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Kompetent, professionell, zielorientiert – Die souveräne Expertin

Was zeichnet souveräne Wissenschaftskommunikation aus? Und wie kann man den persönlichen Auftritt verbessern? Darüber spricht Medientrainer und Autor Volker Hahn im Interview, gibt handwerkliche Tipps und nennt Vorbilder.

Herr Hahn, Sie haben gerade das Buch „Die souveräne Expertin*“ geschrieben. Wann ist man in der Wissenschaftskommunikation souverän?

Eine souveräne Expertin ist fachlich kompetent, tritt professionell auf und kommuniziert zielorientiert. Ich finde, der Begriff Souveränität fasst das gut zusammen. Ich bin souverän, wenn ich weiß, was ich kann, wenn ich weiß, was ich will und wenn ich weiß, wie ich das rüberbringe. Das Buch soll mit 77 Tipps helfen, sich diese Kompetenzen anzueignen.

Wie wird man souverän(er) in Kommunikationssituationen?

Verbale Wissenschaftskommunikation ist ein Handwerk, dass man sich als Wissenschaftlerin zusätzlich zur Forschungskompetenz aneignen muss. Dafür gibt es verschiedene Wege. Ich hoffe natürlich, dass mein Buch helfen kann … Medientrainings finde ich sehr wichtig … und am Ende muss man es einfach machen – Learning by Doing. Man muss Wissenschaft kommunizieren, um darin besser zu werden. Wie bei ganz vielen Dingen.

Was sind für Sie ganz konkret die wichtigsten Tipps?

Volker Hahn studierte Geoökologie in Bayreuth, Wissenschaftsfilm in Ludwigsburg und wurde im Bereich Biogeochemie in Jena promoviert. Als Wissenschaftsjournalist hat er vor allem fürs Fernsehen (3sat, SWR …) zahlreiche Interviews mit Wissenschaftlerinnen geführt. Seit 2016 leitet er die Abteilung „Medien und Kommunikation“ beim Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv); nebenher arbeitet er als Trainer für Wissenschaftskommunikation. Sein Buch „Die souveräne Expertin – 77 Tipps für die verbale Wissenschaftskommunikation“ ist jüngst bei Springer Nature erschienen. Foto: Irena Walinda

Allgemein ist wichtig, dass man seine Kernbotschaften vorbereitet hat und sich darauf konzentriert. Sich nicht zu sehr ablenken lässt. Dass man im Zweifel auch nicht alles exakt so beantwortet, wie es gefragt wurde, sondern dass man immer wieder zu seinen Kernbotschaften zurückkommt. Ganz konkret ist es wichtig, dass man verständlich kommuniziert. Man muss inhaltlich vereinfachen, wenn man mit Laien spricht. Dazu gehört auch, dass man eine einfache Sprache verwendet, Fachbegriffe erklärt und in kurzen Sätzen spricht. Außerdem ist es wichtig, konkret zu sein. Im Wissenschaftsjargon wird oft abstrakt gesprochen. In der Kommunikation mit Laien ist es dagegen wichtig, immer anschauliche Beispiele zu bringen, um auch Bilder im Kopf des Gegenübers entstehen zu lassen. Das waren jetzt in aller Kürze 4 bis 5 meiner 77 Buchtipps. Man kann natürlich auch viel lernen, wenn man sich die Kommunikation anderer genau anschaut. Deshalb gebe ich Beispielen für gelungene Wissenschaftskommunikation viel Raum in meinem Buch. Die meisten Tipps veranschauliche ich mit solchen Positivbeispielen, die ich übrigens auch persönlich sehr inspirierend finde.

Von welchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kann man sich in der Kommunikation noch etwas abschauen?

„Möglichst viele Wissenschaftlerinnen sollten sich neben der Forschung auch der Kommunikation widmen – mit dem Anspruch, es gut zu machen.“ Volker Hahn
Die Beispiele in meinem Buch stammen sowohl von Wissenschaftlerinnen, die nur sporadisch kommunizieren als auch von solchen, die sehr viel oder sogar nur noch kommunizieren. Mai Thi Nguyen-Kim zum Beispiel kommuniziert in vielerlei Hinsicht vorbildlich. Genauso Yuval Harari oder Richard Dawkins. Die TED-Talks von Hans Rosling gehören auch dazu oder die Kommunikation von Antje Boetius. Andere wie Dorothea Kübler, Anna Bergmann, Julia Becker oder Madelaine Böhme kommunizieren nicht so viel wie die zuerst Genannten. Aber ich finde es wichtig, das Kommunizieren nicht allein den Kommunikationsprofis zu überlassen. Möglichst viele Wissenschaftlerinnen sollten sich neben der Forschung auch der Kommunikation widmen – mit dem Anspruch, es gut zu machen. Da gibt es so viele tolle Beispiele, bei denen sowohl die Inhalte als auch die Art der Vermittlung faszinierend sind. Deshalb hat mir auch das Sammeln der Beispiele für mein Buch sehr viel Freude bereitet. Im Mai musste ich das Manuskript bei Springer abgeben. Seitdem stoße ich ständig auf neue Beispiele und denke: Verdammt, das hätte super zu Tipp X gepasst!

Welche Chancen und Risiken gibt es bei öffentlichen Auftritten von Forschenden?

Erst mal glaube ich, dass es mehr Chancen gibt als Risiken. Die große Chance ist, dass man andere Menschen mit dem erreichen kann, was einem selbst wichtig ist. Wenn man es gut macht, dann kommen auch genau diese Inhalte beim Zielpublikum an. Hier liegt aber auch das Risiko. Denn wenn man es schlecht macht, dann nimmt das Publikum etwas anderes mit als geplant oder es bleibt nur Nebensächliches hängen. Dann habe ich Zeit vergeudet – meine eigene und die des Publikums. Es gibt natürlich auch Fälle, wo die Risiken größer sind und kommunizierende Wissenschaftlerinnen angefeindet werden – man denke an Christian Drosten und Sandra Ciesek. Hier sind aber auch die Chancen besonders groß; denn wenn Wissenschaftskommunikation zur medizinischen Intervention wird, dann rettet sie ganz konkret Leben.

Wie bleibt man souverän, wenn jemand aus dem Publikum in der Kritik persönlich wird?

„Es ist wichtig, seine eigene Agenda zu haben, zu der man immer wieder zurückkehrt und das Gespräch nicht aus der Hand zu geben.“ Volker Hahn
Eine souveräne Expertin sollte bei ihren eigenen Themen und Botschaften bleiben und nicht auf jede Provokation eingehen. Diejenigen, die auf Konfrontation aus sind, erreicht man ohnehin nicht. Aber meistens hören ja noch andere Menschen zu. Dann kommt es vielmehr darauf an, was diese Personen mitnehmen. Es ist wichtig, seine eigene Agenda zu haben, zu der man immer wieder zurückkehrt und das Gespräch nicht aus der Hand zu geben. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Aber es hilft, wenn man mit solchen Situationen rechnet. Dann fällt es leichter, cool zu bleiben und das umzusetzen, was man sich vorgenommen hat.

Warum steht im Titel ihres Buches explizit „Die souveräne Expertin“ und nicht „Der souveräne Experte“?

„Die souveräne Expertin“ ist generisches Femininum – grammatisch weiblich, aber gemeint sind alle Geschlechter. Das ist übrigens keine Erfindung von mir. Eine „Erfindung“ von mir ist eher, dass alle, die nicht Wissenschaftlerinnen sind bzw. waren, im generischen Maskulinum bleiben. Das führt dazu, dass – rein grammatisch – die Wissenschaftlerin dem Journalisten oder dem Zuhörer die Welt erklärt. Mir ging es zum einen darum, dass in der Vorstellung der Leserinnen und Leser nicht das männliche Forscher-Stereotyp dominiert. Zum anderen wollte ich im Sinne des Buches kurz und leicht verständlich formulieren – also nicht „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ schreiben. Neutralisierende Verrenkungen wie „Forschende“ mag ich persönlich nicht. Meine Entscheidung ist eine Möglichkeit für geschlechtergerechte Sprache. Mich würde durchaus interessieren, wie andere das finden.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation?

„Gleichzeitig muss das Engagement in der Wissenschaftskommunikation auch honoriert werden und darf kein Karrierenachteil sein.“ Volker Hahn
Ich sehe einen großen Bedarf an Schulung, weil das Thema einfach viel wichtiger geworden ist. Die Nachfrage nach guter und souveräner Kommunikation hat auf jeden Fall zugenommen. Ich denke, in Zukunft wird das Thema auch bei der Beantragung von Forschungsgeldern wichtiger werden. Das Tolle ist: Viele Forscherinnen wollen kommunizieren und sind offen, sich das Handwerkszeug dafür zuzulegen. In Medientrainings zum Beispiel sehe ich, wie Wissenschaftlerinnen innerhalb weniger Stunden ganz erhebliche Fortschritte erzielen. Hochschulen und Forschungseinrichtungen sehe ich in der Pflicht, entsprechende Kurse anzubieten. Gleichzeitig muss das Engagement in der Wissenschaftskommunikation auch honoriert werden und darf kein Karrierenachteil sein. Da liegt noch ein langer Weg vor uns.

*Normalerweise nennen wir bei Beschreibungen von Personengruppen zwei Geschlechtsformen. Hier verzichten wir ausnahmsweise darauf und nehmen die Wortwahl des Interviewpartners mit auf, die er auch in seinem Buch und in diesem Interview so verwendet (siehe Antwort auf Frage sieben).