Foto: Christian Humm, CC BY-SA 4.0

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im November 2021

Wie hängen Vorstellungen von Wissenschaft und Covid-19 zusammen? Nehmen in der Krise wissenschaftsbezogene populistische Einstellungen ab? Und von welchen Faktoren hängt es ab, ob Menschen Impfpflichten am Arbeitsplatz unterstützen? Das sind die Themen im Forschungsrückblick für den November.

In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Forschungsergebnisse zum Thema Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

Wissenschaftsbezogener Populismus in der Krise 

In Krisen erfahren Regierungen und öffentliche Institutionen häufig kurzfristig stärkere Unterstützung vonseiten der Bevölkerung. Dieser „Rally-Round-The-Flag”-Effekt ist auch während der Coronapandemie zu beobachten. Gilt das auch für Einstellungen gegenüber der Wissenschaft und ihren Institutionen? Nehmen in der Krise wissenschaftsbezogene populistische Einstellungen und Ressentiments ab? Das haben Niels G. Mede und Mike S. Schäfer von der Universität Zürich an einer Schweizer Stichprobe untersucht. 

Methode: Mit ihrer Studie überprüften die beiden Forscher, ob wissenschaftsbezogene, populistische Einstellungen nach Beginn der Covid-19-Pandemie in der Schweiz tatsächlich zurückgegangen sind. Außerdem wollten sie herausfinden, welche soziodemographischen Faktoren und Einstellungen diesen Rückgang erklären können. Als wissenschaftsbezogenen Populismus bezeichnen sie eine Reihe von Ideen, die unter anderem besagen, dass die „einfachen Menschen“ und ihr gesunder Menschenverstand – und nicht die angeblich korrupten akademischen Eliten – bestimmen sollten, wie und zu welchen Themen Wissen produziert wird. 

Die Ergebnisse zeigen, dass der SciPop-Score der Befragten im Untersuchungszeitraum signifikant gesunken ist.
Die Forscher haben im Juni/Juli 2019 und im November 2020 in allen drei Sprachregionen der Schweiz eine Panelbefragung durchgeführt. Die Zusammensetzung der Teilnehmenden ähnelt in Bezug auf Alter, Geschlecht und Wohnort dem Durchschnitt der Schweizer Bevölkerung, allerdings wiesen sie einen höheren formalen Bildungsgrad auf. Sie beantworteten Fragen zu Alter, Geschlecht, Sprachregion, Wohnort, Bildung, Nähe zur Wissenschaft, politischer Orientierung, Religiosität, Interesse und Vertrauen in die Wissenschaft, Vertrauen in Wissenschaftler*innen und Betroffenheit von Covid-19. In welchem Maße sie wissenschaftsbezogenen, populistischen Ideen zustimmen, fragten die Forscher über eine „SciPop-Skala“ (SciPop = science-related populist attitudes) ab. Daraus berechneten sie den „SciPop-Score“. 

Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass der SciPop-Score der Befragten im Untersuchungszeitraum signifikant gesunken ist. Damit wird die These der Studie bestätigt. Deutlich zeigte sich der Rückgang populistischer Einstellungen bei den Vorstellungen vom „einfachen Volk“, von der akademischen Elite und bei Forderungen nach der Souveränität, die Wahrheit zu verkünden. 

Die Untersuchung zeigt, dass wissenschaftsbezogene populistische Einstellungen vor allem bei denjenigen Befragten abgenommen haben, die vor der Pandemie einen höheren SciPop-Score aufwiesen. Ansonsten verteilt sich der Rückgang recht gleichmäßig über die Stichprobe. Nur Befragte mit niedrigem formalen Bildungsstand weisen einen geringeren Rückgang wissenschaftsbezogener populistischer Einstellungen auf, während alle anderen soziodemografischen Merkmale sowie die politische Orientierung, Religiosität und die allgemeine Wahrnehmung von Wissenschaft keine Veränderungen in der Neigung zu wissenschaftsbezogenem Populismus erklären. 

Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse der Studie bestätigen den „Rally-Round-the-Flag“-Effekt, also das stärkere Vertrauen der Öffentlichkeit in gesellschaftliche Institutionen in Krisenzeiten. Laut der Autoren deutet das darauf hin, dass Gesundheitskrisen anhaltende Ressentiments gegenüber der Wissenschaft abschwächen könnten – möglicherweise auch, weil Wissenschaft Menschen Wissen und Ratschläge vermittelt. 

Der Rückgang wissenschaftsbezogener populistischer Einstellungen war bei denjenigen am ausgeprägtesten, die vor der Pandemie anfälliger für solche Ideen waren.
Der Rückgang wissenschaftsbezogener populistischer Einstellungen war bei denjenigen am ausgeprägtesten, die vor der Pandemie anfälliger für solche Ideen waren. Diese Ergebnisse stimmten mit Untersuchungen überein, bei denen in Pandemiezeiten ein „Nachholeffekt“ beobachtet wurde: Das Vertrauen nahm bei Menschen, die vor der Pandemie misstrauischer waren, am stärksten zu. Dieses Ergebnis weise darauf hin, dass die Pandemie möglicherweise eher zu einer Annäherung als zu einer Fragmentierung von wissenschaftsfreundlichen und wissenschaftsfeindlichen Bevölkerungsteilen beigetragen haben könnte, schreiben die Autoren. 

Die Ergebnisse zeigen auch, dass der Rückgang wissenschaftsbezogener populistischer Einstellungen über die Stichprobe ziemlich gleichmäßig verteilt war. Das deute darauf hin, dass die Pandemie Menschen aus unterschiedlichen soziodemografischen und Einstellungsmilieus in ähnlicher Weise beeinflusst haben könnte. Auch diese Beobachtung unterstütze die These eines Rallye-Effekts, bei dem Menschen unabhängig von ihren individuellen Einstellungen in Krisenzeiten Autoritäten stärker unterstützen. 

Einschränkungen: Eine Einschränkung der Studie könnte sein, dass sie sich auf eine relativ kleine Stichprobe stützt, die im Vergleich zur Schweizer Gesamtbevölkerung über ein höheres Level an formaler Bildung und stärkerer Vertrautheit mit Wissenschaft verfügt. Es gab nur zwei Erhebungszeitpunkte – vor und während der Pandemie. Die Studie kann also keine Aussage darüber treffen, wie sich die wissenschaftsbezogenen, populistischen Einstellungen im Laufe der Pandemie verändert haben. Einige der Ergebnisse sind womöglich spezifisch für die Schweiz, was in vergleichenden Studien untersucht werden könnte. 

Mede, N. G., Schäfer, M. S. (2021) Science-related populism declining during the COVID-19 pandemic: A panel survey of the Swiss population before and after the Coronavirus outbreak. Public Understanding of Science 00(0), https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/09636625211056871

Follow the scientists? Wie Einstellungen gegenüber Wissenschaft und Covid-19 zusammenhängen

„Follow the science” ist ein in der Coronapandemie viel zitiertes Mantra, das in vielen Ländern die Grundlage staatlicher Gesundheitspolitik bildet. Gleichzeitig wird in öffentlichen Debatten die Rolle von Wissenschaftler*innen bei politischen Entscheidungsprozessen diskutiert. Wie hängt dabei die Wahrnehmung von wissenschaftlichen Praktiken und der Objektivität von Wissenschaftler*innen mit den Einstellungen gegenüber Covid-19 und der Bewertung von staatlichem Handeln in der Pandemie zusammen? Das haben Thomas G. Safford, Emily H. Whitmore und Lawrence C. Hamilton von der University of New Hampshire untersucht.  

Methode: Die Autor*innen verwendeten für ihre Studie Corona-bezogene Daten aus zwei Online-Umfragen des Granite State Panel Survey, das vom University of New Hampshire Survey Center durchgeführt wird. Im März 2020 nahmen 650 und im Juli 2020 959 Einwohner*innen aus dem US-Bundesstaat New Hampshire teil. Sie wurden gefragt, wie besorgt sie sind, dass sie selbst oder jemand aus ihrer Familie sich mit Covid-19 infizieren könnte, ob und wann sie einen Mund-Nasen-Schutz tragen, ob sie die Corona-Politik des damaligen Präsidenten Donald Trump und diejenige von Chris Sununu, dem Governor von New Hampshire, befürworten oder ablehnen. Auch wurden sie gefragt, ob sie glauben, dass die schlimmste Phase der Pandemie noch bevorstehe und ob die Wirtschaft oder die Bekämpfung der Pandemie Priorität in der Politik haben sollten. Für die Studie wurden demographische Merkmalen wie Geschlecht, Alter, Bildung sowie die Parteizugehörigkeit abgefragt. Außerdem wollten die Forscher*innen wissen, inwiefern die Teilnehmer*innen der Aussage zustimmen, dass Wissenschaftler*innen ihre Forschungsergebnisse anpassen, um erwünschte Antworten zu erhalten.

59 Prozent glaubten, dass die schlimmste Zeit der Pandemie noch bevorstehe, während sechs Prozent sagten, dass Covid-19 in den USA kein großes Problem gewesen sei.

Ergebnisse: 39 Prozent der Befragten widersprachen der Aussage „Wissenschaftler*innen passen ihre Ergebnisse so an, dass sie die gewünschten Antworten erhalten“ entschieden, 14 Prozent widersprachen, 16 Prozent waren unentschieden, 19 Prozent stimmten zu und 12 Prozent stimmten entschieden zu. 57 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sehr stark oder mäßig besorgt sind, dass sie oder ein Mitglied ihrer Familie an Corona erkranken könnte. 59 Prozent glaubten, dass die schlimmste Zeit der Pandemie noch bevorstehe, während sechs Prozent sagten, dass Covid-19 in den USA kein großes Problem gewesen sei. 

29 Prozent gaben an, dass sie an öffentlichen Orten immer eine Maske tragen und 48 Prozent erklärten, dass sie es immer tun würden – außer draußen, wenn genügend Abstand eingehalten werden kann. 60 Prozent urteilten, dass die höchste Priorität der Regierung die Eindämmung des Coronavirus sein sollte, 40 Prozent hingegen sagten, der Staat solle sich darauf konzentrieren, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. 

Die Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass diejenigen Befragten, die die Arbeit von Wissenschaftler*innen in Frage stellen, auch dazu neigen, wissenschaftsbasierte Bewertungen zu Covid-19, Verhaltensempfehlungen und politische Entscheidungen abzulehnen – und andersherum. So widersprechen beispielsweise 95 Prozent derjenigen, die die Bekämpfung des Virus als oberste Priorität der Regierung sehen, entschieden der These, dass Wissenschaftler*innen ihre Forschungsergebnisse anpassen. 

77 Prozent der Befragten, die denken, dass Wissenschaftler*innen ihre Ergebnisse anpassen, stimmen Trumps Politik zu.
Auch zeigen die Ergebnisse einen Zusammenhang zwischen der Zustimmung zu Trumps Corona-Politik und dem Misstrauen gegenüber Wissenschaftler*innen. 77 Prozent der Befragten, die denken, dass Wissenschaftler*innen ihre Ergebnisse anpassen, stimmen Trumps Politik zu.

Auch die Parteizugehörigkeit scheint eine Rolle zu spielen. Die Wahrscheinlichkeit zu glauben, dass die schlimmste Phase der Pandemie noch bevorstehe, lag bei Republikaner*innen um 94 Prozent niedriger als bei Demokrat*innen. Auch machen sich die befragten Republikaner*innen weniger Gedanken um Gesundheitsrisiken von Covid-19 und tragen seltener eine Maske. 

Die Auswirkungen von Bildungsstand variieren je nach politischer Parteizugehörigkeit. Je höher die Bildung, desto stärker nähern sich die Einschätzungen von Republikaner*innen und Demokrat*innen an.

Schlussfolgerungen: Fast ein Drittel der Befragten stimmten der These zu, dass Wissenschaftler*innen ihre Ergebnisse anpassen. Das deutet darauf hin, dass viele Menschen Zweifel an der Objektivität von Wissenschaftler*innen hegen. Die Ergebnisse weisen außerdem darauf hin, dass diese Zweifel stark mit der Meinung über die Schwere der Pandemie und die politischen Maßnahmen zusammenhängen. 

Viele Menschen verstünden den Satz “follow the science” als “follow the scientists”, schreiben die Autor*innen.
Daraus lässt sich schließen, dass das Verständnis von wissenschaftlichen Praktiken und das Vertrauen in Wissenschaft wichtig für die Meinungsbildung zu Covid-19 ist. Viele Menschen verstünden den Satz “follow the science” als “follow the scientists”, schreiben die Autor*innen. Wenn Wissenschaftler*innen nicht als integer wahrgenommen werden, führe das womöglich zu einer Ablehnung von wissenschaftsbasierten Gesundheitsempfehlungen. 

Die Studie zeigt, dass die befragten Anhänger*innen der Demokrat*innen die Gefahr von Covid-19 für höher halten als Republikaner*innen und auch eher bereit sind, sich an Maßnahmen wie das Tragen von Masken zu halten. Dass sich Anhänger*innen beider Parteien mit höherem formalen Bildungsgrad in ihren Meinungen annähern, legt nahe, dass diese Ansichten nicht nur mit der Parteizugehörigkeit zu tun haben.

Während politische Ansichten häufig schwer zu ändern seien, lägen die Vorstellung, dass Wissenschaftler*innen ihre Ergebnisse verändern, womöglich Missverständnissen über wissenschaftliche Methoden zugrunde, schreiben die Autor*innen. Solche Missverständnisse aber können möglicherweise durch Wissenschaftskommunikation aus dem Weg geräumt werden. 

Einschränkungen: Eine Einschränkung der Studie ist, dass nur eine begrenzte Zahl von Fragen gestellt wurde, zur Objektivität von Wissenschaftler*innen beispielsweise nur eine einzige. Die Befragten stammen außerdem aus nur einem US-amerikanischen Bundesstaat. Deshalb wäre es möglicherweise sinnvoll, die Studie mit anderen Stichproben zu wiederholen. 

Safford, T. G., Whitmore, E. H.,  Hamilton, L. C. (2021) Follow the scientists? How beliefs about the practice of science shaped COVID-19 views. Journal of Science Communication, https://jcom.sissa.it/archive/20/07/JCOM_2007_2021_A03

Was beeinflusst die Unterstützung einer Impfpflicht am Arbeitsplatz?

Neuseeland hat es lange geschafft, Covid-19 aus dem Land fernzuhalten – bis zum Ausbruch der Delta-Variante im Sommer 2021. Die Regierung reagierte, indem ein Lockdown verhängt wurde. Auch über eine Impfpflicht wurde diskutiert. Im Oktober wurde schließlich angekündigt, dass Arbeitgeber*innen für Angestellte in bestimmten Positionen Impfpflichten anordnen dürfen. Wie aber reagiert die Bevölkerung auf diese Entwicklungen? In einer Studie haben Douglas Ashwell Joanna Cullinane und Stephen M. Croucher von der Massey University in Palmerston North untersucht, inwieweit sich allgemeine Impfskepsis auf die Akzeptanz der Impfpolitik von Arbeitgeber*innen auswirkt. 

Methode: Die Studie stützt sich auf das Health Belief Model (HBM), das besagt, dass Informationen eine Verhaltensänderung bewirken, wenn sie auf bestimmte Bedingungen stoßen. Dazu gehört beim Beispiel Impfen unter anderem, dass sich Menschen dann impfen lassen, wenn sie glauben, anfällig für negative Folgen einer Erkrankung zu sein und wenn sie glauben, dass eine Impfung Vorteile bringt. 

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es neben der Fähigkeit, sich potenziell impfen lassen zu können, auch Vertrauen in den Impfstoff braucht.
Für ihre Studie befragten die Forscher*innen über die Umfrage-Plattform Qualtrics eine repräsentative Stichprobe von 1852 Neuseeländer*innen. Die Teilnehmer*innen beantworteten neben demographischen Fragen, ob sie physisch in der Lage sind, die Impfung zu erhalten und inwiefern sie damit einverstanden sind, dass Arbeitgeber*innen Covid-19-Impfungen vorschreiben. Auch sollten sie beurteilen, ob Arbeitgeber*innen Menschen entlassen sollten, die sich nicht impfen lassen. Über eine Reihe weiterer Fragen wurde der Grad der Impfzögerlichkeit der Teilnehmer*innen bewertet. 

Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass Menschen, die von sich sagen, sie könnten den Impfstoff erhalten, die Impfpflicht vonseiten des Arbeitgebers weniger unterstützen als solche, die sich nicht impfen lassen können. Sie sind auch weniger wahrscheinlich damit einverstanden, dass Arbeitgeber Menschen kündigen sollten, die sich nicht impfen lassen. Wenn sie aber gleichzeitig ein großes Vertrauen in den Impfstoff haben, befürworten sie die Impflicht durch den Arbeitgeber eher. Ältere Menschen unterstützen die Impfpflicht stärker als jüngere und befürworten das Kündigungsrecht eher. 

Menschen, die sich mit einer anderen politischen Partei als Labour, National, Māori oder Green identifizieren, unterstützen die Kündigungen weniger. In dieser Stichprobe handelt es sich dabei vor allem um Wähler*innen der rechtsliberalen ACT. 

Schlussfolgerungen: Gerade in einer Zeit, in der über Impfpflicht diskutiert wird, ist es wichtig zu untersuchen, wie diese bei der Bevölkerung ankommen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es neben der Fähigkeit, sich potenziell impfen lassen zu können, auch Vertrauen in den Impfstoff braucht, um eine Impfpflicht von Arbeitgeberseite und potenzielle Sanktionen gutzuheißen. Dass ältere Menschen diese Maßnahmen eher befürworten, mag daran liegen, dass sie von Covid-19 stärker betroffen sind. Außerdem erinnerten sie sich womöglich noch an Ausbrüche anderer Krankheiten wie Masern, Tuberkulose und Polio. 

Es zeige sich am Beispiel von anderen Krankheiten, dass die Bereitschaft zum Impfen in Regionen abnimmt, wo Impfungen die Ausbreitung von Krankheiten bereits reduziert hätten.
Die Corona-Kommunikation der neuseeländischen Regierung habe sich vor allem auf zwei Argumente konzentriert, schreiben die Autor*innen: Zum einen darauf, dass die Impfungen das individuelle Risiko zu erkranken verringere und andererseits auf den Gemeinschaftsaspekt – nach dem Motto: „Wir sitzen alle in einem Boot.“ Es gehe aber nicht nur darum, Verständnis für den Nutzen von Impfungen zu erreichen, argumentieren die Autor*innen. Denn Zögern habe damit nicht unbedingt etwas zu tun. Es zeige sich am Beispiel von anderen Krankheiten, dass die Bereitschaft zum Impfen in Regionen abnimmt, wo Impfungen die Ausbreitung von Krankheiten bereits reduziert hätten. Dabei könnte es sich um eine Form von „Impfkalkül“ handeln, das dort auftritt, wo aufgrund hoher Impfraten das Risiko einer Ansteckung gering ist. 

Auch bei Impfvorschriften durch den Arbeitgeber könne man davon ausgehen, dass nicht nur Aspekte wie Unwissenheit und sozialer Druck, sondern auch ein „Impfkalkül“, in diesem Falle die Abwägung eines potenziellen Einkommensverlustes, eine Rolle spiele, schreiben die Autor*innen.

Die Ergebnisse der Studie zeigen aber auch, wie wichtig Vertrauen in den Impfstoff ist. Die Autor*innen plädieren deshalb dafür, dass es eine gezieltere Kommunikation über die Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs brauche, die auch auf die Bedürfnisse bestimmter gesellschaftlicher Gruppen wie beispielsweise der Māori und Pasifika eingehe. 

Einschränkungen: Eine Einschränkung der Studie ist, dass sie die Einstellungen der Teilnehmer*innen nur zu einem bestimmten Zeitpunkt der Debatte einfängt. Um Aussagen über die Entwicklungen der Debatte zu treffen, müsste die Untersuchung über einen längeren Zeitpunkt fortgeführt werden. Warum Menschen, die sich nicht impfen lassen können, eher für eine Impfpflicht am Arbeitsplatz plädieren, wird in der Studie nicht diskutiert.

Ashwell, D., Cullinane, J., Croucher, S. M. (2021) Vaccine Hesitancy and Support for Employer Vaccine Mandates. Frontiers in Communication. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fcomm.2021.780415/full

Mehr Aktuelles aus der Forschung

„China virus“, „Chinese flu“ und „Kung flu“ sind nur einige der Begriffe, die der ehemalige US-amerikanische Präsident Donald Trump nutzte, um Covid-19 mit China in Verbindung zu bringen. In einer Studie untersucht Robin Kurilla von der Universität Duisburg-Essen die Dynamiken zwischen Trumps Verwendung solcher Begriffe und der Medienberichterstattung. Seine Analyse stützt die These, dass politische Kommunikation, die auf dem Antagonismus von Freund und Feind basiert, dabei hilft, populistische Behauptungen zu legitimieren.

Citizen Science gilt als Methode, um unterschiedliche Menschen in wissenschaftliche Prozesse einzubinden. Aber nicht alle werden gleichermaßen erreicht. Ein Forschungsteam um Madeleine Montanari von der Universität Wageningen in den Niederlanden hat deshalb ein Analyseraster entwickelt, um Ausschlussprozesse in Citizen-Science-Projekten zu bewerten. Dabei nehmen die Forscher*innen verschiedene Ausschlussfaktoren wie Diskriminierungen, sozioökonomischen Status oder den Wohnort der potenziellen Teilnehmer*innen in den Blick und erklären, in welchen Bereichen der Projektplanung und Durchführung diese Faktoren eine Rolle spielen können.

Die Nachfrage nach Fortbildungen im Bereich der Wissenschaftskommunikation wächst. Wer aber sind die Teilnehmer*innen? Um das herauszufinden, hat Amélie Daoust-Boisvert von der kanadischen Concordia University in Montréal die Motivation von Student*innen untersucht, die zwischen 2009 und 2018 an einem Online-Kurs für Wissenschaftskommunikation an der kanadischen Université Laval eingeschrieben waren. Es zeigt sich, dass vor allem Frauen teilnahmen, die wissenschaftliche Kommunikationsfähigkeiten als Vorteil für eine Karriere in den Bereichen Kommunikation, Wissenschaft oder Gesundheit ansehen.

Co-Creation oder „extreme citizen science“ hat das Ziel, Bürger*innen in den gesamten Forschungsprozess einzubeziehen. Wie das funktioniert, hat Barbara Heinisch von der Universität Wien am Beispiel des Citizen-Science-Projekts „Deutsch in Österreich“ untersucht, in dem verschiedene Formen der Beteiligung kombiniert werden: Bürger*innen können unter anderem Forschungsfragen zur deutschen Sprache in Österreich stellen und beteiligen sich an einer Schnitzeljagd nach unterschiedlichen Sprachen und Dialekten. Wie Heinisch zeigt, war die Co-Creation-Idee jedoch schwer umzusetzen, da die Bereitschaft der Teilnehmer*innen gering war, sich an mehr als einem Forschungsschritt zu beteiligen. Die Mehrheit war beispielsweise nicht bereit, Zeit zu investieren, um die eigenen Forschungsfragen zu beantworten.

Barrieren zu überwinden – seien sie sprachlicher oder kultureller Art – ist für die Wissenschaftskommunikation eine Herausforderung. Wie das gelingen kann, hat ein Forschungsteam um Carol M. Worthman von der Emory University im US-amerikanischen Atlanta am Beispiel eines tibetischen Klosters untersucht. Dort werden auf Initiative buddhistischer Mönche westliche Naturwissenschaften in die klösterlichen Lehrpläne integriert. Anhand von Interviews, Umfragen und Berichten der Klosterschüler*innen betrachtete das Forschungsteam unter anderem die Mechanismen, die die Überschreitung von kulturellen Barrieren bei der Vermittlung von Wissen erleichtern.

Welche Rolle spielt das Geschlecht von Wissenschaftler*innen in Online-Foren? Austin Y. Hubner und Robert Bond von der Ohio State University in den USA haben Interaktionen zwischen Wissenschaftler*innen und der Community der Online-Plattform Reddit untersucht und dabei mögliche geschlechtsspezifische Unterschiede im Kommunikationsstil und Unterschiede in der Beliebtheit in den Blick genommen. Dabei stellten sie fest, dass männliche Wissenschaftler bei den „ Ask Me Anything“-Sitzungen mehr Kommentare als weibliche Wissenschaftlerinnen erhalten. Die Punktzahl, die sich aus Positiv- und Negativbewertungen von Nutzer*innen berechnet, ist jedoch bei beiden Gruppen gleich. Insgesamt wiesen die Ergebnisse darauf hin, dass das Reddit-Format für weibliche wie männliche Wissenschaftler*innen eine geeignete Plattform sei, um mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten, schreiben die Autoren.