Foto: G. Crescoli, CC0

Wirtschaftswissenschaften nachhaltig kommunizieren

Es empfiehlt sich, achtsam zu bleiben und möglichst im Vorfeld die potenziellen Folgen der eigenen Veröffentlichungen abzuschätzen, schreibt Jutta Gröschl. Im Gastbeitrag teilt die Pressesprecherin des Instituts für Mittelstandsforschung ihre Erfahrungen in der Kommunikation zu Themen aus den Wirtschaftswissenschaften.

Wähler von populistischen Parteien zeichnen sich durch Angst vor der eigenen Zukunft und der Deutschlands aus. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Von A wie Angst bis Z wie Zuversicht“ von GMS und Emnid, die im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung erstellt und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) Ende Mai 2018 veröffentlicht wurde. Auf der anderen Seite kann man jeden Tag im Informationsdienst Wissenschaft (IDW) lesen, wie erfolgreich die Wissenschaft hierzulande ist und welcher positive Nutzen für unsere Gesellschaft in Zukunft erwartet werden kann. Viele dieser wissenschaftlichen Leistungen, die Zuversicht und Vertrauen in die Leistung der Gesellschaft verbreiten könnten, kommen aber offenkundig nicht in dem Maße in der Öffentlichkeit an, wie es wünschenswert wäre.

„In manchen wissenschaftlichen Bereichen wird inzwischen geradezu erwartet, in den Sozialen Medien gezielt aktiv zu werden.“ Jutta Gröschl, IfM
Wie aber kann es uns gelingen, wissenschaftliche Themen nachhaltiger in unsere Gesellschaft zu bringen? Zum einen sicherlich dadurch, dass man die Forschungsergebnisse möglichst anschaulich, zielgruppengerecht und nachvollziehbar kommuniziert, damit sie in der Öffentlichkeit verstanden werden und nachhaltig in Erinnerung bleiben. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang der Beitrag „Nie mehr Langeweile“ von Gerald Wagner, der am 13. Juni 2018 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen ist. Er plädiert darin, wissenschaftliche Fachaufsätze narrativer zu formulieren, dass sie beim Lesen schlicht begeistern.

Zum anderen sollte man sich nicht mit der Berichterstattung allein via Pressemitteilung begnügen. Stattdessen empfiehlt es sich, auch in den Sozialen Medien gezielt aktiv zu werden. In manchen wissenschaftlichen Bereichen wird dies inzwischen geradezu erwartet: So gibt es seit Januar 2017 auf Twitter ein Ökonomen-Ranking in dem quartalsweise dargestellt wird, „welchen Ökonominnen und Ökonomen, Journalistinnen und Journalisten sowie und Bloggerinnen und Bloggern es am besten gelingt, ihre Analysen, Berichte und Meinungen über den Kurznachrichtendienst zu verbreiten und zu diskutieren“. Ziel des Rankings ist es, dazu beizutragen, „dass sich die deutsche Ökonomenszene (noch) stärker als bisher in die öffentlichen Debatten einbringt“.

„Es empfiehlt sich, achtsam zu bleiben und möglichst im Vorfeld die potenziellen Folgen der eigenen Veröffentlichungen abzuschätzen.“ Jutta Gröschl, IfM
Doch so sehr die Berichterstattung über die Sozialen Medien an Bedeutung gewinnt – es empfiehlt sich, zugleich achtsam zu bleiben und möglichst im Vorfeld die potenziellen Folgen der eigenen Veröffentlichungen abzuschätzen. Oder wie es der Medienwissenschaftler Prof. Dr. Bernhard Pörksen kürzlich in einem Interview im Handwerk-Magazin formulierte: „Neben die vierte Gewalt der Medien ist eine fünfte Gewalt der vernetzten vielen getreten, die eigene Themen setzt, die auch mal einen angeblichen oder tatsächlichen Skandal aufgreift.“ Das kann auf der einen Seite zu vielen Retweets und Likes führen, wenn die Pressemitteilung als positive Ergänzung zur aktuellen Diskussion empfunden wird. Das kann aber auch (massive) virtuelle Angriffe zur Folge haben – insbesondere, wenn die Verfasser auf der Informationsplattform ihre Kommentare anonym äußern können. Ist ein wissenschaftlich fundiertes Ergebnis – aus welchen Gründen auch immer  – in den Internetkanälen nicht erwünscht, kann dies im negativsten Fall aber auch zu einem virtuellen Angriff auf die Internetseite der wissenschaftlichen Institution führen: Als das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn seine Pressemitteilung zur Studie „Familienunternehmen von Migranten“ veröffentlichte, wurde die eigene Homepage derart mit Anfragen überschüttet, dass sie eine Zeit lang nicht mehr besucht werden konnte. Offenkundig hatten die positiven Aussagen der Pressemitteilung, nach der Familienunternehmen von Migranten häufig jung, innovativ und in unterschiedlichen Branchen aktiv sind, einen entsprechenden Automatismus im Internet ausgelöst.

„Es empfiehlt sich, auf Anlässe und Ereignisse zu achten, im Zuge derer man immer wieder auf die eigenen Forschungsergebnisse verweisen kann.“ Jutta Gröschl, IfM
Um Wissenschaft nachhaltig in die Öffentlichkeit zu bringen, empfiehlt es sich zudem, auf Anlässe und Ereignisse zu achten, im Zuge derer man immer wieder auf die eigenen Forschungsergebnisse verweisen kann. Ein Beispiel: Lange Zeit wurden in den Medien mit Hilfe von Schlagwörtern (z. B. „Gründerschwund“) die rückläufigen Gründungszahlen kritisiert. Unbeachtet blieb dabei, dass eine Gründungsentscheidung von vielerlei Faktoren abhängt, wie beispielsweise von den individuellen Arbeitsmarktchancen, die seit geraumer Zeit für gut ausgebildete Erwerbstätige zweifellos positiv sind. Auch sinken zwar seit 2005 die Zahlen bei den gewerblichen Gründungen – zugleich steigt jedoch die Zahl der Existenzgründer in den Freien Berufen. Last but not least kommt es auch auf die Qualität der Gründungen an: Betrachtet man unter diesem Aspekt die letztjährigen Daten zum gewerblichen Gründungsgeschehen, dann stellt man fest, dass die Zahl der Betriebsgründungen von Hauptniederlassungen steigen. Diese gewerblichen Gründungen sind in der Regel mit neuen Arbeitsplätzen verbunden. In der Vergangenheit wies das IfM Bonn bei allen passenden Anlässen auf diese Aspekte hin – mit dem Erfolg, dass die überregionalen Medien irgendwann begannen, die Gründe zu reflektieren, die hinter den statistischen Gründungszahlen stehen.

„Man sollte sich überlegen, für welche Politiker die eigenen wissenschaftlichen Studienergebnisse interessant und wichtig sein könnten.“ Jutta Gröschl, IfM
Viertens sollte man sich aber auch überlegen, für welche Politiker die eigenen wissenschaftlichen Studienergebnisse interessant und wichtig sein könnten. Vielleicht sind sie aber auch für Bundes- und Landesministerien relevant – oder für die wissenschaftlichen Dienste des Bundestags beziehungsweise der Landtage. Aber: Nicht die Quantität der Zusendungen führt zum Erfolg, sondern die Passgenauigkeit der wissenschaftlichen News zu den aktuellen Herausforderungen.

All diese Wege zeigen: Es gibt Möglichkeiten, gezielter Desinformation („Fake News“) zu begegnen. Je gezielter wir über die verschiedenen Wege aktiv werden, desto nachhaltiger wirkt unsere Wissenschaftskommunikation – und desto mehr Zuversicht und Vertrauen kann sie im besten Fall ausstrahlen.

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.