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„Das kann ich ja. Das ist was für mich!”

Mädchen und junge Frauen für den MINT-Bereich zu begeistern: Das ist das Ziel von Korinna Bade. Daher möchte sie mit ihren Projekten „Make up your MINT“ und „IntoMINT“ gezielt diese Zielgruppen ansprechen. Welche multimedialen Ansätze sie und ihr Team dafür nutzen, berichtet sie im Interview.

Frau Bade, Warum halten Sie es für so wichtig, Mädchen für MINT-Fächer zu begeistern? 

Ich war ja selber ein Mädchen, das sich für MINT-Fächer interessiert hat und ich stelle leider immer wieder fest, dass sich sehr wenige Mädchen für MINT-Studienfächer entscheiden. Man kann Frauen in den Informatik-Studiengängen bei uns an der Hochschule Anhalt an einer Hand abzählen. Daher möchten wir das Interesse für solche Fächer bei Mädchen und jungen Frauen wecken und sie darin bestärken, dass ein solches Studium ein richtiger Weg für sie sein kann. 

Korinna Bade ist Professorin im Fachbereich Informatik und Sprache an der Hochschule Anhalt. Ihr Forschungsinteresse liegt unter anderem auf den Gebieten Maschinelles Lernen, Suchmaschinentechnologie und MINT-Interessenförderung. Zusätzlich ist sie Vorsitzende des Landesvereins Sachsen-Anhalt zur Förderung mathematisch, naturwissenschaftlich und technisch interessierter und talentierter Schülerinnen, Schüler und Studierender (eLeMeNTe e.V.). Foto: Stefan Deutsch

Zu Ihren Ansätzen gehört das Projekt Make up your MINT. Was genau steckt dahinter?

Make up your MINT war das erste Projekt unserer Arbeitsgruppe. Wir haben Ende 2015 damit begonnen, nachdem wir dafür eine Förderung vom Europäischen Sozialfond (ESF) und vom Land Sachsen-Anhalt erhalten hatten. Die Idee war zunächst, Mädchen und junge Frauen multimedial zu erreichen und zwar dort, wo sie sich sowieso rumtreiben – zum Beispiel auf Youtube. Am Anfang haben wir also Videos im Stil von Let’s Play gedreht, in denen Berufsbilder vorgestellt und Frauen in ihrem MINT-Berufsalltag begleitet werden. 

Zusätzlich entwickelten wir Sommerkurse für Mädchen, in denen wir praktische Arbeiten aus den angewandten Biowissenschaften mit dem Aspekt der Medienproduktion kombinierten. Die Teilnehmerinnen sollten hierbei selbst Videos über die Kursinhalte drehen und somit die Möglichkeit haben, beide Welten besser kennenzulernen.

Damit Mädchen merken: „Das kann ich ja. Das ist was für mich!”, haben wir beschlossen, uns auf das Mit- und Selbermachen zu fokussieren. In einem weiteren Projekt haben wir Online-Lernlabore etabliert.

Wie genau kann man sich die Online-Lernlabore vorstellen?

Hier sollen die Teilnehmerinnen selber experimentieren können. Dafür stellen wir videobasierte Anleitungen zur Verfügung, in denen die Experimente zum Nachmachen Schritt für Schritt von der Kursleiterin erklärt werden – ein bisschen so, wie man das von Do-it-yourself-Videos auf Youtube kennt. Diese haben wir in eine digitale Lernumgebung integriert, auf die man nach einer Registrierung zugreifen kann und auf der es zusätzliche Betreuung und weitere Aufgaben gibt. Die Teilnehmerinnen können sich die Lektionen im Zeitraum des Kurses selbst einteilen und somit in ihrer eigenen Geschwindigkeit arbeiten. Als Unterstützung ist die Kursleiterin per E-Mail, Chat oder per Videocall zu erreichen. Wir richten derzeit zusätzliche regelmäßige Sprechstunden ein, zu denen sich die Teilnehmerinnen per Videochat zuschalten und Fragen stellen können.

Wer nimmt an den MINT-Angeboten vor Ort oder als Onlinekurs teil?

Das ist durchaus unterschiedlich. In den Sommerkursen waren vor allem junge Frauen, die vor dem Studium noch mal sicherstellen wollten, dass ein MINT-Fach das Richtige für sie ist. Hier kamen vor allem Teilnehmerinnen, die in der Nähe gewohnt haben und unsere Hochschule im Blick hatten und von denen wir sehr positive Rückmeldungen bekommen haben. Bei den Online-Lernlaboren ist die Reichweite viel größer, da die Teilnehmerinnen aus ganz Deutschland kommen. Oft sind sie noch etwas jünger und einige von ihnen sagen, dass dabeizubleiben und sich selbst zu motivieren neben dem Schulalltag eine kleine Herausforderung für sie darstellt. Hin und wieder bricht eine Teilnehmerin den Kurs auch ab, weil er neben der Schule zu viel Zeit kostet. Aber diejenigen, die bis zum Ende dranbleiben, freuen sich über all das, was sie geschafft haben.

Sie wirken auch an der App IntoMINT” mit. Was hat es damit auf sich?

Die App IntoMINT ist auch in unserer Arbeitsgruppe entstanden und hat im Prinzip das gleiche Ziel, nämlich Mädchen für MINT-Fächer zu begeistern. Auch in der App sind Experimente zum Nachmachen mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung aufbereitet. Hier kann man im Gegensatz zu den Online-Kursen viele kleine und kurzweilige Projekte bearbeiten – einfach nur zum Ausprobieren und cool finden. Für die Nutzung bedarf es auch keiner Registrierung, da das immer eine kleine Hürde darstellt. Inhaltlich ist die App sehr breit aufgestellt. Dadurch kann man sozusagen „aus Versehen“ merken, dass einem ein bestimmtes Thema besonders Spaß macht. Wenn man zum Beispiel erst einmal ein Kosmetik-Projekt macht und dann über ein Informatik-Projekt stolpert, kann man so ungeplant ein Interesse in einem neuen Bereich entwickeln. Merkt beispielsweise eine Schülerin, dass sie sich für Informatikthemen in der App begeistern kann, dann will sie womöglich im Anschluss an einem Lernlabor vor Ort oder online teilzunehmen. Wir versuchen also, die Mädchen über verschiedene Formate langsam zum MINT-Bereich hinzuführen.

„Wir versuchen also, die Mädchen über verschiedene Formate langsam zum MINT-Bereich hinzuführen.” Korinna Bade
 

Wie möchten Sie mit der App explizit Mädchen ansprechen? Auf was haben Sie bei der Entwicklung geachtet?

Wir haben uns überlegt, welche Themen für Mädchen interessant sein könnten und außerdem gefragt: Wie muss man diese Themen aufbereiten? Wie soll man die App designen, damit sie gut ankommt? Auch das Medienverhalten von Mädchen in den sozialen Netzwerken spielt da eine Rolle. Wir haben uns vorhandene Literatur angeschaut und auch persönliche Erfahrung mit in den Entwicklungsprozess einfließen lassen. Bereits in der Konzeptionsphase der App haben wir Workshops mit Schülerinnen durchgeführt, um die ersten Prototypen der App-Anwendung zu testen. So konnten wir direkt fragen, was ihnen wichtig ist und ihr Feedback berücksichtigen. Beispielsweise der Hinweis von Schülerinnen, dass lange Texte nicht gelesen werden würden. Alternativ nutzen wir jetzt Bilderstrecken, bei denen es für jeden Schritt eines Experimentes ein Bild mit kurzen Textbausteinen gibt.

Zur App gab es auch eine Challenge. Was genau war dabei die Herausforderung und gab es auch etwas zu gewinnen?

Die Aufgabe war, die Experimente in der App nachzumachen, alles zu dokumentieren und auszuwerten. Teilnehmerinnen sollten Fotos und Beschreibungstexte erstellen, ihre Beobachtungen erklären und alles in der App hochladen. Für die Challenge mussten sich die Mädchen registrieren und hatten dann etwa ein halbes Jahr Zeit, um so viele Experimente wie möglich zu machen. Unser Projektteam hat alle Einreichungen durchgesehen und mit Punkten bewertet. Dabei wurde auch berücksichtigt, wer sich besonders mit dem Experiment auseinandergesetzt hat und nicht nur, ob es funktioniert hat. Außerdem haben die Teilnehmerinnen ein individuelles schriftliches Feedback bekommen, durch das wir sie bestärken und motivieren wollen. Am Ende wurden 50 Schülerinnen ausgewählt und zu einem virtuellen Abschluss-Event eingeladen. Dort gab es Workshop-Sessions, einen Vortrag der Sciencefluencerin Stina Börchers und die finale Preisverleihung, die auch über Youtube ausgestrahlt wurde. 

Drei Schülerinnen wurden ausgezeichnet und gewannen iPads. Außerdem gab es einen Schulpreis, der mit einer senseBox:edu prämiert wurde und mit der an der Schule weitere Experimente stattfinden können. Diese Preise konnten durch die Unterstützung der Veenker-Stiftung finanziert werden. 

Inwiefern waren die Schulen involviert?

Grundsätzlich war die Challenge ein außerschulisches Angebot, das allerdings über Schulen beworben wurde. Die Lehrkräfte fungierten als Multiplikatoren und motivierten die Schülerinnen mitzumachen. Deswegen gab es diesen Schulpreis für die Schule mit den meisten Teilnehmerinnen und bearbeiteten Projekten.

Welches Feedback haben Sie zur intoMINT-App erhalten? 

Wir haben im Rahmen der Challenge einige Befragungen durchgeführt und hier war das Feedback durchweg positiv. Das war für uns sehr ermutigend! Was besonderen Anklang fand, waren Berufsbilder oder Studiengänge, die wir in der App zu jeweils passenden Projekten vorstellen. In einigen Rückmeldungen hieß es, Informatik sei ja doch gar nicht so öde und dass das richtig Spaß machen könne. Viele Mädchen haben auch angegeben, sie hätten durch die Aktivitäten ein größeres Interesse an einem MINT-Beruf oder -Studium entwickelt. Diese Aussagen aus der Befragung von Teilnehmerinnen im Rahmen der Challenge freuen uns sehr und sind uns ein Ansporn für die Zukunft.