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Wie Menschen in Deutschland zum Klimaschutz stehen

Klimaschutz ist ein Menschenrecht– so urteilte gestern der Europäische Gerichtshof. Wie aber denken die Menschen über konkrete Klimaschutzmaßnahmen, die ihr persönliches Leben betreffen? Das untersucht Lena Lehrer mit dem Planetary Health Action Survey (PACE).

Frau Lehrer, in regelmäßigen Abständen erhebt die Planetary Health Action Survey (PACE) durch Online-Umfragen, wie die Bevölkerung zu Klimaschutzmaßnahmen steht. Warum wurde die Studie ins Leben gerufen?

Die Klimakrise hat erhebliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. In Politik und Gesellschaft sehen wir jedoch nur eine zögerliche Reaktion, um diese gesundheitlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Ziel von PACE ist es, Strategien und Methoden zu finden, um die Klimakommunikation zu erleichtern und Klimaschutzmaßnahmen so zu gestalten, dass sie von der Öffentlichkeit akzeptiert und im besten Fall auch umgesetzt werden.

Lena Lehrer ist Doktorandin am Institute for Planetary Health Behavior an der Universität Erfurt sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Schnittstelle zwischen Klima- und Gesundheitskommunikation. Foto: Sabine Best

Akzeptieren denn Menschen Klimaschutzmaßnahmen grundsätzlich eher, wenn ihre eigene Gesundheit betroffen ist?

Unsere Studien zeigen, dass Menschen, die die gesundheitlichen Risiken des Klimawandels stärker wahrnehmen, auch eher bereit sind, etwas gegen die Klimakrise zu tun. Noch unveröffentlichte Studien von uns deuten aber auch darauf hin, dass die Darstellung von Gesundheitsrisiken im Vergleich zu Umweltrisiken nicht unbedingt zu mehr Klimaschutzverhalten führt. Die Frage können wir bisher also nicht eindeutig beantworten.

Die PACE-Studie läuft nun seit rund zwei Jahren. Aus den Ergebnissen wurde ein Modell entwickelt, das zeigt, welche Faktoren die Handlungsbereitschaft der Menschen beeinflussen. Welche Faktoren sind das?

Zum Beispiel die Risikowahrnehmung, die sich in unseren Umfragen vor allem auf direkte Gesundheitsrisiken bezieht. Das leuchtet ein, denn wenn ich nicht sehe, dass der Klimawandel mir schadet, werde ich auch nichts dagegen tun wollen.
Wichtig ist auch das Vertrauen in bestimmte Institutionen und Organisationen: Je mehr ich der Wissenschaft, der Politik zutraue, mit der Klimakrise gut umzugehen, desto höher ist meine Handlungsbereitschaft.
Soziale Normen sind ebenfalls relevant. Wie klimaschützend verhält sich mein Umfeld und inwieweit denke ich, dass mein Umfeld dies von mir erwartet? Je höher diese beiden Faktoren sind, desto höher ist meine Bereitschaft zu handeln.
Auch die wahrgenommene Wirksamkeit von Maßnahmen beeinflusst die Handlungsbereitschaft.
Wenn ich der Meinung bin, dass ein Verbot von Verbrennungsmotoren oder die Umrüstung von Heizungen völlig nutzlos ist, um die Klimakrise einzudämmen, dann werde das nicht unterstützen.
Ein weiterer Faktor ist die Selbstwirksamkeit. Selbst wenn ich verstanden habe, dass die Klimakrise ein Problem ist und ich theoretisch weiß, was ich tun kann, wie leicht fällt es mir, dieses Verhalten zu zeigen?
Und schließlich zählt das Wissen. Je höher das Wissen über die Klimakrise, desto höher die Handlungsbereitschaft.

Denkmodell, das aufzeigt, welche Faktoren die Handlungsbereitschaft gegen die Klimakrise beeinflussen.

Konnten Sie in den Studien auch gesellschaftliche Zusammenhänge beobachten, also zum Beispiel, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen offener für Klimaschutzmaßnahmen sind?

Ja, eine höhere Handlungsbereitschaft haben Frauen, Menschen in größeren Gemeinden, Personen mit höherem Bildungsabschluss, aber auch ältere Menschen haben tendenziell eine höhere Handlungsbereitschaft1. Allerdings sind die Effekte sehr gering und erklären nur einen kleinen Teil der Unterschiede in der Handlungsbereitschaft. Eine spezifisch an diese Gruppen angepasste Klimakommunikation kann daher zwar in Betracht gezogen werden, aber wird alleine keine großen Effekte erzielen.

Das eine zielgruppenspezifische Kommunikation wenig effektiv ist, klingt erstmal überraschend.

Das stimmt, aber es passt auch zum Modell. Die Vorhersagekraft der soziokognitiven Variablen, also, Vertrauen, Maßnahmeneffektivität, Selbstwirksamkeit, etc., überwiegt so stark, dass die Soziodemografie keinen großen Zusammenhang aufweisen kann.

Sie sagten, die PACE-Studie soll helfen, Strategien für eine erfolgreiche Klimakommunikation zu entwickeln. Wie genau?

Die Studie hilft unter anderem, Mehrheiten sichtbar zu machen. Die Mehrheit weiß nicht, dass sie die Mehrheit ist. Viele unterschätzen, wie viele Menschen Klimaschutzmaßnahmen unterstützen. Darüber wird bislang kaum gesprochen.
Wir sehen zum Beispiel, dass fast alle Maßnahmen, die wir abfragen, eine relativ hohe Zustimmung erhalten. Die Ablehnung liegt jeweils unter 50 Prozent, selbst bei sehr polarisierenden Themen wie dem Verbot von Verbrennungsmotoren. Zeitgleich sehen wir natürlich, dass die Zustimmung steigt, je einfacher und zugänglicher die Maßnahmen sind. Maßnahmen wie ein günstiger Nahverkehr, von dem alle profitieren und für den sich niemand einschränken muss, werden stärker befürwortet als beispielsweise ein Verbot von Öl- und Gasheizungen, das Haushalte direkt betrifft. Darüber hinaus können wir aus der Studie ableiten, welche Faktoren relevant für eine hohe Handlungsbereitschaft sind und diese als Ausgangspunkt für Kommunikationsinterventionen empfehlen.

Planetary Health Action Survey

Die Planetary Health Action Survey (PACE) ist ein Gemeinschaftsprojekt der Universität Erfurt, dem Bernhard Nocht Institut für Tropenmedizin, dem Robert-Koch-Institut, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, dem Leipniz-Institut für Psychologie und dem Science Media Center. Projektverantwortliche sind Mirjam Jenny und Cornelia Betsch. Aktuell wird PACE durch Zuwendungen der Klaus Tschira Stiftung* sowie aus Eigenmitteln der beteiligten Partner*innen finanziert. In der Vergangenheit wurde das Projekt vom Bundessministerium für Gesundheit (via Robert Koch-Institut und Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) finanziert.

Warum ist es wichtig, diese Mehrheit für den Klimaschutz sichtbar zu machen?

Wir wissen, dass soziale Normen einen großen Einfluss auf die Handlungsbereitschaft haben. Wenn alle mit mir zusammen Klimaschutz machen, dann will ich das viel eher.
Man sollte also eher diejenigen unterstützen, die schon handlungsbereit sind oder handeln, und sich nicht auf die wenigen konzentrieren, die man nur schwer abholen kann.
Dafür muss man die Wirksamkeit von Maßnahmen erklären und den Menschen einfache Schritte an die Hand geben, wie sie mitmachen können. Wir haben zum Beispiel zum viel diskutierten Klimageld online ein Experiment durchgeführt, um zu sehen, was es bringt, wenn man Leuten die Funktion und den Nutzen der Maßnahme besser erklärt. Dabei haben wir Menschen entweder eine kürzere oder eine längere Erklärung des Mechanismus vorgelegt. Es wurden Fragen beantwortet wie: Welcher Anteil der Kosten versickert in der Verwaltung? Was unterscheidet das Klimageld als Lenkungssteuer von einer regulären Abgabe? Die zusätzlichen Informationen haben dabei geholfen, eine höhere Zustimmung zu erzielen.
Wir sehen in den Daten, dass sich 74 Prozent der Befragten wünschen, dass der Staat klimafreundliches Verhalten erleichtert. Mit etwas Pessimismus könnte man meinen, dass die Menschen ihre Eigenverantwortung abgeben wollen. Aber etwa ebenso viele sind sich bewusst, dass jede*r Einzelne sein Verhalten ändern muss, um die Klima- und Umweltziele zu erreichen.

Klimaschutz gilt in der Gesellschaft als erstrebenswert. Beeinflussen solche gesellschaftlichen Normen die Ergebnisse?

Darüber haben wir uns viele Gedanken gemacht. Das Problem, dass Befragte aufgrund sozialer Erwünschtheit nicht ihre wahre Meinung äußern, ist ein grundsätzliches Problem bei sozialwissenschaftlichen Studien.
Es gibt jedoch Studien2, die zeigen, dass Befragte weniger dazu neigen, ihre Meinung zu verfälschen, wenn die Umfragen anonym sind und nichts auf dem Spiel steht. Wir gehen daher davon aus, dass die Verzerrung durch soziale Erwünschtheit in unseren Umfragen minimal ist.

Häufig wird argumentiert, dass Klimakommunikation möglichst positiv sein sollte, damit die Menschen nicht in eine Art Schockstarre verfallen und keinen Sinn mehr darin sehen, etwas gegen die Klimakrise zu tun.

Das wird kontrovers diskutiert und die Ergebnisse sind sehr widersprüchlich. Wir können diesen Effekt anhand unserer Daten bislang nicht bestätigen. Wenn wir Klimaangst unter die Lupe nehmen, zeigen Menschen mit hoher Ausprägung keine geringere, sondern im Gegenteil, eine höhere Handlungsbereitschaft, insbesondere was die politische Partizipation betrifft. Diesen Effekt können wir jedoch nicht kausal auf die Art der Kommunikation zurückführen, sondern nur davon ausgehen, dass die Klimaangst durch negative Botschaften befeuert werden kann.
Positive Botschaften sind in der Klimakommunikation meiner Meinung nach nur begrenzt möglich ­– die Risiken der Klimakrise sind zweifellos gefährlich. Eine betont positive Kommunikation könnte bedeuten, dass wir diese Risiken nicht realistisch darstellen, was zu einer geringeren Risikowahrnehmung und damit auch zu einer geringeren Handlungsbereitschaft führen könnte.

„Die Mehrheit weiß nicht, dass sie die Mehrheit ist. Viele unterschätzen, wie viele Menschen Klimaschutzmaßnahmen unterstützen." Lena Lehrer

Wen möchten Sie mit den Ergebnissen zu erreichen?

Die Ergebnisse sind natürlich hauptsächlich für Akteur*innen in der Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation interessant, ebenso für Menschen in Entscheidungspositionen, wie zum Beispiel Politiker*innen, die in der Studie zumindest annähernd einen Spiegel der Gesellschaft finden können. Auch Organisationen oder Verbände, die an der Schnittstelle zu Klimakrise und/oder Gesundheit arbeiten, profitieren von unseren Erkenntnissen, die wir auch in Veranstaltungen oder Vorträgen teilen. Über die Projektwebseite machen wir die Ergebnisse aber auch Bürger*innen zugänglich, die sich selbst ein Bild davon machen möchten, wie die Menschen in Deutschland aktuell zum Klimaschutz stehen.

Welche Umfragen sind für die Zukunft geplant?

Bisher haben wir in den Umfragen vorrangig den „Mitigation“-Aspekt berücksichtigt, also die Eindämmung der Klimakrise. Die Auswirkungen der Klimakrise werden jedoch immer spürbarer, zum Beispiel durch Hitzeextreme. „HEATCOM“, ein neues Projekt innerhalb von PACE, wird sich daher auch mit dem Anpassungsaspekt beschäftigen. Unter anderem wird Wissen zum Thema Hitze und Hitzeschutz untersucht, ebenso, inwiefern Menschen die Risikofaktoren für einen Hitzschlag kennen und sich gegebenenfalls selbst der Risikogruppe zuordnen können. Wir finden, dass die meisten Befragten letzteres nicht können. Der Großteil der Menschen, für die Hitze ein hohes Risiko bedeuten kann, wissen nicht, dass sie zu einer Risikogruppe gehören. Wir hoffen im Projekt Strategien zu identifizieren, wie hier kommunikativ gegengesteuert werden kann. Zusätzlich werden Einstellungen zu Hitzeschutzmaßnahmen, wie zum Beispiel veränderten Arbeitszeiten während Hitzeperioden, untersucht und inwieweit Menschen Empfehlungen zum persönlichen Hitzeschutz akzeptieren und umsetzen.

 

* Die Klaus Tschira Stiftung ist auch Förderer der Plattform Wissenschaftskommunikation.de