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Wissenschaftsbarometer im Ländervergleich

Vor kurzem sind die Wissenschaftsbarometer aus der Schweiz und Deutschland erschienen. Ricarda Ziegler, Projektleiterin der deutschen Variante, wirft im Gastbeitrag einen Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

Hinter allen Surveyinteressierten in der Wissenschaftskommunikation liegen spannende drei Wochen. Schließlich haben nicht nur wir, sondern auch auch die Kolleginnen und Kollegen des Schweizer WissensCHaftsbarometers ihre neuen bevölkerungsrepräsentativen Ergebnisse zu Einstellungen gegenüber Wissenschaft und Forschung veröffentlicht.

Auch wenn wir in regem Austausch stehen, hat mich dieses Jahr überrascht, wie ähnlich die beiden Pressemitteilungen klangen. Die Pressemitteilung zum Schweizer WissensCHaftsbarometer wurde unter der Überschrift „Vertrauen in Wissenschaft und Forschung nach wie vor hoch“ veröffentlicht, während es in unserer Meldung hieß: „Erneut zeigt die Bevölkerung in Deutschland großes Vertrauen in Wissenschaft und Forschung“. Beide Meldungen wiesen darauf hin, dass „Klima und Energie“ für die Befragten der wichtigste Forschungsbereich für die Zukunft ist, dicht gefolgt von „Gesundheit und Ernährung“.

Die Daten und Ergebnisse zeichnen also ein sehr ähnliches Bild der öffentlichen Meinung gegenüber Wissenschaft und Forschung. Und das obwohl die beiden Surveys unterschiedliche Hintergründe und Ausrichtungen haben. So handelt es sich beim Schweizer WissensCHaftsbarometer beispielsweise um eine alleinstehende Umfrage, während das Wissenschaftsbarometer in Deutschland Teil einer Mehrthemenumfrage ist. Und so ist das überraschendste, wenn man die beiden Länder miteinander vergleicht, vielleicht die Ähnlichkeit. Das mag zunächst unspektakulär klingen, ist aber doch bemerkenswert. Schließlich weisen die Schweiz und Deutschland, obwohl beides eher wohlhabende westeuropäische Länder sind, etliche politische und gesellschaftliche Unterschiede auf. Auch im Bezug auf das Forschungssystem.

Positives Bild von Wissenschaft und Forschung

Werfen wir also einen Blick darauf, inwiefern sich die Resultate ähneln und was sie für die Wissenschaftskommunikation bedeuten. In beiden Ländern zeigen die neuesten Surveyergebnisse einmal mehr, dass der Blick der Öffentlichkeit auf die Wissenschaft optimistisch ist und die Menschen Forschung generell positiv gegenüber stehen.

In der Schweiz geben 56 Prozent der Befragten an, an Wissenschaft und Forschung interessiert zu sein. Im deutschen Wissenschaftsbarometer 2019 sind es 59 Prozent. In beiden Ländern liegen wissenschaftlichen Themen damit bei den Bürgerinnen und Bürgern vor anderen Themen wie Politik, Wirtschaft und Finanzen, Kultur oder Sport. Etwas höher ist dabei das Interesse in Deutschland, sich aktiv an einem Forschungsprojekt zu beteiligen: 49 Prozent signalisieren hier grundsätzliches Interesse, während es von den Schweizer Befragten 36 Prozent sind. 

Von den Befragten in Deutschland gaben 46 Prozent der Befragten in 2019 (2018: 54 Prozent, 2017: 50 Prozent) an, Wissenschaft und Forschung zu vertrauen. Im Schweizer WissensCHaftsbarometer waren es zuletzt 56 Prozent und 57 Prozent in 2016. Ebenfalls ähnlich, die Zahl der Unentschiedenen ist in beiden Ländern relativ hoch: 46 Prozent in Deutschland und 37 Prozent in der Schweiz.

Beide Umfragen beinhalten auch eine Bewertung des generellen Nutzens von Wissenschaft und Forschung und stellen diesem Risiken oder potenziellen Schäden durch Wissenschaft und Forschung gegenüber: In der Schweiz ist der größte Anteil (41 Prozent) diesbezüglich unentschieden, während 33 Prozent zustimmen, dass der Nutzen von Wissenschaft und Forschung größer ist als die möglicherweise auftretenden Schäden. 25 Prozent widersprechen. Im deutschen Wissenschaftsbarometer ist die Aussage negativ gepolt („Alles in allem schaden Wissenschaft und Forschung mehr als sie nützen.“), was unter Annahme einer generellen Zustimmungstendenz von Befragten eher zu einer negativeren Beurteilung von Wissenschaft und Forschung führen könnte. Allerdings widerspricht seit dem ersten Wissenschaftsbarometer 2014 eine weitestgehend stabile Mehrheit von 60 bis 70 Prozent der Befragten (2019: 61 Prozent) der Aussage, dass Wissenschaft und Forschung mehr schaden als nützen1. In 2019 sind außerdem 28 Prozent unentschieden und nur 9 Prozent der Befragten stimmen zu. 

Bei der Frage, ob sich durch Wissenschaft und Forschung unser Leben (Schweiz) / unsere Lebensbedingungen (Deutschland) zu schnell ändert, findet sich allerdings keine positivere Beurteilung der Auswirkungen von Wissenschaft und Forschung durch die deutsche Öffentlichkeit: 39 Prozent stimmen zu, während 32 Prozent unentschieden sind und 27 Prozent widersprechen. In der Schweiz lässt sich hingegen kaum eine Tendenz feststellen: 31 Prozent stimmen zu, während jeweils 34 Prozent widersprechen bzw. unentschieden sind.

Eindeutiger beantwortet wird in beiden Ländern die Frage nach dem Wert von Grundlagenforschung: In 2019 stimmen in der Schweiz fast drei Viertel der Befragten zu, dass wissenschaftliche Forschung ist notwendig, auch wenn sich daraus kein unmittelbarer Nutzen ergibt. In Deutschland beinhaltet die Aussage den Aspekt der öffentlichen Finanzierung von Grundlagenforschung2, für die sich immerhin knapp 60 Prozent aussprechen.

Eigenschaften von Forschenden

Basierend auf psychologischer Forschung an der Uni Münster zur Vertrauenswürdigkeit von Forschenden widmeten sich beide Surveys in den letzten Jahren auch den Eigenschaften von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Sicht der Befragten. Während im Schweizer WissensCHaftsbarometer 2019 gefragt wurde, welche Eigenschaften die Befragten mit einem Wissenschaftler oder einer Wissenschaftlerin verbinden, erfasste das deutsche Wissenschaftsbarometer 2018, welche Fähigkeiten jemand mitbringen muss, um aus Sicht der Befragten ein guter Wissenschaftler oder eine gute Wissenschaftlerin zu sein und beinhaltet damit ein stärkeres normatives Element.

In der Schweizer Befragung liegen dabei die Eigenschaften, welche die Expertise von Forschenden beschreiben (kompetent, qualifiziert, erfahren), in der durchschnittlichen Bewertung ganz oben, während im deutschen Wissenschaftsbarometer 2018 „muss ehrlich sein“ mit 95 Prozent die stärkste Zustimmung erhielt und dem Expertise-Item „muss viel wissen“ vergleichsweise niedrige 81 Prozent der Befragten zustimmten. 

Wissenschaft und Forschung als Entscheidungsgrundlage

Neu hinzugekommen in 2019 sind in beiden Befragungen Aussagen zur Rolle von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen als Grundlage für beispielsweise politische Entscheidungen. Im Wissenschaftsbarometer für Deutschland wurde dies explizit in den Kontext der Fridays/Scientists for Future-Bewegung gesetzt. Vor diesem Hintergrund stimmen 54 Prozent der Befragten zu, dass politischen Entscheidungen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen sollten. In der Schweiz sind es 56 Prozent. In beiden Fällen ist außerdem circa ein Drittel unentschieden (34 Prozent in Deutschland und 30 Prozent in der Schweiz) und nur eine kleine Minderheit (10 Prozent in Deutschland und 14 Prozent in der Schweiz) widerspricht. Auch bei der Frage, ob wir uns mehr auf den gesunden Menschenverstand und weniger auf wissenschaftliche Studien verlassen sollten, zeichnen die Ergebnisse in beiden Ländern ein ähnliches Bild – und zwar ein ambivalentes. In Deutschland stimmen jeweils circa ein Drittel der Befragten zu bzw. nicht zu und das dritte Drittel ist unentschieden. In der Schweiz stimmen 38 Prozent der Befragten zu, 34 Prozent wählen die Mittelkategorie und 28 Prozent widersprechen.

Ergebnisse des deutschen Wissenschaftsbarometers zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik.

Erwähnenswert ist außerdem, dass sich bei diesen Aussagen, aber auch in Bezug auf weitere Aspekte wie Interesse an, Vertrauen in oder die Beurteilung des Nutzens von Wissenschaft und Forschung, in beiden Ländern Unterschiede im Antwortverhalten von Männern und Frauen feststellen lassen. Männern geben dabei in stärkerem Maße an, an Wissenschaft interessiert zu sein, dieser zu vertrauen und bewerten auch den Nutzen positiver. Entsprechend sind Frauen beispielsweise in deutlich stärkerem Maße unentschieden in Bezug auf die Aussage, dass politische Entscheidungen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen sollten. Interessanterweise berichten uns die Kolleginnen und Kollegen des schwedischen VA Barometers immer wieder, dass sie diese Unterschiede in ihrem Wissenschaftssurvey für die schwedische Bevölkerung kaum sehen. Das sollte uns bei der Beurteilung unserer Ergebnisse zu denken geben; und wirft die Frage auf, ob hier eine Aufgabe für die Wissenschaftskommunikation liegt.

Insgesamt beschreiben die Ergebnisse der beiden Surveys in Deutschland und der Schweiz auch in diesem Jahr wieder eine gute Ausgangssituation für die Wissenschaftskommunikation: Interesse an Forschung ist vorhanden und der Großteil der Bevölkerung muss auch nicht erst vom Nutzen von Wissenschaft oder der Vertrauenswürdigkeit von Forschenden überzeugt werden. Gleichzeitig hat die Bevölkerung keinen naiven, sondern einen recht realistischen Blick. Auch wenn die negativen Auswirkungen von Wissenschaft und Forschung gesehen werden und jene Eigenschaften, die die Integrität und Gemeinwohlorientierung beschreiben, beispielsweise im Schweizer WissensCHaftsbarometer nicht ganz so stark mit Forschenden in Verbindung gebracht werden wie jene, die sich um deren Expertise drehen. Zugleich zeigt das deutsche Wissenschaftsbarometer, dass bei der Frage nach einem guten Wissenschaftler oder einer guten Wissenschaftlerin, die Ehrlichkeit ganz oben steht. Auch das ist vielleicht eine Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation – oder noch mehr für das Forschungssystem.

 

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

 

Alle Ergebnisse und Daten des deutschen Wissenschaftsbarometers 2019 finden Sie hier. Die Ergebnisse und Daten des WissensCHaftsbarometers 2019 können Sie unter diesem Link einsehen.

 

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