Foto: Remix aus Felix Mooneeram, Greg Rakozy und chuttersnap

Vorhang auf für die Zukunft

Heute startet das Science & Theatre Festival des Theaters Heilbronns und der experimenta. Es widmet sich Themen wie Hirnforschung und Robotik, auf der Bühne stehen neben Menschen auch Maschinen. Ein Gespräch mit Chefdramaturg Andreas Frane über das Konzept des Wissenschaftstheaters.

Herr Frane, Sie gestalten gemeinsam mit dem Science Center experimenta in Heilbronn ein Theaterfestival. Wie kam es zu dieser Kooperation?

Mit der experimenta Heilbronn kooperieren wir tatsächlich schon seit 2016. Sie unterstützt uns mit Kontakten in die Wissenschaft. Zum Beispiel dann, wenn wir zu einem Stück, das wissenschaftliche Fragestellungen thematisiert, Input und Unterstützung von Expertinnen und Experten suchen.
Als die Experimenta dann aber beschlossen hat, einen Neubau mit einem einzigartigen Science Dome zu errichten, haben wir uns sofort dafür begeistert. Der Science Dome ist nämlich nicht nur eine spektakuläre Kombination aus Planetarium und bespielbarem Theater, sondern der Zuschauerraum lässt sich um die eigene Achse drehen, es gibt Lasertechnik, einen Regenvorhang und den 360°-Kuppelscreen.
Unser Intendant, Axel Vornam, ist also auf Dr. Hansch, den Geschäftsführer der experimenta, zugegangen und relativ schnell kam die Idee, gemeinsam ein Festival auf die Beine zu stellen. Gefördert wird es von der Dieter Schwarz Stiftung.

Theater und Wissenschaft, wie geht das dann konkret zusammen, was ist da die Schnittmenge?

Andreas Frane ist seit 2011 Chefdramaturg und Stellvertreter des Intendanten am Theater Heilbronn. Darüber hinaus hat Andreas Frane über zwanzig Jahre als freier Journalist und Mitarbeiter regelmäßig über Theater und Literatur sowie Film und Fernsehen für die Nürnberger Zeitung, die Mittelbayerische Zeitung, die Hannoversche Allgemeine Zeitung und die Zeitschrift „musicals“ geschrieben. Außerdem war er als Dozent an der Universität Erlangen-Nürnberg sowie der Universität Oldenburg tätig. Foto: Vincent Leifer

Das Thema Wissenschaft wird auf dem Theater immer präsenter. In Deutschland sind wir da zwar noch nicht so weit, aber in den USA und Kanada, Großbritannien, teilweise auch in Frankreich und den Niederlanden gibt es viele Dramatikerinnen und Dramatiker, die sich schwerpunktmäßig damit beschäftigen. Ein bekanntes Beispiel ist da etwa die Amerikanerin Jennifer Haley. Ihr viel gespieltes Stück, „Die Netzwelt“, befasst sich mit der Frage, wohin die Entwicklungen des Internets und des Virtuellen uns führen werden. Eine erste Schnittmenge wäre also Wissenschaft als Thema für das Theater.
Daneben ist es aber auch so, dass in der Wissenschaftsvermittlung immer mehr theatrale Mittel eingesetzt werden, zum Beispiel bei Lecture Performances. Auch in Workshops sind spielerische Ideen eingearbeitet, die aus dem Theater kommen.
Und schließlich werden neue technologische Entwicklungen in Inszenierungen genutzt, um das Theatererlebnis innovativer und immersiver zu machen. Ich war zum Beispiel vor einigen Jahren im Barbican Centre in London, wo „Der Sturm“ von Shakespeare aufgeführt wurde. Mittels Digital Mapping und sogenannter Avatar Technology wurden dabei die Visionen und Geisterfiguren – zum Bespiel der Luftgeist Ariel – als 3D-Animationen auf die Bühne gebracht. Das war wirklich sehr raffiniert gemacht. Eine weitere Schnittmenge ist also die Verwendung technologischer Neuerungen im Theater.

Wie verbindet das Festival denn „Science & Theatre“?

Insgesamt gibt es sechs Gastspiele mit elf Vorstellungen auf dem Festival. Dazu haben wir einen Dramenwettbewerb zum Thema „Der gemachte Mensch“ ausgeschrieben. Drei von der Jury ausgewählte Einsendungen werden während des Festivals als szenische Lesungen in Ausschnitten vorgestellt. Und wenn man alle 27 eingereichten Stücke betrachtet, dann finden sich darunter viele Beispiele, die versuchen, sehr experimentell mit ihren jeweiligen Themen umzugehen.
Auch thematisch ist das Festival sehr breit aufgestellt. Ein Stück befasst sich etwa mit Wissenschaftsgeschichte, genauer mit dem Kampf von Paul Ehrlich und Emil von Behring gegen die Diphtherie, eine weitere Produktion stellt als begehbare Installation mit Roboterarm die Frage, wie Theater aussehen würde, wenn nicht mehr Menschen, sondern eine KI einen Theaterabend gestaltet. Anschließend gibt es eine Diskussionsveranstaltung mit der Frage: Ist das überhaupt noch Theater?

Sind denn solche technisch-experimentellen Stücke generell eine neue Entwicklung am Theater, oder ist das gerade im Genre des Wissenschaftstheaters zu finden?

Das ist schon ein allgemeiner Trend. Ganz generell nehmen Stücke über die Wissenschaften zu. Es gab in letzter Zeit wirklich viele Beispiele, die sich etwa mit der Entwicklung von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz beschäftigen.
Wenn man in die Vergangenheit blickt, dann wurde in Wissenschaftsstücken eher Wissenschaftsgeschichte erzählt. Man denke da etwa an Brecht und sein „Leben des Galilei“. Neuer hingegen ist, dass man versucht, dabei auch experimenteller mit den Bühnenmitteln und den Theaterformen umzugehen. Und bei diesem Experimentieren trifft sich das Theater natürlich auch mit der Naturwissenschaft, die ja ebenfalls im Experimenten versucht, zu Ergebnissen zu gelangen. Ich finde es spannend, wenn wissenschaftliche Entwicklungen und Zukunftsthemen verhandelt werden, und das Theater dabei selbst experimentell vorgeht. Vor allem auch mit unserem Grundmedium, der Sprache.

Wie können Wissenschaft und Kunst dabei voneinander profitieren?

Das Theater profitiert auf der thematischen Ebene sicherlich von den ethisch-moralischen Fragestellungen, die sich im Bereich der Wissenschaft und Forschung stellen.
Andererseits verändern neue Technologien auch die Art und Weise, in der wir die Dinge sehen und wahrnehmen. Junge Menschen, Digital Natives, haben einen anderen Blick. Wir als Theater sind dabei das letzte Bollwerk des Analogen. Da stellt sich natürlich die Frage, wie geht das, was bietet das Theater an Werten, Themen und an sinnlicher Erfahrung und wie bringt man das zusammen mit einer Gesellschaft, die immer digitaler und virtueller wird? Wie entwickelt sich Theater selbst vor diesem Hintergrund weiter? Und wie können Wissenschaft und Technologie dazu beitragen, das Theatererlebnis zu erneuern?
Wir als Theater wiederum geben den Wissenschaften vor allem Fragen und stellen sie mit unseren grundeigenen Mitteln in einen größeren ethisch-moralischen Kontext und Wertediskurs. Denn das ist das, was das Theater tut: Es stellt gesellschaftspolitische und relevante Fragen an unsere Zeit und will Anregung und Ansporn geben, sich eigene Gedanken dazu zu machen.

Was ist in Zukunft noch vom Wissenschaftstheater in Deutschland zu erwarten, wie geht es in Heilbronn weiter?

Als Dramaturg bin ich hinsichtlich der Themen Zukunft, Entwicklung und Naturwissenschaften richtig „angefixt“. Es hat mir unglaublichen Spaß gemacht, die 27 Wettbewerbsstücke zu lesen. Ich bin dabei auf Autorinnen und Autoren aufmerksam geworden, die ich bisher noch gar kannte, und hatte das Gefühl, dass es gerade bei jungen Autorinnen und Autoren ein großes Bedürfnis gibt, solche Zukunftsgeschichten auf innovative Art zu erzählen. Generell, glaube ich, werden wir in den nächsten Jahren noch sehr viel mehr Theater dieser Art zu sehen bekommen.
Hinsichtlich des Festivals sind wir natürlich sehr gespannt, wie es angenommen wird, wie der Austausch zwischen unserem Publikum und dem der experimenta aussehen und was dabei alles zustande kommen wird.
Zwar werden wir so ein Festival wahrscheinlich nicht jedes Jahr zusammen stemmen können, aber wir wollen mit Wolfgang Hansch bald darüber sprechen, wie es weitergehen wird. Eines werden wir in jedem Fall weiterverfolgen: Denn die Idee hinter dem Dramenwettbewerb war auch, das preisgekrönte Stück unter Zuhilfenahme aller technischen Mittel des Science Domes dort zu inszenieren. Das Ergebnis wird in der kommenden Spielzeit zu sehen sein.

 

Das Science & Theatre Festival läuft vom 06. bis 09. November in Heilbronn. Mehr Informationen zum Programm finden Sie hier.