezielle Zuspitzung auf „angewandte“ oder „gesellschaftlich relevante“ Forschung sei jedoch kurzsichtig, erklärt er im Gastbeitrag.

Halten wir erst einmal fest: Es ist großartig, wenn das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sich der Wissenschaftskommunikation widmet und diese nicht nur für wichtig hält, sondern auch fördern will. Auch auf die Einrichtung einer „#FactoryWisskomm“ kann man gespannt sein – einer Denkwerkstatt aus Leitungsebenen der Allianzorganisationen sowie Akteuren aus Politik, Wissenschaftskommunikation und -journalismus. Damit setzt das BMBF nicht nur ein Zeichen, es macht auch deutlich, dass noch etliche Fragen geklärt werden müssen, die sich teilweise auch aus dem Grundsatzpapier zur Wissenschaftskommunikation ergeben.

Richtig ist, dass auch 35 Jahre nach den Anfängen von PUSH („Public Understanding of Sciences and Humanities“) und 190 Jahre nach Humboldts Kosmos-Vorlesungen in Berlin Wissenschaftskommunikation gefördert werden muss. Zugleich gibt es zunehmendes Interesse und Engagement von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, ihre Ergebnisse und ihr Tun zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. Was ihnen jedoch immer noch fehlt, ist das Vertrauen und die Sicherheit, dass ihr Engagement unterstützt und wertgeschätzt wird – auch von den Personen im wissenschaftlichen Umfeld, die über Karrieren mitentscheiden. Wie dies gelingen kann, verlagert das Papier und benennt dies als eine Aufgabe, die erst in der neuen Denkwerkstatt „#FactoryWisskomm“ diskutiert werden soll: „Ziel ist, u.a. mehr Anerkennung jenseits der klassischen Reputationsmechanismen im Wissenschaftssystem für Kommunikationsleistungen zu erreichen.“ Für dieses Ziel ist im Grundsatzpapier leider noch kein Weg aufgezeigt.

„Wissenschaft muss einfach nur interessant sein, und Wissenschaftskommunikation muss immer auch erklären, warum die Forschung interessant ist.“ Günter M. Ziegler
Ein Passus im Grundsatzpapier wirft besonders viele Fragen auf. Es heißt darin, dass Wissenschaftskommunikation als integraler Bestandteil der BMBF-Förderung ausgebaut und eingefordert werden soll. Und dies insbesondere für Forschungsbereiche mit „hoher gesellschaftlicher Relevanz“. Das ist problematisch. Einerseits kann und sollte man natürlich niemanden, auch nicht Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, zur Kommunikation zwingen. Und andererseits: Was heißt „hohe gesellschaftliche Relevanz“? Wissenschaft muss einfach nur interessant sein, und Wissenschaftskommunikation muss immer auch erklären, warum die Forschung interessant ist. Aber was ist von hoher gesellschaftlicher Relevanz? Was in zehn Jahren relevant oder sogar „gesellschaftlich relevant“ sein wird (ist das eine Steigerung von „relevant“?), ist heute völlig unklar.

Hervorgehoben findet sich im BMBF-Papier darüber hinaus der Hinweis auf eine „allgemeinverständliche, dialogorientierte Kommunikation“. Das muss durchdacht und diskutiert werden. Was ist das Ziel von Wissenschaftskommunikation? Was heißt allgemeinverständlich? Geht das überhaupt? Die moderne Wissenschaft ist komplex und hochkompliziert – ist da allgemeinverständliche Kommunikation und Vermittlung das richtige Ziel? Ist das die Antwort auf die Ängste vor den P2C2Es, den „processes too complicated to explain“?

„Ein Idealfall wären Wissenschaftsjahre, die vom BMBF unterstützt und befördert werden, aber aus den Wissenschaften heraus motiviert sind.“ Günter M. Ziegler
Die Wissenschaftsjahre sollen laut dem Papier als zentrale Initiative des BMBF fortgesetzt werden. Sie sind nach dem Jahr 2008 von „was eine Wissenschaftscommunity präsentieren will“ umgestellt worden auf politische „BMBF-Agenda-Themen“. Das war keine gute Idee. Die Wissenschaftsjahre sind in der Tat ein großartiger Rahmen für Wissenschaftskommunikation – aber nicht, wenn das BMBF die Themen so eng steuert und die Agenda setzt. Hier würde ich mir einen neuen Anlauf und neue Ideen wünschen. Ein Idealfall wären Wissenschaftsjahre, die vom BMBF unterstützt und befördert werden, aber aus den Wissenschaften heraus motiviert sind.

Bei all diesen Vorhaben sollte der Fokus auch auf die Generation der Schülerinnen und Schüler sowie junge Studierende  gesetzt werden. Gerade die Hochschulen und Universitäten in Deutschland sind dabei wichtig Akteure in der Wissenschaftskommunikation mit enger Anbindung an diese wichtige Zielgruppe, die sich nicht nur für Wissenschaft und für wissenschaftsbasierte Politik interessiert, sondern bereits aktiv Akzente („Fridays for Future“) in der Gesellschaft setzt.

Einen Punkt möchte ich noch besonders benennen. Das BMBF unterstützt in Zeiten zunehmender digitaler Vernetzung reale Orte als Begegnungsräume. Das ist gut und wertvoll, aber auch hier sollte das BMBF nicht zu kurzsichtig agieren und noch weitere Räume neben Leibniz-Museen, Futurium oder Häusern der Wissenschaft mitdenken. Es gibt so viele großartige und zu wenig genutzte Bühnen für die Wissenschaft. So etwa in Berlin die Urania, das Botanische Museum mitsamt Botanischem Garten, die State Science Gallery, die Planetarien, um nur einige der nicht stark genug genutzten, aber den Bürgerinnen und Bürgern vertrauten Orte der Wissenschaft zu nennen! Für Deutschland würde ich mir wünschen, tausend große und kleine Bühnen für die Wissenschaft sichtbar zu machen. Die gibt es – und sie warten darauf, bespielt zu werden.

 

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.