Foto: Anna Euteneuer

Wissenschaft auf der Seifenkiste

Forschung für die breite Öffentlichkeit verständlich machen und Frauen in der Wissenschaft sichtbar machen: Das sind die Ziele von „Soapbox-Science“. Im August fand das Rheinland-Event der Initiative in Köln statt, bei dem Wissenschaftlerinnen über ihre Arbeit sprachen.

In Zeiten des Internets erscheint es recht altmodisch, sich in belebten Innenstädten auf Holzkisten zu stellen, um möglichst viele Menschen anzusprechen. Doch genau dieses Konzept setzten zwölf Wissenschaftlerinnen beim Rheinland-Event der Initiative „Soapbox-Science“ um. In der Kölner Innenstadt wagten sie sich auf die kleine Bühne in Form einer Holzkiste und sprachen mit Passant*innen über ihre Forschung.

Eine Kiste für die Wissenschaft

Eine Sprecherin berichtet über „Das Abenteuer einer Wissenschaftlerin und ihrer kleinen Wurm-Assistenten“. Foto: Anna Euteneuer

Die Idee hinter „Soapbox-Science“ stammt ursprünglich von Seirian Sumner und Nathalie Pettorelli, zwei Biologinnen aus Großbritannien. Angelehnt an den Londoner Speaker‘s Corner sollen öffentliche Orte auf der ganzen Welt in eine Arena für Lernen und Debattieren verwandelt werden. Dazu werden Holzkisten (im Englischen „Soapboxes“ genannt) aufgestellt, auf die sich Wissenschaftler*innen stellen und über ihre Forschung sprechen. Alle Menschen sollen die Möglichkeit haben, auf diese Weise von Forschenden zu lernen, ihnen Fragen zu stellen, mit ihnen zu interagieren und sich von ihnen inspirieren zu lassen. Gestartet ist „Soapbox-Science“ im Jahr 2011 im Heimatland der Gründerinnen, Großbritannien, doch zehn Jahre später haben sich Institutionen in 45 Ländern auf der ganzen Welt das Konzept der Initiative zu eigen gemacht.

Wissenschaft zu den Menschen bringen

„Soapbox-Science“ hat zwei Hauptziele: Wissenschaft leicht verständlich in die breite Öffentlichkeit zu kommunizieren und Frauen in der Wissenschaft sichtbar zu machen“, erklärt Marie-Luise Hebestreit, selbst Forscherin und Mitorganisatorin des Rheinland-Events. Für das Event wurden vier Holzkisten in der Kölner Innenstadt aufgebaut, auf die sich die Wissenschaftlerinnen stellten, um über ihre Forschung zu berichten. Jeweils vier Sprecherinnen stehen an dem Samstagnachmittag eine Stunde auf den kleinen Bühnen, bevor getauscht wird und andere Kolleginnen das Holz betreten.

Blanca Jurado-Mestre ist eine der Sprecherinnen beim Rheinland-Event. Sie ist Doktorandin am Institut für Molekulare Medizin und Experimentelle Immunologie des Universitätsklinikums Bonn und spricht über „Die Bedeutung der Erholung des Immunsystems“. Mit einfachen Vergleichen möchte die studierte Mikrobiologin dieses Thema begreifbar machen: „Unser Immunsystem ist wie ein Sportteam: Jede Zelle ist ein Spieler im Team. Nach einem Wettkampf ist es wichtig, dass sich die Spieler erholen können.“

Und solche niederschwelligen Erklärungen kommen an: Viele Passant*innen unterbrechen ihren Weg und bleiben interessiert vor den Seifenkisten stehen. „Ich hätte nicht erwartet, dass sich fachfremde Leute samstagnachmittags Zeit nehmen und mit mir über meine Forschung reden möchten“, resümierte eine Sprecherin. So bleibt es auch nicht beim stummen Zuhören, sondern es ergeben sich vielfältige und unerwartete Konversationen zwischen den Zuschauenden und den Sprecherinnen. „Ich genieße die Gespräche mit den Forscherinnen und ich würde mir wünschen, dass es solche Veranstaltungen viel öfter gibt“, sagt ein Zuschauer nach dem Event.

Frauen und Vielfalt in der Wissenschaft zeigen

Das Rheinland-Event der Initiative „Soapbox-Science“ in Köln wurde hauptverantwortlich von den Exzellenzclustern CECAD und ImmunoSensation organisiert. Foto: Chiara Bruno

Auch die Darstellung der Vielfalt wissenschaftlicher Fachbereiche spielt bei „Soapbox-Science“ eine Rolle. Daher haben für die Organisation des Rheinland-Events mehrere Institutionen mit unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten kooperiert. Wissenschaftlerinnen aus der Quantenphysik, der Archäologie bis hin zur Alters- und Pflanzenforschung waren vertreten. Somit ergab sich ein breites Spektrum an Themen, das vom Essen in der Vergangenheit zwischen den Jahren 5500 und 3500 vor unserer Zeitrechnung über Schrödingers Katze bis zur Schutzwirkung von Mikroben für Pflanzen reicht.

Es geht aber nicht nur um Inhalte: „Wenn wir an Wissenschaft denken, stellen wir uns normalerweise Männer vor, die dort arbeiten“, erklärt Blanca Jurado-Mestre. „Soapbox-Science“ sei eine gute Möglichkeit, um die Position der Frauen in der Wissenschaft zu stärken, indem Wissenschaftlerinnen öffentlich sichtbar gemacht werden und mit anderen in Kontakt treten. Eine Zuschauerin bestätigt: „Ich als Frau hatte selbst nicht im Kopf, dass Wissenschaft auch von Frauen betrieben wird. Das ist mir erst durch die Veranstaltung bewusst geworden.“

Auch die Organisator*innen des Events wirken zufrieden: „Mich begeistert es, den Leuten zu zeigen, was Frauen in der Wissenschaft den ganzen Tag so machen“, sagt Marie-Luise Hebestreit. „Und wenn wir nur zwei oder drei Leuten etwas mitgeben können, hat sich die Veranstaltung schon gelohnt.“