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„Früher oder später kriege ich sie alle“

Ruth Grützbauchs aufblasbares Planetarium passt auf ihr Lastenfahrrad. Die Sternenforscherin bringt so den Weltraum zu den Menschen. Warum sie lieber Neugierde weckt, als reine Fakten zu vermitteln und wie sie mit schwierigem Publikum umgeht, verrät sie im Interview.

Frau Grützbauch, Sie waren jahrelang forschende Astronomin. Nun zeigen Sie Menschen in Ihrem aufblasbaren Planetarium Public Space den Weltraum. Wie kamen Sie auf die Idee?

Ruth Grützbauch ist Astronomin und promovierte in Wien zum Thema Zwerggalaxien. Sie war bis 2017 als Wissenschaftsvermittlerin am Jodrell Bank Discovery Centre bei Manchester tätig. Seitdem ist sie mit ihrem Pop-up-Planetarium unterwegs und gestaltet seit 2020 gemeinsam mit Florian Freistetter den Podcast „Das Universum“.

Ich habe das mobile Planetarium in England kennengelernt, als ich dort als Wissenschaftlerin gearbeitet habe. Da gibt es das Konzept schon länger. Damals habe ich bereits den Gedanken mit mir herumgetragen, aus der Wissenschaft auszusteigen. Mich hat der Gedanke sehr gereizt, mein Wissen weiterzugeben und angewandter zu arbeiten. Im Forschungsbetrieb habe ich viel Zeit vor dem Computerbildschirm verbracht, die direkte Interaktion mit Menschen war mir aber immer wichtig. Daher war ich begeistert von dem Konzept und wollte es ausprobieren.

Wie genau funktioniert das Pop-up-Planetarium?

Es ist ein lichtundurchlässiges Kuppelzelt, das durch einen kleinen Ventilator mit Luft gefüllt wird. Dadurch wird das Zelt nach oben gedrückt. Es ist drei Meter hoch und hat einen Durchmesser von fünf Metern. So passen etwa 25 Personen rein. Im Inneren, ist ein selbstgebauter Projektor mit Fischaugenobjektiv. Die Anleitung dafür habe ich aus dem Internet. So habe ich mir ein Low-Cost Planetariumsprojekt zusammengestellt, das aber wie ein vollwertiges kleines Planetarium funktioniert. Ich zeige keine vorgefertigten Planetarium-Shows, da es mir wichtig ist, dass die Leute Fragen stellen und eine Kommunikation entsteht. Daher nutze ich eine kostenlose Planetariums-Software aus dem Internet, die ich live auf meinem Laptop laufen lasse. Dadurch kann ich die Reise durch den Weltraum spontaner gestalten und auf die Fragen der Besucher*innen eingehen. Bei Kindern funktioniert das sehr gut, die haben keine Skrupel Fragen zu stellen. Erwachsene sind da zurückhaltender, da muss man geduldiger sein.

Sie haben mal gesagt, Ihre Lieblingsfrage von Kindern an Sie ist: „Woher wissen Sie das alles?“ Warum mögen Sie diese Frage?

Im Pop-up-Planetarium nimmt Ruth Grützbauch die Besucher mit auf eine Reise zum Mond. Foto: Tobias Raschbach

Ich mag die Frage, weil es um die Methode geht und nicht um die Fakten. Die Kinder beginnen sich zu fragen, wie man überhaupt zu Wissen kommt und wieso das wichtig für uns ist. Das finde ich viel relevanter bei der Wissenschaftsvermittlung als alle Planeten in der richtigen Reihenfolge aufzählen zu können.

Ihr Planetarium besuchen sowohl Erwachsene, als auch Kinder. Worauf achten Sie bei den unterschiedlichen Zielgruppen?

Für die Astronomie gibt es sehr viel Interesse, aber sehr wenig Wissen. Erwachsene wissen daher gar nicht unbedingt mehr als ihre Kinder. Bei Fünftklässler*innen und ihren Eltern, ist der Wissensunterschied nicht so groß, wie man das vielleicht erwarten würde. Bei den kleinen Kindern geht es mehr um die Erfahrung an sich. Für sie ist es schon aufregend genug, einfach die Sterne zu sehen. Ich mache gerne gemischte Shows für Kinder und Erwachsene, da kann man das Ganze auf verschiedenen Ebenen bespielen. Ich finde es dabei sehr spannend den Erwachsenen zu zeigen, wieviel ihre Kinder schon wissen.

Wie gehen Sie mit schwierigem Publikum um?

Das schwierigste Publikum sind Pubertierende. In dieser Lebensphase ist es uncool begeistert zu sein. Denen sage ich dann manchmal, dass es ok ist, wenn sie ihre Begeisterung nicht zeigen. Sie können im Stillen begeistert sein. Aber durch den eindrucksvollen visuellen Effekt, wenn wir beispielsweise zu fernen Galaxien fliegen, können sie eigentlich gar nicht cool bleiben. Früher oder später kriege ich sie alle (lacht). Das Thema ist einfach sehr dankbar, weil es uns alle interessiert

„Es geht um das Entfachen der Neugierde" Ruth Grützbauch

Was möchten Sie mit Ihrem Planetarium bei den Kindern erreichen?

Ich möchte Kindern die Augen öffnen und ihren Horizont erweitern. Das sind oft abgenutzte Begriffe, aber im Grunde genommen, ist es genau das, worum es geht. Ein Öffnen nach oben und somit ein Blick in eine andere Richtung. Diese ganzen absurden Phänomene da draußen, wie schwarze Löcher, das ist etwas, das geht an die großen philosophischen Fragen. Das ist wichtig um zu erkennen, wo wir in dieser riesigen Galaxie eingebettet sind und wie unbedeutend wir eigentlich alle sind. Darum geht es mehr, als um die reine Faktenvermittlung. Es geht um das Entfachen der Neugierde.

Reizt es Sie an der Wissenschaftskommunikation, dass sie etwas bei den Menschen bewirken können?

Im Gegensatz zur Forschung ist es ein dankbarer Beruf, weil man Feedback bekommt. Es ist schön, in dem Moment dabei zu sein, wenn die Leute begeistert sind und „Wow“ sagen und ich in die leuchtenden Augen schaue. Ich bin dabei, wenn ein Kind vielleicht das erste Mal etwas versteht und sagt: „Ach so ist das!“  Bei dem Moment der Erkenntnis dabei sein zu können, das ist sehr reizvoll.

„Bei dem Moment der Erkenntnis dabei sein zu können, das ist sehr reizvoll“ Ruth Grützbauch

Haben Sie das Gefühl, Leute erreichen zu können, die sonst vielleicht nie ein Planetarium besuchen würden?

Ich kann zu den Leuten hingehen, das ist die große Stärke des mobilen Planetariums. Ein großes Planetarium, oder ein Museum, können das nicht so leicht, weil sie ortsgebunden sind. Ich kann überall aufkreuzen, bei einem Sommerfest im Park, in der Fußgängerzone, beim Straßenfest. Dort erwarten die Leute das gar nicht. Dadurch habe ich einen ganz anderen Zugang zu den Besucher*innen, weil sie nicht darauf eingestellt sind. Dieses Überraschungselement bewirkt, dass das Erstaunen oft noch größer ist.

Was waren damals die größten Herausforderungen bei der Planung und Umsetzung des Planetariums?

Anfangs war das Problem, das Projekt unter die Leute zu bringen. Bei Lehrkräften läuft viel über mündliche Empfehlungen. Es hatte einige Monate gedauert, bis ich da reingekommen bin und von Schulen gebucht wurde. Ich habe damals auch viele Networking-Veranstaltungen besucht, wo ich so vielen Leuten wie möglich von dem Projekt erzählt habe. Da habe ich mir den Mund fusselig geredet, aber es hat gefruchtet. Es lief sehr gut, bis die Pandemie kam. Bis dahin konnte ich mich über etwa 15 000 Besucher*innen freuen.

Was haben Sie zukünftig geplant?

Ich habe im Lockdown ein Buch geschrieben. Das war eine Herausforderung und ein riesiges Projekt, aber es hat mir viel Spaß gemacht. Gerne möchte ich in dieser Richtung weiter machen. Aber sobald es geht möchte ich wieder mit dem Planetarium unterwegs sein. Das fehlt mir gerade sehr. Dieser Kontakt, die direkte Interaktion mit Leuten, das ist eigentlich das, warum man Wissenschaft betreibt. Die Vermittlung gehört einfach zur Wissenschaft dazu, wird aber leider immer noch als Stiefkind behandelt

„Das persönliche Element ist das, was die Leute packt“ Ruth Grützbauch

Was raten Sie Leuten, die auch ein ausgefallenes Wisskomm-Projekt planen?

Macht es einfach und lasst euch nicht von irgendwelchen Stimmen davon abbringen. Mir haben anfangs auch viele Leute gesagt: super Projekt und lustige Idee, aber es wird schwierig davon zu leben. Ich habe aber gewusst, wenn ich es nicht ausprobiere, werde ich es immer mit mir herumtragen. Gerade die Wissenschaftskommunikation ist noch so offen, desto mehr unterschiedliche Projekte es gibt, umso besser. Ich finde es sehr wichtig, dass mehr aktive Forschende in der Vermittlung tätig sind. Es ist wichtig, dass Leute mit echten Forscher*innen zu tun haben. Das persönliche Element ist das, was die Leute packt.