Foto: Karo Krämer/WiD

Es gibt nicht die eine Form der Partizipation!

Bürger*innen können auf vielfältige Weisen an Wissenschaft und Forschung teilhaben. Kathrin Kösters vom Futurium Berlin beschreibt verschiedene Formen und Formate partizipativer Wissenschaftskommunikation im Gastbeitrag. Ein Versuch der Veranschaulichung.

Partizipation ist in aller Munde. Auch im Zusammenhang mit Wissenschaftskommunikation stolpert man häufiger über den Begriff der „partizipativen Wissenschaftskommunikation“. Doch was ist damit gemeint, was nicht? Und an welche Erfahrungen aus der Praxis lässt sich anknüpfen?

Partizipative Wissenschaftskommunikation meint für mich zuerst eine interaktive, wechselseitige Form von Wissenschaftskommunikation, bei der ein Dialog zwischen unterschiedlichen Akteur*innengruppen entsteht. Ziel ist dabei ein mit- und voneinander Lernen. Das Ergebnis ist umso bereichernder, je vielfältiger der Austausch ist.

In allen partizipativen Formaten stellt sich immer die Frage nach den beteiligten Personen, geeigneten Methoden und dem Ziel der Partizipation. Das klingt banal, ist aber in der Praxis oft nicht einfach zu balancieren: Je diverser der Background der beteiligten Personen (beispielsweise in Hinblick auf Erfahrung, Wissenshierarchien, Science Capital), desto mehr Zeit braucht es, eine gemeinsame Sprache, gemeinsame Begrifflichkeiten zu finden. Je offener der Prozess gestaltet ist, desto voraussetzungsreicher (und aufwändiger) ist die Beteiligung. Je klarer definiert das Ziel ist, desto anspruchsvoller ist es wirklich ergebnisoffen zu arbeiten. Schon bei diesem ersten Blick auf Herausforderungen wird klar, dass es nicht die eine Form von gelungener Partizipation geben kann.

#FactoryWisskomm
In der #FactoryWisskomm haben im Vorjahr über 150 Expert*innen auf Einladung des BMBF Empfehlungen zur Zukunft der Wissenschaftskommunikation ausgearbeitet. Die „Arbeitsgruppe Wissenschaftskommunikation und Partizipation“ nennt in ihrem Kapitel drei Formen der partizipativen Wissenschaftskommunikation als Ergänzung zu vorwiegend informierenden Kommunikationsformaten.1

  • Partizipation in Bezug auf Ziele, Agenda, Governance, Rahmenbedingungen von Forschung (wie Bürger*innen-Dialoge, Konsensuskonferenzen, Konsultationen, Beteiligung von Stakeholder*innen in entsprechenden Gremien)
  • Partizipation als direkte Beteiligung an Forschung (beispielsweise Citizen Science, Open Science)
  • Partizipation im Sinne von Erleben, Mitmachen und Mitdiskutieren als wechselseitiges Lernerlebnis für alle Beteiligten (beispielsweise in Science Centern, Schüler*innen-Laboren)

Für jeden dieser Punkte gibt es viele gelungene Beispiele.

Beteiligung an der Forschungsagenda
In Deutschland läuft 2022 das Wissenschaftsjahr „Nachgefragt“. Jede*r ist eingeladen, eigene Fragen für die Wissenschaft einzureichen. In einem partizipativen Verfahren werden die gesammelten Fragen gemeinsam mit Wissenschaftler*innen und Bürger*innen ausgewertet und weiterentwickelt. Gegen Ende des Jahres sollen die Ergebnisse als Anregung für Politik und Wissenschaft in weitere Prozesse einfließen.

Auf EU-Ebene fand 2014 ein ähnliches Vorhaben zur Priorisierung von Forschungsagenden statt: In dem Projekt „Voices for Innovation“ wurden in Science Centern und Museen in über 30 Ländern Fokusgruppen mit Bürger*innen organisiert. Die innovativsten Ideen der Teilnehmenden wurden für die Entwicklung des damals entstehenden Horizon 2020 Förderprogramms der Europäischen Kommission berücksichtigt. Einen Überblick über derartige „Research Priority Setting“-Projekte gibt die Projektdatenbank des Zentrums für Open Innovation in Science des Ludwig Bolzmann-Instituts (OIS). Hier findet sich eine wachsende Sammlung von bisher bereits knapp 800 englischsprachigen Projekten.

Beteiligung an der Forschung
Citizen Science (auf deutsch: Bürger*innenwissenschaften) lädt Bürger*innen ein, sich gemeinsam mit Wissenschaftler*innen aktiv an der Produktion von neuem Wissen zu beteiligen. Dabei gibt es, je nach Ansatz der einzelnen Projekte, entlang des kompletten Forschungsprozesses unterschiedliche Anknüpfungspunkte: Im Projekt „Emotionale Stadt“, indem stress- und resilienzfördernde urbane Räume untersucht werden, sind Bürger*innen beispielsweise an der Fragebogenentwicklung, am Datensammeln und an der Interpretation der Ergebnisse beteiligt. Andere Projekte wie „Social Media History“ ziehen Bürger*innen direkt darin ein, die Forschungsfragen und -methoden zu entwickeln.

Erleben, Mitmachen, Mitdiskutieren
Aus dem Bildungsbereich gibt es mit „Forschendem Lernen“ (englisch: Inquiry Based Science Education, kurz IBSE) ein verwandtes Konzept. Hier steht nicht die Produktion von neuem Wissen im Mittelpunkt, sondern der Wissensgewinn der beteiligten Schüler*innen: Sie definieren eine Forschungsfrage, sammeln Daten und Beobachtungen, werten diese aus und präsentieren ihre Ergebnisse. So sollen die Schüler*innen Forschungsprozesse ergebnisoffen in der Praxis kennenlernen. Für die direkte Umsetzung erprobt sind beispielsweise die Unterlagen aus dem EU-Projekt Pri-Sci-Net, in dem Materialien für Forschendes Lernen in der Grundschule entwickelt wurden.

Problemlösungskompetenzen werden auch beim Tinkering, einer Art technischem Basteln, trainiert. Dessen vielfältige Einsatzmöglichkeiten haben in den vergangenen Jahren zu einem regelrechten Boom geführt. Die Teilnehmenden versuchen eine kreative Aufgabe zu lösen, der Weg dahin ist offen. Versuch und Irrtum, Frust und Euphorie sind fixer Teil des Lernprozesses – und zwar unabhängig vom mitgebrachten Vorwissen.

Wenn es ums Mitdiskutieren geht, bieten Diskussionsspiele wie das Frame Game playDecide einen guten Rahmen, um Teilnehmende ins Gespräch zu bringen. Ob „Expert*innen“ oder „Lai*innen“, mithilfe von bunten Karten, ein paar Spielregeln und inhaltlichen Inputs wird ein echter Dialog angeregt, bei dem idealerweise alle Beteiligten ein wenig schlauer nach Hause gehen.

To be continued…
Während in Museen partizipative Formate als Beteiligung von Besucher*innen in Bezug auf die Entwicklung von Ausstellungsinhalten, Sammlungen und Vermittlungsformaten eine längere Tradition haben, spielen die oben genannten Formate nun auch zunehmend in Science Centern, Natur- und Technikmuseen eine wichtigere Rolle. Als dritte Orte, an denen sich per se unterschiedliche Menschen treffen, sind sie gemeinsam mit guten Kooperationspartnern aus Wissenschaft und Forschung als Begegnungs- und Dialogorte prädestiniert. Und die Liste von Good-Practise Beispielen wächst zum Glück stetig.