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„Wir wollen Bäuerinnen und Bauern dazu anregen, selbst aktiv zu werden“

Das Umweltbewusstsein steigt – und damit auch der Wunsch nach einer nachhaltigen Landwirtschaft. Viele Bäuerinnen und Bauern sind motiviert und möchten etwas verändern, sagt Sarah Redlich von der Universität Würzburg. Sie versucht durch die Kommunikation ihrer Forschung eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis zu schlagen.

Frau Redlich, Sie gehen mit Ihren Forschungsergebnissen direkt auf Landwirtinnen und Landwirte zu. Wie kam es dazu und warum ist das wichtig?

Im Rahmen meiner Doktorarbeit musste ich Landwirte und Landwirtinnen davon überzeugen, an meinem Forschungsprojekt teilzunehmen. Dabei habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, zu kommunizieren – allein schon um der Forschung willen. Es ist nötig, die Landwirtschaft Betreibenden von Anfang an mit an Bord zu haben. Dann kann man eventuell auch seine Forschungsfrage anzupassen, um sie umsetzbarer und relevanter für die Praxis zu machen. Das geht nur, wenn man das Gespräch sucht und sich Feedback holt. Nach und nach habe ich dann auch immer aktiver Öffentlichkeitsarbeit betrieben.

Sarah Redlich ist Postdoktorandin am Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie der Universität Würzburg. Sie stellt ihre Forschungsergebnisse zum Thema nachhaltige Landwirtschaft bei Vorträgen und in Workshops vor. Foto: Sarah Redlich

Warum haben Sie mit Ihrer Forschung die Öffentlichkeit gesucht?

Als Wissenschaftlerin ist man sehr darauf fokussiert, die Forschungsergebnisse in hochrangigen Journalen zu veröffentlichen. Weitergegeben wird das Wissen dann aber nur an andere Forschende und nicht an andere Teile der Gesellschaft. Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, die Grundlagenforschung in die Praxis zu bringen. Daher trage ich meine Ergebnisse an Landwirtinnen und Landwirte heran. Am Ende liegt es schließlich an ihnen, die Erkenntnisse aus der Forschung umzusetzen und damit etwas zu verändern. Natürlich ist es auch wichtig, die Agrarpolitik einzubinden, die den Landwirtschaft Betreibenden vorgibt, was sie tun dürfen oder müssen. Die Politik kann aber nur bis zu einem gewissen Grad Vorgaben machen. Schlussendlich müssen die Bauern und Bäuerinnen überzeugt sein und hinter dem stehen, was sie tun.

Was genau wollen Sie vermitteln?

Zu allererst möchte ich das Verständnis dafür wecken, warum das Thema Artenvielfalt auch in der konventionellen Landwirtschaft wichtig ist. Dieses Bewusstsein ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Landwirte oder die Landwirtinnen zum Beispiel etwas an ihrer Bewirtschaftungsmethode verändern. Denn eine Vielzahl an Insekten kann nützlich für die Landwirtschaft sein. Die offensichtlichste Gruppe ist die der Bestäuber. Aber auch Räuber, die Blattläuse fressen, oder Organismen, die im Boden eine Rolle bei Nährstoffkreisläufen spielen, können gewinnbringend sein. Vielen Bauern und Bäuerinnen ist das leider nicht mehr bewusst und es ist auch nicht Teil des Lehrplans auf der Landwirtschaftsschule. Der nächste Schritt ist dann, zu zeigen, wie ich diese Lebewesen fördern und als Landwirt oder Landwirtin dadurch profitieren kann.

Wie erreichen Sie Landwirtinnen und Landwirte?

„Für mich ist tatsächlich der direkte Kontakt ganz wichtig. Dabei schätze ich auch das Feedback der Bäuerinnen und Bauern sehr.“

Ich versuche vor allem durch Workshops und Vorträge Menschen anzusprechen. Das sind nicht nur Personen, die Landwirtschaft betreiben, sondern auch Mitglieder der Regierung und von Naturschutzorganisationen. Ich halte zum Beispiel Vorträge beim Bayerischen Bauernverband oder in Schulen. Für mich ist tatsächlich der direkte Kontakt ganz wichtig. Dabei schätze ich auch das Feedback der Bäuerinnen und Bauern sehr. So erfahre ich, wie sie unsere Forschung wahrnehmen, was sie für umsetzbar halten und was nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es hilfreich ist, einen Bauernverband als Bindeglied zwischen der Uni und den Landwirtinnen und Landwirten zu haben. Wir erreichen diese Zielgruppe einfacher, wenn wir unsere Vorträge über den Verband anbieten.

Wie ist die Resonanz auf Ihre Aktivitäten?

Bei den Vorträgen, die ich bisher gehalten habe, war der Raum immer voll. Die Landwirtinnen und Landwirte sind von sich aus sehr interessiert und motiviert. So erzählte mir zum Beispiel ein sehr junger Landwirt, er habe sich selbst einen Versuch überlegt und auf seinen Feldern durchgeführt, um die Ergebnisse meiner Forschung selbst noch einmal zu überprüfen. Und er konnte meine Ergebnisse reproduzieren. Das fand ich super! Im Grunde ist es genau das, was wir bewirken wollen. Wir wollen Bäuerinnen und Bauern dazu anregen, selbst aktiv zu werden.

Wer unterstützt Ihre Kommunikation?

Prinzipiell unterstützt die Universität mich dabei, wenn auch die finanziellen Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit gering bemessen sind. Kaum ein Projekt stellt einem ausreichend Geld zur Verfügung, um etwa solche Workshops durchzuführen. Daher bin ich sehr froh, dass bei meinem letzten EU-geförderten und auch bei meinem aktuellen Projekt Gelder für die Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen waren. Des Weiteren erhalte ich Unterstützung von Naturschutzorganisationen und Verbänden, indem sie mich zu Vorträgen einladen.

Was wünschen sie sich für die Zukunft?

Ich würde mir wünschen mehr finanzielle Mittel zu haben, um Projekte gemeinsam mit Landwirtinnen und Landwirten umzusetzen. Leider ist es oft so, dass Forschungsprojekte an der Universität geplant werden, ohne die Landwirtschaft Betreibenden mit einzubeziehen. Doch genau das wäre aus meiner Sicht wichtig. Ausgewählte Betriebe könnten zum Beispiel als „Leuchtturmbetriebe“ fungieren, bei denen Forschungsergebnisse umgesetzt würden. Kolleginnen und Kollegen könnten diese Betriebe dann besuchen und von ihnen lernen. Denn, auch das habe ich in den vergangenen Jahren festgestellt: Landwirte lernen lieber von anderen Landwirten als von Forschenden.