Foto: Ulrich Schepp / DFG

Gesucht: Kommunikationsgenies aus der Wissenschaft

Seit 2000 gibt es ihn. Mit 50.000 Euro dotiert und verliehen vom Stifterverband ist der Communicator-Preis eine der wichtigsten Auszeichnungen in Deutschland für Wissenschaftskommunikation. Jutta Rateike von der DFG und Andrea Frank vom Stifterverband über den Preis, direkte Wissenschaftskommunikation und warum monetäre Anreize nicht alles sind.

Frau Rateike, Frau Frank, wieso gibt es den Communicator-Preis?

Jutta Rateike: Als der Stifterverband 1997 den Wissenschaftsorganisationen Geld für Preise zur Verfügung stellte, hat sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dafür entschieden, einen Kommunikationspreis auszuloben. Diese Entscheidung fiel in die Zeit, als in Deutschland die PUSH-Bewegung startet. Die DFG wollte mit dem Preis einen Beitrag dazu leisten, den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft voranzubringen. Nicht zuletzt mit der hohen Dotierung – damals 100.000 DM, heute 50.000 Euro – wollten Stifterverband und DFG signalisieren: Wir finden gute Wissenschaftskommunikation wichtig.

Andrea Frank leitet im Stifterverband den Programmbereich „Forschung, Transfer und Wissenschaftsdialog“ und ist Mitglied in der Jury des Communicator-Preises. Foto: Stifterverband

Andrea Frank: Der Communicator-Preis ordnete sich gut in die Aktivitäten zur Stärkung des Themenfeldes Wissenschaftsdialog ein – damals wie heute. Der Stifterverband förderte damals herausragende Kommunikatorinnen und Kommunikatoren, die Entwicklung  von Städten der Wissenschaft und konkrete PUSH-Projekte an Hochschulen. Ich denke, das war eine gute Mischung, um das Themenfeld voranzubringen. Der Preis identifizierte dabei exzellente Vorbilder. Diese brauchen wir, um Themen voranzubringen und auf die Agenda zu setzen.

Glauben Sie, der Preis hat etwas Positives bewegt?

Rateike: Das ist natürlich schwer zu messen. Der Stifterverband hat 2009 bei den bis dahin ausgezeichneten Preisträgerinnen und Preisträger eine Umfrage durchgeführt und sie gefragt, wie sich der Communicator-Preis auf ihre Arbeit und ihre wissenschaftliche Karriere ausgewirkt hat und wie sie die Wissenschaftskommunikation insgesamt einschätzen. Die Antworten spiegeln im Wesentlichen das, was wir auch heute mit Blick auf die Wissenschaftskommunikation diskutieren: Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler engagieren sich, sie nehmen es aber auch als Widerspruch wahr, dass sie einerseits zur Kommunikation aufgefordert werden, im Arbeitsalltag aber oft nicht die nötige Zeit, Ressourcen und Anerkennung finden, die dieses Engagement braucht und verdient.

Jutta Rateike ist stellvertretende Leiterin der Stabsgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG und leitet das Team Öffentlichkeitsarbeit. Sie betreut u. a. den Communicator-Preis und ist in Gremien verschiedener nationaler und internationaler Einrichtungen tätig, u. a. im Lenkungsausschuss von Wissenschaft im Dialog, im Allianz-Arbeitskreis Wissenschaftskommunikation und in der Jury für das WissKomm-Programm des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF. Foto: DFG

Frank: Ich glaube, der Preis und auch die anderen Initiativen haben auf jeden Fall etwas bewegt. Es gibt unter den jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern viel mehr Bereitschaft zu kommunizieren und ein größeres Verständnis dafür, dass es wichtig ist. Da hat sicherlich auch dieser Preis zu beigetragen. Für die wissenschaftspolitische Debatte hat es auch etwas bewirkt. Denn die Ausgezeichneten werden zu Botschafterinnen und Botschaftern für das Thema Wissenschaftskommunikation. Diese politische Dimension ist nicht zu unterschätzen.

Wer gewinnt denn einen Communicator-Preis?

Rateike: Der Preis wird in jedem Jahr von der DFG ausgeschrieben. Interessierte können sich selbst bewerben oder vorgeschlagen werden. Die Auswahl erfolgt durch eine derzeit achtköpfige Jury aus Kommunikationsexpertinnen und -experten, die zunächst alle Bewerbungen begutachtet und in einer abschließenden Sitzung die Preisträgerin oder den Preisträger auswählt. Die Jury beurteilt dabei nach den Kriterien Kreativität, Kommunikationskonzept, Format- und Zielgruppenvielfalt sowie Nachhaltigkeit in der Kommunikation. Wir zeichnen also keine Einzelprojekte aus, sondern Forschende, die sich längerfristig engagieren.

Gibt es etwas, was die bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger verbindet?

Rateike: Der Preis belohnt gute Kommunikation in Verbindung mit guter Forschungsleistung. Alle Forschenden, die ausgezeichnet werden, sind immer auch exzellent in der Forschung. Die Preisträgerinnen und Preisträger verbindet nach meinem Eindruck zudem, dass sie Überzeugungstäterinnen und Überzeugungstäter sind, die mit ihrer Kommunikation auch etwas bewegen wollen.

Frank: Wenn ich auf die letzten Jahre zurückblicke, dann sind sie alle leidenschaftliche Forschende und authentische Kommunikatorinnen und Kommunikatoren. Außerdem glaube ich, dass die meisten von Ihnen mit Konzept kommunizieren: Sie wissen, was und wen sie mit welchen Maßnahmen erreichen wollen. Außerdem sind fast alle auch nach dem Gewinn des Preises weiterhin erfolgreich und sichtbar. Und eine weitere Gemeinsamkeit ist leider: Fast alle bis auf zwei sind – bisher – männlich.

Woher kommt das aus ihrer Sicht?

„Ich glaube, Frauen haben es ganz generell in der wissenschaftlichen Karriere immer noch etwas schwerer als Männer.“ Jutta Rateike
Frank: Das hat sicherlich auch etwas damit zu tun, dass es für erfolgreiche Wissenschaftlerinnen weniger attraktiv ist, sich als Kommunikatorinnen auszeichnen zu lassen. Hier ist es aus meiner Sicht wichtig, dass erfolgreiche Kommunikation noch stärker auf die Reputation als Forschende einzahlt.

Rateike: Ich glaube, Frauen haben es ganz generell in der wissenschaftlichen Karriere immer noch etwas schwerer als Männer, zumindest in manchen Disziplinen, und da könnten solche zusätzlichen Tätigkeiten, die nicht unmittelbar der Forschung dienen, eventuell auch negative Konsequenzen haben; wir hören ja gerade von jungen Forschenden, dass Engagement in der Kommunikation nicht immer förderlich ist für die Karriere. Möglicherweise zögern junge Wissenschaftlerinnen besonders, hier aktiv zu werden.

Warum finden Sie es wichtig, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aktiv kommunizieren?

Frank: Das Hauptstichwort dabei ist Authentizität. Es geht darum, nicht nur Forschungsergebnisse zu vermitteln, sondern auch Einblicke in Forschungsprozesse, in Rückschläge und Erfolge zu geben. Das können letztendlich nur die Forschenden selbst. Außerdem beobachten wir im Kontext von Transfer und Kooperation, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in diesem Austausch mit der Öffentlichkeit Impulse für ihre eigene Arbeit mitnehmen. Auch das funktioniert eigentlich nur, wenn sie selbst aktiv in den Dialog treten.

Rateike: Die Forschenden sind außerdem diejenigen, die Informationen über ihre Arbeit aus erster Hand liefern, da spielt neben Authentizität auch Glaubwürdigkeit eine wichtige Rolle. Letztlich geht es im Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft auch darum, Vertrauen in die Wissenschaft zu erhalten und zu stärken und dafür ist die direkte Kommunikation ein wichtiger Baustein. Ein weiterer interessanter Aspekt, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler häufiger ansprechen, ist der Nutzen, den die Kommunikation auch der Forschung selbst bringt: Die Fähigkeit, die eigene Arbeit gedanklich und sprachlich so zu fassen, dass sie anderen zugänglich wird, ist auch eine gute Vorbereitung für die Zusammenarbeit mit Forschenden aus anderen Disziplinen.

Braucht es denn insgesamt mehr solcher Anreize?

Frank: Unsere Erfahrung ist, dass monetäre Anreize meistens nur bedingt funktionieren. Es gilt eher, exzellente Kommunikatorinnen und Kommunikatoren besser zu unterstützen und zu entlasten. Da sehe ich Handlungsspielräume und großes Potenzial für Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass es wichtig ist, auch im Rahmen von Projektförderung auf Kommunikation Wert zulegen. Darüber hinaus sind Anerkennung und Wertschätzung als Motivation essenziell.

“Unsere Erfahrung ist, dass monetäre Anreize meistens nur bedingt funktionieren. Es gilt eher, exzellente Kommunikatorinnen und Kommunikatoren besser zu unterstützen und zu entlasten.“ Andrea Frank

Rateike: Das ist ein wichtiger Punkt: Die DFG stellt ja schon seit Längerem Mittel für Wissenschaftskommunikation in DFG-geförderten Forschungsprojekten bereit. Dabei merken wir, dass das Angebot nicht in allen Förderprogrammen so richtig greift. Dafür gibt es vermutlich viele Gründe, aber die angesprochenen Strukturen und Anreizsysteme an den Forschungseinrichtungen spielen sicher eine wichtige Rolle. Als Knackpunkte nennen die Forschenden vor allem Ausbildungsangebote und Ressourcen, insbesondere Zeit für Kommunikation. Ich denke, hier gibt es noch viel Luft nach oben, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besser zu unterstützen.

Was wünschen Sie sich für die Communicator-Preisträgerin oder den Preisträger 2019?

Frank: Ich wünsche mir tolle Bewerberinnen und Bewerber und eine mitreißende Preisträgerin oder einen Preisträger, der oder die Vorbild sein kann für die Wissenschaftscommunity.

Rateike: Ich wünsche mir für die Preisträgerin oder den Preisträger 2019, dass diese Auszeichnung deren oder dessen Engagement noch weiter unterstützen und stärken wird.