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Zwischen Anspruch und Realität: Was Wissenschaftler*innen wirklich für Wissenschaftskommunikation motiviert

Wissenschaftskommunikation ohne Wissenschaftler*innen kann nicht funktionieren. Aber was motiviert sie eigentlich dazu mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren? Julia Gantenberg geht dieser Frage in ihrem Gastbeitrag nach.

Neue Formate, neue Zielgruppen, neue Methoden – Wissenschaftskommunikation erfindet sich immer wieder neu und geht mit dem Geist der Zeit. Wir verdanken das dem großen Engagement der vielen Wissenschaftskommunikator*innen, die Maßnahmen konzipieren und immer wieder diejenigen überzeugen, ohne die Wissenschaftskommunikation nicht möglich wäre: unsere Wissenschaftler*innen. Denn sie zu erreichen, für die öffentliche Darstellung ihrer Forschung zu sensibilisieren und zu befähigen, ist Bedingung für die Umsetzung von Wissenschaftskommunikation. Viele Wissenschaftler*innen engagieren sich bereits begeistert bei Kinderunis, Science Slams und anderen kreativen Initiativen. Viele aber auch nicht. Woran liegt das?

Trotz der mittlerweile festen Etablierung und Professionalisierung von Wissenschaftskommunikation zeigt eine aktuelle Befragung von Wissenschaftler*innen1, dass vielen von ihnen Zielsetzung und Bedeutung sowie der persönliche Nutzen von Wissenschaftskommunikation nach wie vor unklar sind. Die Forschungsergebnisse zeigen: Um Wissenschaftskommunikation als Bestandteil der Wissenschaft nachhaltig in den Köpfen der Wissenschaftler*innen zu festigen, sollte deutlicher kommuniziert werden, warum 1. von Qualitätskriterien geleitete Wissenschaftskommunikation für wichtig gehalten wird, 2. ein verbesserter Zugang zu benötigten Ressourcen ermöglicht werden und 3. eine angemessene Honorierung von Wissenschaftskommunikation erfolgen sollte.

1. Informationspolitik optimieren

Vielen Wissenschaftler*innen fällt es schwer, den Stellenwert von Wissenschaftskommunikation im Rahmen ihrer Tätigkeit einzuordnen. Die exemplarische Untersuchung von durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichen zeigt, dass seitens der Förderinstitution bislang keine öffentlich zugängliche Positionierung zur Bedeutung und Zielsetzung von Wissenschaftskommunikation existiert. Warum sie Wissenschaftskommunikation für wichtig befindet und in welcher Form, macht sie gegenüber ihren Forschungsprogrammen offenbar nicht ausreichend deutlich.

Eine vorrangige Motivation von Wissenschaftler*innen für Wissenschaftskommunikation ist es, die Forderung der DFG zu erfüllen und in deren Gunst zu steigen. Durch die Koppelung von Drittmittelvergabe an öffentliche Reichweite kann das Betreiben von Wissenschaftskommunikation wieder zur reinen PUSH-Bestrebung2 werden. Wird Wissenschaftskommunikation zum Zweck der Legitimation betrieben, jedoch nicht etwa gegenüber der Gesellschaft, sondern gegenüber dem Drittmittelgeber, geht ihr Bestreben am ursprünglichen Gedanken von Wissenschaftskommunikation vorbei: eine informierte Öffentlichkeit zu befähigen, eigenständige und verantwortungsvolle Entscheidungen über wissenschaftliche Entwicklungen treffen zu können. Sie wird vielmehr zur „symbolischen Politik“.

Darüber hinaus fehlen den Wissenschaftler*innen Qualitätskriterien für Wissenschaftskommunikation und Orientierungshilfen, welche Maßnahmen für welche Ziele und Zielgruppen angemessen sind. Mangelnde Transparenz und Unterstützung seitens der Förderer von Wissenschaftskommunikation haben zur Folge, dass Forschungsprogramme bei der Realisierung von Wissenschaftskommunikation unter ihren Möglichkeiten bleiben und für die Gesellschaft interessante wissenschaftliche Themen unzureichend oder gar nicht öffentlich kommuniziert werden.

Es scheint daher ratsam, die Kommunikation zwischen Förderinstitution und Forschungsprogrammen zu intensivieren sowie verstärkt auch individuelle Hilfestellung bei der Konzeptualisierung von Maßnahmen anzubieten. Best-Practice-Beispiele können dabei der Orientierung dienen.

2. Zugang zu Ressourcen verbessern

Auch wenn die befragten Wissenschaftler*innen sich in individuell unterschiedlichem Maße für Wissenschaftskommunikation engagieren, stimmen sie darin überein, dass ihnen die nötigen Ressourcen fehlen, um Wissenschaftskommunikation zielführend zu betreiben. Dies betrifft vor allem Zeit. Wissenschaftskommunikation ist eine ressourcenintensive Aufgabe, die nur bedingt in die zeitliche Ressourcenkalkulation von Wissenschaftler*innen eingeht. Neben Forschungstätigkeit, Lehrverpflichtungen, Antragstellung und anderen Verwaltungsaufgaben bleibt den Wissenschaftler*innen kaum Kapazität, Wissenschaftskommunikation in adäquatem Maße zeitlich zu berücksichtigen.

Auch aufgrund mangelnder Kompetenzen beteiligen sich manche Wissenschaftler*innen nur zögerlich an Wissenschaftskommunikation. Angebote für Schulungen sind zwar vorhanden, werden aber von den befragten Wissenschaftler*innen kaum wahrgenommen – wiederum aus Zeitgründen, und weil ihnen die Relevanz nicht ausreichend einleuchtet.

Würde die Kompetenz, Forschung öffentlich zu kommunizieren, in Curricula der wissenschaftlichen Ausbildung aufgenommen, würden Wissenschaftler*innen schon früh für Wissenschaftskommunikation ausgebildet und für diese sozialisiert werden. Die offenbar nach wie vor existierende Hemmschwelle derjenigen Wissenschaftler*innen, die sich nicht kompetent genug fühlen, könnte dadurch gesenkt und gleichzeitig Wissenschaftskommunikation als Teil des Berufsbildes gefestigt werden.

3. Wissenschaftskommunikation angemessen honorieren

Möchte man Wissenschaftler*innen nachhaltig dazu bringen, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren, ist eine angemessene Honorierung von Wissenschaftskommunikation notwendig. Die Anreize, die aktuell von der DFG für Wissenschaftskommunikation gegeben werden, entsprechen strukturell denen der Forschungsförderung. Durch ein Antragsverfahren, wie es bei der Vergabe von Forschungsgeldern üblich ist, werden finanzielle Mittel für die Durchführung von öffentlichen Maßnahmen bereitgestellt. Doch wie die Ergebnisse der Befragung zeigen, reicht es offenbar nicht aus, finanzielle Ressourcen bereitzustellen, um Wissenschaftler*innen für Wissenschaftskommunikation zu gewinnen. Sie erkennen keinen ausreichenden persönlichen Nutzen, um dieser ressourcenintensiven Aufgabe entsprechend engagiert nachzukommen. Auch über die Grenzen der DFG hinweg fehlt ein entsprechender Rahmen dafür, Wissenschaftskommunikation als festen Bestandteil der Berufsrolle von Wissenschaftler*innen zu etablieren. Seitens der Wissenschaft müsste dazu das öffentliche Engagement von Wissenschaftler*innen anerkannt werden, z. B. indem es neben den etablierten innerwissenschaftlichen Bewertungsgrundlagen wie der Zahl der fachlichen Veröffentlichungen angemessen als berufliche Qualifikation berücksichtig wird.

Es ist fraglich, wie zielführend es letztlich für die Wissenschaft ist, alle Wissenschaftler*innen zu Wissenschaftskommunikator*innen zu machen. Der Anspruch sollte jedoch sein, es allen, die sich öffentlich engagieren wollen, zu ermöglichen, (Hemm-) Schwellen niedrig zu halten und ihre Aktivität angemessen zu honorieren. Denn Wissenschaftler*innen sind als Akteure für die Wissenschaftskommunikation unverzichtbar.

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.