Foto: VirtualBrainLab.de

VirtualBrainLab – Virtuelle Forschungsexperimente für den neurobiologischen Unterricht

Das „VirtualBrainLab“ möchte Neurowissenschaften auch für Schüler*innen in der Oberstufe erlebbar machen. Dafür werden komplexe Sachverhalte auf einer Onlineplattform mithilfe von Experimenten und den dazugehörigen Arbeitsmaterialien vermittelt. Sandra Formella-Zimmermann, die an Konzeption und Umsetzung beteiligt ist, gibt Einblicke in die Entstehung des Projektes.

Frau Formella-Zimmermann, bei Ihrem Projekt VirtualBrainLab bieten Sie neurobiologische Inhalte für die Sekundarstufe II auf einer Onlineplattform an. Wie kamen Sie auf die Idee, sich an ein so schwieriges Unterfangen heranzuwagen?

Sandra Formella-Zimmermann ist promovierte Biologin und arbeitet seit 2013 als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Didaktik der Biowissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt, seit 2019 arbeitet sie an der Konzeption und Umsetzung des VirtualBrainLab mit. Foto: Sebastian Schneider

Kurz gesagt, weil wir gemerkt haben, dass in diesem Gebiet ein sehr großer Bedarf ist.

Das Thema Neurobiologie wird meist in der Oberstufe vermittelt. Dabei stehen Lehrkräfte vor der Schwierigkeit, dieses komplexe Thema Schüler*innen möglichst mithilfe von praktischen Elementen nahezubringen. Diese Lücke wollten wir füllen. Möglich war das durch die Unterstützung der Hertie-Stiftung, die einen Schwerpunkt auf die Förderung von Neurowissenschaften im Bildungsbereich legt. So konnten wir das neue Schülerlabor zum Thema Neurowissenschaften in ein bereits bestehendes Schülerlabor integrieren.

Da der Wirkungsgrad in einem lokalen Schülerlabor jedoch eingeschränkt ist, haben wir entschieden, neurobiologische Inhalte auch zusätzlich als Internetangebot umzusetzen. Hier hat es uns in die Karten gespielt, dass unser bereits bestehendes Schülerlabor sowieso schon sehr medial ausgerichtet war und wir ein Folgeprojekt entwickeln konnten.

Welches sind die Herausforderungen bei der Umsetzung neurobiologischer Versuche?

Schüler*innen und Lehrkräfte stehen vor dem gleichen Problem: Es ist sehr schwierig, Versuche in dem Bereich praktisch umzusetzen. Das kann an der Methodik liegen, denn man benötigt beispielsweise für elektrophysiologische Messungen eine unfassbar aufwendige Apparatur. Für diese sind in der Regel keine Ressourcen verfügbar und es ist auch methodisch sehr schwierig, es auf Schülerebene umzusetzen.

Unser Lösungsweg war deshalb von Anfang an ein Neuro-Labor, in dem wir computerbasierte Umsetzungen anbieten können, die das eigentliche Experiment möglichst authentisch ersetzen.

Wie sehen diese Umsetzungen genau aus?

„Es entstanden Anwendungen, die jetzt ein virtuelles Experiment darstellen, das so authentisch wie möglich ist.“ Sandra Formella-Zimmermann

Es entstanden Anwendungen, die jetzt ein virtuelles Experiment darstellen, das so authentisch wie möglich ist. Bei der Mikroskopie sind das beispielsweise echte Präparate, die normalerweise mit einem Mikroskop angeschaut würden und die zuvor eingescannt werden, um sie auf der Onlineplattform zur Verfügung stellen zu können. Bei den Messungen in der elektrophysiologischen Anwendung sind es wiederum originale Forschungsdaten und Messspuren, die in einem tatsächlichen Setup erfasst wurden und die wir hochladen und zur Verfügung stellen können.  So können alle Daten auch unabhängig von Laborequipment bearbeitet und in die Arbeitsmaterialien integriert werden.

Gab es in diesem Bereich keine vergleichbaren praktischen Online-Lehrmaterialien?

Es gibt bereits ähnliche Anwendungen, die allerdings nicht didaktisch aufbereitet sind. Sie sind auch meist nicht für Schulen, sondern eher für Universitäten angelegt. Dadurch ist der Einsatz solcher Anwendungen für Lehrkräfte eher problematisch.

Wichtig ist uns bei unserem kompletten Angebot, dass wir nicht nur ein Konzept für digitale Experimente haben, die wir zur Verfügung stellen, sondern dass wir auch das begleitende Arbeitsmaterial anbieten. Dabei haben wir schnell gemerkt, wie arbeitsintensiv und schwer es ist, alle Informationen sinnvoll aufzubereiten und sich ein gutes Konzept zu überlegen. Die Arbeitsmaterialien, die Messspuren und Präparate zu haben, ist ja nur der erste Schritt. Die ersten Konzepte wurden in unserem Schülerlabor erprobt und weiter überarbeitet, bis am Ende eine runde Sache draus wurde.

Warum haben Sie sich an das Thema Neurobiologie gewagt??

Hinzu kommt, dass Die Lehre der Neurobiologie sowohl in der Schule als auch an Universitäten ein großes Problem dar stellt: Die Inhalte sind schwer greifbar, weil es Prozesse sind, die man mit dem Auge nicht sehen kann. Zusätzlich braucht man auch ein physikalisches und ein chemisches Verständnis, um die Inhalte wirklich begreifen zu können. Die nächste Hürde ist die praktische Anwendung, die beim Lernprozess sehr hilfreich sein kann und die oft fehlt oder nicht umsetzbar ist. Hinzu kommt, dass dies ein Schwerpunkt der Hertie-Stiftung ist, die in diesem Bereich auch viel Forschung unterstützt.

Ist Ihr Konzept auch auf andere Fachrichtungen anwendbar?

Ja, unbedingt. Momentan wollen wir erst einmal das Angebot für die Neurobiologie ausbauen. Wir wollen im nächsten Schritt Inhalte zur Forschung mit Eye-Tracking-Systemen schreiben und Inhalte zur Optogenetik, einem sehr modernen Forschungsfeld, ergänzen. Diese Themen sollen für das nächste Schuljahr bereitstehen.

Auf der Internetseite gibt es einen Einblick in die Themenbereiche des VirtualBrainLabs. Die Themen Elektrophysiologie und Mikroskopie werden bald mit den spannenden Themen der Optogenetik und dem Eyetracking erweitert. Foto: VirtualBrainLab.de

 

Natürlich sehen wir aber auch, wie gut es angenommen wird und was für ein großes Potenzial diese Anwendungen haben. Aktuell haben wir nicht die personellen und finanziellen Mittel, um das Projekt auch auf andere Themengebiete auszuweiten. Als einfaches Beispiel könnten wir aber unser virtuelles Mikroskop auch für andere Themengebiete einsetzen, indem wir Präparate aus anderen biologischen Bereichen einspielen.

Wer kann sich bei Ihrem Programm anmelden?

Grundsätzlich können sich alle Schüler*innen auch unabhängig von den Lehrkräften anmelden oder auch sonstige interessierte Personen. Was den Lehrpersonen vorbehalten ist, sind die Materialien zu Unterrichtskonzepten und die Lösungen zu den Aufgaben. Wir bieten aber natürlich auch Schüler*innen Hilfe an, indem wir motivieren, uns bei Fragen anzuschreiben, wenn sie keine begleitende Lehrperson haben.

Wie erfahren Schüler*innen und Lehrkräfte von Ihrem Angebot?

Da wir in unserer Abteilung seit vielen Jahren ein Schülerlabor haben, in dem uns Tausende von Schüler*innen pro Jahr besuchen, bestehen bereits gute Kontakte. Um die Schulen und Lehrkräfte auch auf unser Angebot aufmerksam zu machen, nutzen wir einen Newsletter und die Kanäle der Hertie-Stiftung. Demnächst wollen wir aber tatsächlich noch ein bisschen mehr Werbung zum Laufen bringen.

Finanzierung: 

Die gemeinnützige Hertie-Stiftung in Frankfurt steht hinter dem Projekt und fördert es mit über 300.000 Euro. Durch die Förderung soll ein kostenloses Angebot für Schulen geschaffen werden.