Bild: Florian Biermeier

Die CRISPR-Flüsterer

Die „Gen-Schere“ CRISPR-Cas sorgt weltweit für Aufsehen. Mit dem Projekt CRISPR-Whisper wollen Forschende das Verständnis für die wissenschaftlichen Grundlagen und die vielfältigen Einsatzbereiche der Methode fördern – unter anderem mit Hilfe von Comics.

Günter, das Virus, Walter, das Cas-Enzym, und Leopold, der etwas verschrobene und hagere Wissenschaftler, haben bei CRISPR-Whisper ihren großen Auftritt: Die sympathischen Figuren sind die Protagonisten in einem Wissenschaftscomic und sollen dem Publikum auf unterhaltsame Weise vermitteln, wie die „Gen-Schere“ CRISPR-Cas funktioniert. Die Comics sind ein zentraler Teil der Kommunikationsstrategie bei CRISPR-Whisper, unserem Wissenschaftskommunikations-Projekt, das zum DFG-Schwerpunktprogramm „Weitaus mehr als nur Verteidigung: die vielen verschiedenen Funktionen des CRISPR-Cas-Systems“ (SPP 2141) gehört.

Das Thema Gentechnik ist komplex und für interessierte Laien oft unverständlich. Hier setzt CRISPR-Whisper an. Dabei geht es uns weniger um konkrete Anwendungen der Methode in Medizin und Pflanzenzucht, sondern vor allem um bislang ungeklärte Phänomene rund um CRISPR-Cas und darum, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf ihre Ideen kommen und diese weiterentwickeln – also kurz gesagt, um Grundlagenforschung.

Grundsätzlich steht das Projekt auf zwei Beinen: einem Blog und einer Roadshow (siehe unten). Beide Aktivitäten werden vom Verein Science Bridge e. V. an der Universität Kassel organisiert, der bereits seit mehr als 20 Jahren Schüler- und Bürger-Laborkurse anbietet. Das Besondere am Blog ist der Zugang über witzige Illustrationen von Comic-Zeichnern. Wolfgang Nellen, Genetik-Professor a. D. an der Universität Kassel und Mitinitiator des Projektes, hält dies für eine gute Methode, um die aktuelle Forschung zu CRISPR-Cas greifbar und begreifbar zu machen. Auch lässt sich auf diese Weise spielerisch erklären, warum Grundlagenforschung so wichtig ist. Das Projekt wird von der Molekularbiologin Heike Ziegler geleitet. Daneben gehören Susanne Günther, Wolfgang Nellen und eine Gruppe von fortgeschrittenen Biologiestudierenden des Vereins Science Bridge e. V. zum Team, nicht zu vergessen die Zeichnergruppe mit Lukas Kummer, Sheree Domingo und Florian Biermeier.

Wissenschaftscomic „Die CRISPR-Story – Teil 1/3“
In Comics werden die Grundlagen des CRISPR-Cas-Systems und weitere Forschungsergebnisse erklärt. Hier Teil 1 des grundlegenden Comics „Die CRISPR-Story“. Bild: Lukas Kummer

Den wissenschaftlichen Hintergrund bildet die Entdeckung des CRISPR-Cas-Mechanismus vor etwas mehr als zehn Jahren. Damit wurde ein wichtiger Abwehrmechanismus von Bakterien beschrieben. Die daraus entstandenen gentechnischen Werkzeuge, mit denen sich gezielt an bestimmten Stellen des Erbguts Mutationen auslösen lassen, sind in den Medien als „Gen-Schere“ populär geworden. Doch CRISPR-Cas in Bakterien hat viele weitere Funktionen neben seiner Rolle in der Immunabwehr. Dazu gehören die Beteiligung an der DNA-Reparatur (zum Beispiel nach Strahlungsschäden) sowie die Regulation der Stresstoleranz, der Biofilmbildung und der krankmachenden Wirkung von Bakterien. Was die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Schwerpunktprogramm dazu herausfinden, soll mit Hilfe von CRISPR-Whisper verständlich werden.

Ursprünglich war geplant, dass die Forschenden im Programm selbst kleine Blogbeiträge über ihre tägliche Arbeit schreiben. Dieser Plan hat sich allerdings nur als begrenzt realisierbar erwiesen. Unsere Projektleiterin Heike Ziegler, die an der Universität Kassel am Institut für Biologie als Postdoc und Wissenschaftliche Koordinatorin von Science Bridge arbeitet, erklärt dies so: „Die Forscherinnen und Forscher sind mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit ausgelastet. Für den Kontakt mit der Öffentlichkeit fehlen meist die Zeit und die Erfahrung. Manchmal bestehen auch Berührungsängste vor dem Kontakt mit der Öffentlichkeit. Hier müssen wir noch Brücken bauen.“

Gentechnikzelt auf dem Science-Festival „Children of Doom“ in Berlin
Pop-up-Genlabor auf dem Science-Festival „Children of Doom“: Interessierte Besucherinnen und Besucher konnten hier selbst ein CRISPR-Cas-Experiment durchführen. Foto: Science Bridge / Dr. Heike Ziegler

Wie dieser Brückenbau gelingen kann, wurde im Februar deutlich, als die Roadshow des Projekts in Kassel Premiere feierte. Mit Lennart Randau, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg, präsentierte CRISPR-Whisper einen Wissenschaftler aus dem Schwerpunktprogramm, der sich auf der Bühne mit Comic-Zeichner Lukas Kummer über CRISPR-Cas austauschte. Dabei gewannen die Zuhörenden Einsichten wie die, dass jeder von uns Billionen von Bakterien mit sich herumträgt – und damit auch Billionen von CRISPR-Systemen. Allein zu diesem Dialog-Vortrag kamen rund 60 Gäste.

Teil zwei der Roadshow war ein Science-Café, in dem die Biologiestudentin und Zeichnerin Alexandra Fachinger pointiert die Frage erörterte, ob man mit CRISPR-Cas Einhörner basteln kann. Die rund 35 Gäste griffen das Thema auf und diskutierten drei Stunden lang angeregt in angenehmer Kneipen-Atmosphäre über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Genom-Editierung. Zehn Teilnehmende aus dem Dialogvortrag und dem Science-Café wollten es ganz genau wissen und kamen zum dritten Teil der Roadshow, einem Laborkurs an der Universität, in dem sie selbst – unter Anleitung des Science-Bridge-Teams – ein CRISPR-Cas-Experiment durchführen konnten.

Im Mai war CRISPR-Whisper beim Science-Festival „Children of Doom“ in Berlin dabei und führte in einem eigens eingerichteten Gentechnikzelt (Sicherheitsstufe S1) gleich drei Mal ein CRISPR-Cas-Experiment mit interessierten Besucherinnen und Besuchern durch. Das wollen die CRISPR-Flüsterer noch überbieten, wenn die Roadshow im September und im Oktober in Berlin Station macht – wir sind gespannt auf die Rückmeldungen unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmer!

 

Die CRISPR-Whisper-Roadshow

Das Projekt macht im September und Oktober mit den folgenden Terminen Station in Berlin:

 

Revolution in der Genomeditierung – wo sind die Grenzen?

Dialogvortrag mit Prof. Dr. Detlef Weigel, Direktor am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, Tübingen, und Sheree Domingo, Zeichnerin und Illustratorin, Berlin

6. September 2019, 19:30 Uhr, Museum für Naturkunde Berlin,

 

Laborkurs, CRISPR-Whisper-Experiment: Aus blau mach weiß

7. September 2019, 10:00–17:00 Uhr, Gläsernes Labor, Campus Berlin-Buch, Robert-Rössle-Str. 10, 13125 Berlin-Buch

Anmeldung erforderlich unter: https://bit.ly/2G5d1Ep

 

Gene editing: Enhance yourself!

Science Café mit Karla Hajman („Stereochemistry“)

10. September 2019, 19:00 Uhr, The Castle, Invalidenstr. 129, 10115 Berlin

 

CRISPR-Cas: im Spannungsfeld zwischen Genchirurgie und Verantwortungsbewusstsein

Dialogvortrag mit Prof. Dr. Dina Grohmann, Lehrstuhl für Mikrobiologie, Universität Regensburg, und Sheree Domingo, Zeichnerin und Illustratorin, Berlin

1. Oktober 2019, 16:00 Uhr, Zeiss-Großplanetarium, Prenzlauer Allee 80, 10405 Berlin

 

Laborkurs, CRISPR-Whisper-Experiment: Aus blau mach weiß

5. Oktober 2019, 10:00–17:00 Uhr, Gläsernes Labor, Campus Berlin-Buch, Robert-Rössle-Str. 10, 13125 Berlin-Buch

Anmeldung erforderlich unter: https://bit.ly/2G5d1Ep

 


Projektsteckbrief

Träger: Leiterin des DFG-Projekts ist Dr. Heike Ziegler, Institut für Biologie der Universität Kassel. Die Durchführung erfolgt durch den Verein Science Bridge e. V. an der Universität Kassel.

Förderung: CRISPR-Whisper ist ein Teilprojekt des Schwerpunktprogramms 2141 „Weitaus mehr als nur Verteidigung: die vielen verschiedenen Funktionen des CRISPR-Cas-Systems“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Budget/Finanzierung: Das Projekt wird mit 180.000 € von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Die Laufzeit beträgt drei Jahre. Die Joachim-Herz-Stiftung fördert Science Bridge e.V. mit 24.600 € für die Zusammenarbeit mit Künstlern für das Projekt.

Ziele: In enger Zusammenarbeit mit den Forschenden des DFG-Schwerpunktprogramms sollen die Inhalte einem breiteren Publikum vermittelt und damit die Diskussion auch ethischer Aspekte angestoßen werden.

Zielgruppen: CRISPR-Whisper spricht ein wissenschaftsaffines Publikum an. Grundkenntnisse in moderner Biologie werden nicht vorausgesetzt, sondern sollen im Blog sowie bei den Veranstaltungen vermittelt werden.

Zahlen zur Zielerreichung: Seit Ende November hatte der Blog mehr als 3.800 Besucher. Ende August 2019 hatte CRISPR-Whisper 327 Follower auf Twitter sowie 369 Abonnenten auf Facebook. Es wurden in Kassel und Berlin insgesamt fünf Laborkurse mit jeweils rund zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmern absolviert. Zu den bislang zwei Science-Cafés und einem Dialogvortrag kamen zwischen 35 und 60 Gästen.

Weitere Informationen: Unter https://crispr-whisper.de/ (Blog) oder www.sciencebridge.net/

 



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