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„Beste Voraussetzungen“ – Wissenschaft beim Literaturfestival

Seit zwölf Jahren organisieren die Göttinger Max-Planck-Institute eine Wissenschaftsreihe beim Festival Literaturherbst. Pressesprecherin Carmen Rotte erklärt im Interview, wie die Kooperation funktioniert, warum starke und bekannte Vortragende wichtig sind und wie man es schafft, dass das Publikum begeistert ist und wiederkommt.

Frau Rotte, was können Ihre Forschungseinrichtungen dem Publikum eines Literaturfestivals bieten?

Wir laden in der Wissenschaftsreihe beim Göttinger Literaturherbst jedes Jahr acht bis zehn Forscherinnen und Forscher sowie Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten dazu ein, über ihre spannenden Ergebnisse und aktuelle Themen in der Forschung allgemeinverständliche Vorträge zu halten. Dabei reicht das Spektrum von den Naturwissenschaften bis hin zu den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Die meisten unserer Sprecherinnen und Sprecher haben aktuelle Bücher veröffentlicht. Die Idee ist allerdings nicht, eine Lesung zu veranstalten. Wir suchen Vortragende, die ihr Thema spannend und frei präsentieren und das Publikum zum Dialog ermuntern.

Wie wählen Sie die Sprecher aus?

Carmen Rotte leitet seit 2007 die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am <a class="" href="https://www.mpibpc.mpg.de/de" target="_blank" rel="noopener">Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie</a> in Göttingen. Sie hat an der Universität Oldenburg Biologie studiert und an der Universität Düsseldorf im selben Fach promoviert. Als Postdoktorandin forschte sie an den Universitäten in Marburg und Göttingen. Foto: Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
Carmen Rotte leitet seit 2007 die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Sie hat an der Universität Oldenburg Biologie studiert und an der Universität Düsseldorf im selben Fach promoviert. Als Postdoktorandin forschte sie an den Universitäten in Marburg und Göttingen. Foto: Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie

Wir recherchieren jedes Jahr, wer gerade ein aktuelles Buch geschrieben oder herausragende wissenschaftliche Ergebnisse veröffentlicht hat. Die Auswahl trifft dann der Beirat der Wissenschaftsreihe, der aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der fünf Göttinger Max-Planck-Institute besteht. In seiner Entscheidung wird dieser von den Pressesprecherinnen und Pressesprechern der Institute und der Göttinger Literaturherbst GmbH unterstützt. Wir lesen die Bücher, beurteilen die Reputation der jeweiligen Autorinnen und Autoren, und schauen uns auch das eine oder andere Youtube-Video an, um zu sehen, ob die Leute mitreißend und gut verständlich präsentieren können. Das ist uns sehr wichtig. Manchmal laden wir daher auch Personen ein, die zwar kein aktuelles Buch geschrieben haben, aber fantastische Forschung machen und ihr Thema besonders gut rüberbringen können. Das war etwa bei der deutsch-amerikanischen Meeresbiologin Nicole Dubilier letztes Jahr der Fall, die ihre Zuhörerinnen und Zuhörer wunderbar auf ihre meeresbiologischen Expeditionen „mitnimmt“. Mit diesem Auswahlverfahren sind wir seit Beginn des Projektes sehr erfolgreich. Die meisten unserer Veranstaltungen sind ausverkauft.

Wie erklären Sie sich das?

Es ist uns bereits in den ersten Jahren recht gut gelungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit hoher internationaler Reputation nach Göttingen einzuladen, die natürlich ein Publikumsmagnet sind. Wir hatten beispielsweise den Physiker Brian Greene und den Philosophen Daniel Dennett aus den USA zu Gast, den britischen Evolutionsbiologen Richard Dawkins oder den amerikanischen Physiker, Kognitionswissenschaftler und Pulitzerpreisträger Douglas R. Hofstadter. Dies hilft sehr, auch zukünftig internationale Spitzenforscherinnen und -forscher für die Reihe zu gewinnen.

Laden Sie auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Max-Planck-Instituten ein?

Ja, wir hatten hervorragende Sprecherinnen und Sprecher anderer Max-Planck-Institute zum Vortrag hier, beispielsweise Ute Frevert, Gerd Gigerenzer oder Wolf Singer. Forscherinnen und Forscher der lokalen Max-Planck-Institute sind durch ihre Vorträge und andere öffentliche Veranstaltungen wie die Nacht des Wissens in Göttingen bereits in der Stadt sehr präsent, sodass für diese die Moderatorenrolle sehr gut passt.

Wen erreichen Sie mit der Wissenschaftsreihe?

Das Publikum ist bunt gemischt: Schülerinnen und Schüler, Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und natürlich die breite Öffentlichkeit. Manche unserer Besucherinnen und Besucher kommen seit mehreren Jahren regelmäßig zu den Veranstaltungen. Dazu kommen Gäste, die sich ganz konkret für ein Thema interessieren. Beim Vortrag über Bienen von Jürgen Tautz saßen beispielsweise viele Hobby-Imker im Publikum. Außerdem bieten wir einige Veranstaltungen auf Englisch an. Damit erreichen wir einen Personenkreis, der sonst aufgrund der Sprachbarriere an deutschen Veranstaltungen nicht teilnehmen kann. Attraktiv macht unsere Reihe sicher nicht zuletzt unser Veranstaltungsort: der wunderschöne, historische Lesesaal in der Göttinger Paulinerkirche mit Platz für etwa 200 Personen. Unsere Reihe ist damit keine Massenveranstaltung, was uns für den Dialog mit dem Publikum wichtig ist. Dieser funktioniert im kleinen Rahmen einfach besser.

Kommt das Publikum dann nachher auch eher zu Veranstaltungen in Ihren eigenen Instituten

Ja, wir haben ab und zu die Rückmeldung bekommen, dass Gäste durch die Wissenschaftsreihe auch auf andere Veranstaltungen unserer Institute wie zum Beispiel den Max-Planck-Tag aufmerksam geworden sind.

Wie kam es überhaupt zu der Kooperation mit dem Literaturfestival?

Unter Forscherinnen und Forschern gibt es viele, die herausragende Bücher über ihr Gebiet für die allgemeine Öffentlichkeit geschrieben haben. Da war es für uns vor zwölf Jahren naheliegend, mit einer wissenschaftlichen Vortragsreihe an ein bereits fest etabliertes Literaturfestival anzudocken. Zu unserem großen Glück dachte der Göttinger Literaturherbst damals in eine ganz ähnliche Richtung und wir konnten gemeinsam mit der Göttinger Literaturherbst GmbH und der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek eine sehr gut funktionierende Partnerschaft für die Reihe aufbauen. So profitieren wir von der Strahlkraft des Literaturherbst-Festivals, das es nun bereits seit 27 Jahren in Göttingen gibt, von dessen technischer Infrastruktur und der Werbung. Und erreichen wir auch Menschen, die wir über unsere eigenen Kanäle vermutlich nicht ansprechen würden.

Würden Sie anderen Wissenschaftsinstitutionen empfehlen, sich ebenfalls mit einem Literaturfestival zusammenzutun?

Unsere Erfahrung hier in Göttingen zeigt, dass es sich lohnt. Aber: Wir profitieren davon, dass wir in der Stadt sehr viele wissenschaftsbegeisterte Menschen haben. Und wir profitieren natürlich auch davon, dass das Göttinger Literaturfestival inzwischen das größte in Norddeutschland ist. Das sind beste Voraussetzungen für den Erfolg einer eigenen Reihe über Wissenschaft bei einem solchen Festival. Ein guter Ansatz ist es sicher, offen zu schauen, wo sich in der eigenen Stadt eine wissenschaftliche Veranstaltung aufhängen lässt.