Foto: Matt LaVasseur

Fünf Tipps zur Kommunikations­folgenabschätzung

Wie kann man unerwünschte Nebenwirkungen von Kommunikation frühzeitig einschätzen und vielleicht sogar vermeiden? Elisabeth Hoffmann, Pressesprecherin der TU Braunschweig, gibt fünf Tipps, mit denen man die Folgen von Kommunikationsaktivitäten besser kommen sieht und sich vorbereiten kann.

Drei Doktorand*innen stehen in der Teeküche des Instituts für Zoologie. Sie haben sich um ein Bild versammelt. Es zeigt korallenähnliche Strukturen in leuchtendem Rot und blaue, unregelmäßig geformte Punkte: Eingefärbte Tumorzellen, an denen eine der drei für ihre Doktorarbeit geforscht hat. Das Bild soll nun einen Monat lang auch auf der Startseite ihres Instituts präsentiert werden. „Ursache für aggressive Hirntumoren aufgedeckt“ ist der Titel der entsprechenden Meldung. Bild und Text sollen auch auf den Twitter- und Instagram-Kanälen des Instituts verbreitet werden. Ein anderer in der Runde ist allerdings skeptisch. Die Tumorzellen stammen aus einem Zebrafisch, der für die Forschung gezüchtet und getötet wurde.

Elisabeth Hoffmann
„Was ist, wenn jemand nachfragt?“, will er wissen. „Über die Fische im Institut haben wir bisher noch nie öffentlich gesprochen. Vielleicht zieht die Meldung Tierschutzorganisationen an, die vor dem Institut protestieren?“ Für diesen Fall sieht sich die dritte in der Runde gut gewappnet. Sie hat schon mehrmals mit Tierschützer*innen diskutiert und damit gute Erfahrungen gemacht. Zebrafische im Labor seien zudem weniger umstritten als Säugetiere, meint sie. „Wahrscheinlich passiert in dieser Hinsicht gar nichts.“ Doch sie sieht ein anderes Risiko: Kann es sein, dass dieser Meldung bei Lai*innen, insbesondere Patient*innen, die unbegründete Hoffnung auf eine baldige Krebstherapie weckt?

„Ob bewusst oder unbewusst – das Nachdenken über die Wirkung gehört zu jedem kommunikativen Akt.“ Elisabeth Hoffmann
Was die drei hier praktizieren, ist Kommunikationsfolgenabschätzungen: Zu diskutieren, welche Wirkung es jetzt und später haben könnte, Forschung auf eine bestimmte Weise zu kommunizieren. Ob bewusst oder unbewusst – das Nachdenken über die Wirkung gehört zu jedem kommunikativen Akt. Je größer und unbekannter die Gruppe der Empfänger*innen ist, umso wichtiger wird dies. Es ist im Grunde, wie von der Bühne aus in einen dunklen Zuschauer*innenraum hineinzusprechen. Vielen Wissenschaftler*innen bereitet dies ein diffuses Unbehagen. Der Gedanke daran, dass gerade im digitalen Raum Schwierigkeiten lauern könnten, an die man nicht voraussehen kann, hindert manche daran, überhaupt öffentlich zu kommunizieren.

Auch Medien-Profis sind nicht vor Überraschungen gefeit. Sie haben „nur“ gelernt, mögliche Wirkungen systematisch zu beleuchten und besser zu kontrollieren. Fünf Tipps zur Kommunikationsfolgenabschätzung – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Leitlinien beachten

Der beste Weg, unerwünschte Nebenwirkungen von Kommunikation zu vermeiden, ist, von Anfang an nachhaltig zu kommunizieren. Das bedeutet hier, die Botschaften und Inhalte von Beginn an so zu verfassen, dass sie kritischen Fragen auch ohne nachträgliche Erläuterungen oder Relativierungen standhalten. Die Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR beschreiben, wie nachhaltige Wissenschaftskommunikation aussehen kann. Im Anhang gibt es eine Checkliste, die mögliche kritische Fragen von Journalist*innen und Bürger*innen antizipiert. Wer die eigene Arbeit anhand dieser Checkliste abklopft und die Fragen möglichst schon proaktiv beantwortet, kann viele unangenehme Situationen vermeiden.

Betroffenheit einschätzen

Um die Reaktionen auf eine Meldung, einen Post oder Blogbeitrag einschätzen zu können, ist es wichtig, zu bewerten, welche Personen die Nachricht direkt oder im persönlichen Umfeld (Familie, Nachbarschaft, …) betrifft. Könnte diese Meldung sie einschränken oder Anlass zu Hoffnung oder Sorgen bieten? Wären diese berechtigt? Kann die Meldung oder Kommunikationsmaßnahme starke Emotionen auslösen? Können unsere Bilder solche Gefühle provozieren? Manchmal kann dies beabsichtigt sein. Wichtig ist, auf entsprechende Reaktionen gut vorbereitet zu sein.

Die Halbwertszeit beachten

Eine wichtige Kommunikationsmaßnahme sollte so sein wie ein gutes Tattoo: Man sollte auch in fünf Jahren noch stolz darauf sein können. Gerade bei digitalen Inhalten, die über lange Zeit auffindbar bleiben, ist Kommunikationsfolgenabschätzung angezeigt. Dabei geht es nicht darum, ausschließlich das in die Öffentlichkeit zu tragen, was für die Ewigkeit geschaffen ist. Die einfache Frage: „Werde ich auch in Zukunft und unter anderen Rahmenbedingungen noch hinter meinen Aussagen stehen?“ ist bei der Einschätzung hilfreich.

Verlässlich kommunizieren, auch mit Partnern

Forschung und Lehre werden von vielen Bürger*innen daran gemessen, wie verlässlich sie kommunizieren. In aller Regel haben wir in dieser Hinsicht unsere Aussagen gut im Griff. Allerdings kommt es immer seltener vor, dass nur eine Person oder ein Institut für die Inhalte von Kommunikationsmaßnahmen verantwortlich ist. Oft sind Ergebnisse oder auch die Kommunikationsmaßnahmen selbst gemeinsam mit Partnern entstanden und beziehungsweise oder von Dritten finanziert worden. Es lohnt sich, den Blick bei der Folgenabschätzung auch über die Partner schweifen zu lassen. Es ist sinnvoll, die Ansprüche und Erwartungen an die Kommunikation und auch mögliche kritische Reaktionen offen mit den Partnern zu besprechen.

Mit anderen diskutieren

Eine der einfachsten und wirkungsvollsten Maßnahmen in der Kommunikationsfolgenabschätzung ist das Gespräch mit anderen. Das können, wie im Eingangsbeispiel, die Kolleg*innen sein, aber auch Lai*innen, Familienmitglieder, die Taxifahrerin oder der Frisör. Sie haben meist erstaunliche Fähigkeiten, wenn es darum geht, eine Kommunikationsidee oder -maßnahme zu beurteilen. Die Fragen, die sie stellen, weisen oft schon auf mögliche Missverständnisse und Assoziationen hin, die man selbst noch gar nicht auf dem Schirm hatte.