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So gelingt Diversität in visueller Kommunikation

Fotos, Infografiken, Erklärvideos – visuelle Medien tragen dazu bei, komplexe Inhalte verständlich zu transportieren. Stereotype Darstellungen können allerdings Menschen ausschließen. Maxim Schmuck und Anne Vogt geben im Gastbeitrag zehn Empfehlungen für eine diskriminierungssensiblere Gestaltung der Wissenschaftskommunikation.

Wissenschaftskommunikator*innen tragen viel Verantwortung. Sie müssen Forschung akkurat und zugleich für Nicht-Fachleute interessant erklären. Und sie tragen immer auch zur öffentlichen Wahrnehmung von Wissenschaft bei. Nicht selten müssen sie dabei aktiv gegen Klischees arbeiten.

„Wer diversitätssensibler kommunizieren will, muss sich unweigerlich den eigenen unbewussten stereotypen Vorstellungen widmen.“
Visuelle Kommunikation kann auf verschiedene Weise ausgrenzen und diskriminieren, zum Beispiel indem Bilder veraltete Machtverhältnisse oder Klischees reproduzieren. Manchmal geht es auch darum, was nicht zu sehen ist: Personen mit Behinderung oder schwarze Menschen im akademischen Umfeld, Frauen in Führungspositionen, gleichgeschlechtliche Paare zur Bebilderung von Familienthemen, Männer, die Care-Aufgaben übernehmen. Die Folgen sind subtil. Wiederholte diskriminierende Darstellungen können tief verankerte, unbewusste Erwartungen festigen. Häufig machen sie es Betroffenen schwer, als Individuen und mit all ihren Leistungen und ihrem Potenzial gesehen zu werden.

Wer diversitätssensibler kommunizieren will, muss sich unweigerlich den eigenen unbewussten stereotypen Vorstellungen widmen. Das ist nicht immer einfach, aber Teil eines gewinnbringenden Lernprozesses. Folgende zehn Empfehlungen helfen, den Blick für diskriminierungssensibles Design zu schärfen.

  1. Design ist WEIRD
    Das Akronym WEIRD steht für western (westlich), educated (gebildet), industrialized (industrialisiert), rich (wohlhabend, reich) und democratic (demokratisch). Zahlreiche Beispiele, darunter die eurozentrische Weltkarte oder Rassismus in der Fototechnik, belegen, wie sehr unser Blick WEIRD-geprägt ist – und es häufig gar nicht merken. Sich dieser selektiven Sehgewohnheiten bewusst zu werden, ist schon ein erster Schritt in Richtung diversitätssensibler Kommunikation.
  2. Wer gehört zum Team?
    Ein weiterer Schritt auf dem Weg zu diversitätssensibler visueller Kommunikation ist die Reflexion der Teamzusammenstellung. Es ist wahrscheinlicher, dass vielfältige Arbeitsgruppen neue Ideen und Perspektiven einbringen, die die visuelle Kommunikation inklusiver machen. Daher lohnt es sich, schon bei der Planung der Zuständigkeiten auf Diversität zu achten und so das Blickfeld zu öffnen.
  3. An Diversity-Trainings teilnehmen
    Alle Menschen in einem Team repräsentieren? Das ist wohl kaum möglich. Helfen können hier Diversity-Trainings. Sie schärfen die Sinne, um Schubladendenken zu vermeiden und den Perspektivwechsel zu erleichtern. In einem geschützten Rahmen können Teilnehmende eigene Erfahrungen in die Diskussionen einbringen, ihre Einstellungen kritisch hinterfragen und mehr Sicherheit im Umgang mit diversitätssensibler Kommunikation erreichen. Zahlreiche Anbieter bieten solche Trainings an, zum Beispiel die Berliner Bildung- und Beratungsorganisation „Eine Welt der Vielfalt e. V.“ oder der österreichische Bildungsanbieter „Diversity Campus“.
  4. „In welchem Kontext stelle ich Menschen dar, welche Stereotype bediene ich damit und welche alternativen Darstellungsmöglichkeiten bieten sich mir?“
    Gekonnte Vereinfachung versus plumpe Stereotypisierung
    Bilder verkürzen Zusammenhänge häufig, da viele Themen schwierig in ihrer ganzen Komplexität abzubilden sind. So nutzen journalistische Artikel zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) oftmals generische Bilder, die Roboter, abstrakten Code oder am Laptop arbeitende Menschen zeigen. Keines dieser Bilder umfasst dabei in Gänze das Thema KI. Die Seite notmyrobot sammelt irreführende oder auch skurrile KI-Bebilderungen. Problematisch ist es, wenn generische Bilder von Stockfoto-Plattformen rassistische oder andere Stereotype reproduzieren. Zum Beispiel, indem bestimmte Menschengruppen immer wieder in den gleichen Lebenssituationen dargestellt werden. Wer das vermeiden möchte, sollte hinterfragen: In welchem Kontext stelle ich Menschen dar, welche Stereotype bediene ich damit und welche alternativen Darstellungsmöglichkeiten bieten sich mir?
  5. KI lernt Diskriminierung
    Auch in der visuellen Kommunikation gewinnt Künstliche Intelligenz immer mehr an Bedeutung. Software wie Midjourney ermöglicht es, in kurzer Zeit neue Kunstwerke zu erschaffen. Aber auch KI lernt Diskriminierung und Nutzer*innen reproduzieren sie, wenn sie KI-generierte Bilder unreflektiert verwenden. So generiert KI bei neutralen Suchaufträgen hauptsächlich Abbildungen weißer Männer. Auch Menschen mit Behinderungen werden teilweise ausgeschlossen und kommen in KI-generierten Bildern kaum vor. Einige Organisationen haben sich mittlerweile gegründet, die auf die Missstände aufmerksam machen.
  6. Fachstellen zu Rate ziehen
    Nicht immer ist uns bewusst, wie bestimmte Darstellungen in einem anderen kulturellen Kontext wahrgenommen werden. Um Darstellungen zu vermeiden, die in bestimmten Kulturen unangemessen oder beleidigend wirken könnten, stehen Fachstellen oder Diversitätsexpert*innen zur Verfügung, die sensibilisieren und beraten. So bieten zum Beispiel das Hamburger IQ Projekt Vielfalt in der Arbeitswelt (VidA) oder die Berliner Fachstelle BQN Berlin langfristige Begleitung und Moderation von Veränderungsprozessen in Unternehmen an und berät zu vielfältigen Antidiskriminierungs- und Diversitythemen.

    Für die Broschüre „SoMo Wissen“ haben wir Menschen in ihren tatsächlichen Arbeitskontexten dargestellt. Authentizität ist ein wichtiger Baustein, um glaubwürdig zu kommunizieren. Foto: Mann beißt Hund – Agentur für Kommunikation
  7. Authentizität und Einbeziehung
    Durch das direkte Arbeiten mit verschiedenen Zielgruppen kann sichergestellt werden, dass die visuellen Darstellungen ihre Erfahrungen, Bedürfnisse und Perspektiven widerspiegeln. Es lohnt sich, genügend Raum für verschiedene Stimmen und Geschichten einzuplanen. Es gilt jedoch zu bedenken: Einzelpersonen sprechen nicht zwangsläufig für eine Gruppe. Auch über Mitgestaltungsmöglichkeiten können unterschiedliche Sichtweisen miteinander verknüpft werden. Dabei bringen verschiedene Designer*innen ihre eigenen Erfahrungen ein, und es entstehen inklusive Produkte.
  8. Barrierearmut beachten
    Wer diversitätssensibel kommunizieren möchte, muss sicherstellen, dass die visuellen Darstellungen auch für Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten zugänglich sind. Ausreichend Kontrast, große Schriftgrößen und eindeutige Grafiken verbessern die Lesbarkeit für alle Rezipient*innen. Bilder sollten auch in Textform für sehbehinderte Personen beschrieben werden.
  9. Transparenz herstellen, Haltung zeigen!
    Wer ein Problem erkannt hat – beispielsweise, dass auf einem repräsentativen Foto nur Männer zu sehen sind – sollte dies auch intern thematisieren. Denn eine klare Haltung jedes und jeder Einzelnen stärkt das Bewusstsein für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Öffentlichkeit.
  10. Kleine Schritte gehen: Strukturelle Probleme kann man nicht in kurzer Zeit verändern
    Diversität Alle Artikel zum Schwerpunkt
    Nach diesen Learnings folgt nun ein kleiner Dämpfer: In vielen Fällen wird es uns nicht gelingen, in jeder grafischen Arbeit diversitätsgerecht und barrierefrei zu kommunizieren und dabei alle gesellschaftlichen Gruppen zu repräsentieren und mitzunehmen. Trotzdem sollten wir unser Bestes geben, um möglichst barrierearm und diversitätssensibel zu gestalten. Dazu gehört Betroffene mit einzubeziehen und die sich stets ändernden gesellschaftlichen Diskurse im Blick zu behalten. Strukturelle Hürden wie Sexismus und Rassismus lassen sich nicht von jetzt auf gleich beseitigen. Doch auch kleine Schritte führen zum Ziel. 

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