Foto: Nikolas Fahlbusch / HTW Berlin

„Für den Klimaschutz müssen wir alle erreichen“

Volker Quaschning klärt in sozialen Medien und als Buchautor über Klimaschutz und erneuerbare Energien auf. Im Interview spricht er darüber, wie er mit Hass im Netz umgeht, warum provokante Tweets immer eine „Gratwanderung“ seien und weshalb er sich als Sprachrohr für Klimaaktivist*innen sieht.


Herr Quaschning, in Ihren ersten Büchern zu den Themen Energiewende und Klimawandel richteten Sie sich an ein Fachpublikum. Warum entschieden Sie sich dazu, mit diesen Themen auch ein breiteres Publikum anzusprechen?

Volker Quaschning ist Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin und Mitinitiator der Initiative Scientists for Future. Über YouTube, Podcast, TikTok und Twitter macht er auf die Klimakrise und erneuerbare Energien aufmerksam. Er ist Autor des Bestsellers „Energierevolution Jetzt!“ Foto: Janine Escher.

Eine Hauptmotivation war natürlich der Klimaschutz. Bei der Kommunikation über Klimaschutz sollte das Problem immer gemeinsam mit der Lösung kommuniziert werden. Und bei der Diskussion über Lösungen reicht es nicht, dass Forschende beispielsweise nur Berechnungen für Solarzellenanlagen bereitstellen. Vielmehr müssen diese Erkenntnisse erklärt werden, damit die Bevölkerung eine neue Technologie auch annimmt. Das möchte ich mit meiner Arbeit erreichen.

Sie nutzen für Ihre Wissenschaftskommunikation verschiedene Kanäle wie YouTube, Podcasts, TikTok und Bücher. Über welchen Kanal funktioniert die Klimakommunikation am besten?

Das ist schwierig zu sagen, weil ich mit jedem Kanal unterschiedliche Zielgruppen erreiche. In unserem Podcast zum Beispiel können wir in den etwa einstündigen Folgen auch komplexe Themen ausführlich von verschiedenen Seiten beleuchten. Viele Leute hören sich eine Folge dann auch am Stück an, mehr als 30.000 Aufrufe erreichen wir trotzdem selten. Man erreicht mit einem Podcast also nicht 80 Millionen Menschen und kann sagen, dass das Thema damit erledigt ist. Um mehr Menschen zu adressieren, kann man zusätzlich soziale Medien wie Twitter in Betracht ziehen. Wenn ein Tweet gut läuft, dann erreiche ich damit weit über 100.000 Menschen. Natürlich ist es schwer, einen komplexen Sachverhalt in 280 Zeichen darzustellen und ein Tweet ist immer nur ein Ausschnitt, aber man kann natürlich trotzdem aufklären. Daher denke ich, dass jedes Format seine Berechtigung für eine bestimmte Zielgruppe hat.

Bei welcher Zielgruppe ist es Ihnen besonders wichtig, diese zu erreichen?

Für den Klimaschutz müssen wir alle erreichen. Insofern gibt es für mich nicht die eine Zielgruppe.

Die Themen Klimawandel und erneuerbare Energien sind emotional sehr aufgeladen. Was muss man bei der Kommunikation zu solchen Themen beachten?

Man muss sich ein ganz dickes Fell anschaffen. Wir könnten den Klimaschutz technisch eigentlich lösen und leisten könnten wir uns das auch. Wir wollen es aber nicht lösen, denn dafür müssten viele Menschen ihre Lebensstile verändern und das ist unbequem. Bevor Menschen also ihre Lebensstile verändern, bekämpfen sie lieber die, die diese unbequeme Wahrheit aussprechen. Und das sieht man dann auch bei Twitter. Ein größerer Teil der Kommentare, die ich erhalte, sind Beschimpfungen oder Abwertungen. Das muss man aushalten können. Als Politiker*in ist man einen enormen Widerspruch vielleicht gewöhnt, als Wissenschaftler*in eher nicht. Als Wissenschaftler*in denkt man, es wird über Fakten diskutiert, stattdessen argumentieren viele Menschen aber auf emotionaler Ebene.

„Bevor Menschen also ihre Lebensstile verändern, bekämpfen sie lieber die, die diese unbequeme Wahrheit aussprechen.“ Volker Quaschning

Haben Sie in den vergangenen Jahren eine Strategie entwickelt, wie man mit Hass in den sozialen Medien umgehen kann?

Man muss versuchen, die Brille zu wechseln und sich fragen, warum die Leute so reagieren. Die hassen dich ja nicht persönlich, sondern sie köpfen in dem Moment den Überbringer der schlechten Botschaft. Es muss einem klar sein, dass das eigentlich psychologische Effekte sind. Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es logisch, dass man Bedrohungslagen wie die Klimakrise analysiert und die Lösung umsetzt, aber das funktioniert nicht für jeden Menschen. Viele verdrängen oder leugnen die unbequemen Fakten.

Ihre Tweets sind teilweise provokant formuliert. Möchten Sie so auch gezielt Debatten anregen?

Ja, aber das ist natürlich immer eine Gratwanderung. Als Wissenschaftler*in muss man sicherstellen, dass die Fakten stimmen. Diese kann man entweder sehr nüchtern darstellen oder etwas provokanter in den Raum werfen. Twitter erzieht einen eher dazu, Letzteres zu tun, denn je sachlicher man formuliert, desto weniger Leute interessiert es. Der Fokus muss aber weiterhin auf der Wissenschaft und Sachlichkeit liegen und man darf die Wahrheit und die Fakten dabei nicht aus den Augen verlieren.

In den letzten Wochen waren Klimaproteste in den Medien sehr präsent. Wie aktivistisch darf Ihrer Meinung nach Wissenschaftskommunikation sein? 

Es gibt die Scientist Rebellion, das ist ja auch eine Art der Wissenschaftskommunikation. Ich werde mich nicht auf die Straße kleben, weil ich glaube, dass ich mit meiner Öffentlichkeitsarbeit eine größere Reichweite habe. Verständnis habe ich aber natürlich für die Kolleg*innen, die das tun. Wenn ich mir die wissenschaftlichen Berichte zum Klimaschutz anschaue und sehe, wie ernst das Problem ist und wie wenig dagegen selbst mit einer grünen Regierungsbeteiligung getan wird, kann ich die Verzweiflung gerade bei jüngeren Wissenschaftler*innen durchaus nachvollziehen.

Sehen Sie sich als Sprachrohr für die Anliegen von Aktivist*innen, die keine große Reichweite haben?

Definitiv. Wenn ich etwas auf Twitter poste, dann lesen das mindestens 10.000, eher 100.000 Leute. Die Forderungen kopiere ich nicht 1:1, aber die Anliegen ähneln sich natürlich. Anstatt, dass wir jedoch über die Art des Protests diskutieren, sollten wir uns andere Wege überlegen, wie wir in eine Diskussion kommen können. Dieses Phänomen haben wir bereits bei Fridays for Future gesehen, wo hauptsächlich über das Schulschwänzen diskutiert wurde. Es wird von eigenen Fehlern abgelenkt, indem der Fokus auf etwas anderes gelegt wird. Ich sehe da die Aufgabe der Wissenschaftler*innen, die mehr in der Öffentlichkeit stehen, das Augenmerk wieder auf die Fakten zu legen. Es sollte über die Fakten geredet werden und nicht darüber, wie hoch die Strafe für Aktivist*innen sein soll. Und da bin ich nicht der Einzige, es gibt noch viele andere Wissenschaftler*innen wie Stefan Rahmstorf, Claudia Kemfert oder Maja Göpel, die sich öffentlich äußern. Das Schöne ist, dass wir seit Fridays for Future keine Einzelkämpfer mehr sind, sondern deutlich vernetzter.

„Ich sehe da die Aufgabe der Wissenschaftler*innen, die mehr in der Öffentlichkeit stehen, das Augenmerk wieder auf die Fakten zu legen.“ Volker Quaschning

Seit ein paar Monaten veröffentlichen Sie auf Ihrem YouTube-Kanal vor allem 90-sekündige Videos in der Kategorie YouTube-Shorts, die auch auf TikTok zu sehen sind. Warum haben Sie sich dazu entschieden, diese kurzen Videos zu machen?

Seit einem Jahr bekomme ich finanzielle Unterstützung von dem Verein „Protect the Planet“ und kann mir dadurch professionelle Hilfe leisten. Mein Redakteur hat die kurzen Videos vorgeschlagen, weil man natürlich auf TikTok eine ganz neue Zielgruppe erreichen kann. Wir haben analysiert, dass die durchschnittlichen Zuschauer*innen von meinen Beiträgen 35, 40 oder älter sind und eher männlich als weiblich. Die Idee war einfach, ein anderes Format auszuprobieren und zu sehen, ob man damit eine jüngere Zielgruppe erreicht. Das hat bis jetzt sehr gut funktioniert.

Kann es denn gelingen, ein komplexes Thema in so kurzer Zeit zu erklären?

Es geht sehr viel verloren. Allerdings ist es im Prinzip wie ein Abstract einer wissenschaftlichen Arbeit. 90 Sekunden sind etwa 1500 geschriebene Zeichen, was der typischen Länge eines Abstracts entspricht. Natürlich kann man Wissenschaft nicht nur mit diesen kurzen Zusammenfassungen erklären. Es gibt aber durchaus viele Menschen, die zunächst mehrere Abstracts lesen und sich dann eine Publikation intensiver anschauen. Wenn man das so sieht, haben die Kurzvideos durchaus ihre Berechtigung.

Wie wählen Sie aus, welche Inhalte auf Ihren Kanälen thematisiert werden? 

Eigentlich aus dem Bauchgefühl heraus. Wenn es eine öffentliche Diskussion gibt, die faktenbasiert funktioniert, dann brauche ich mich da nicht einmischen. Gibt es jedoch eine große Diskrepanz zwischen der öffentlichen Wahrnehmung und den eigentlichen Zahlen, versuche ich das zu adressieren und die sachlichen Fakten wieder in den Fokus zu rücken. Meine Beobachtung ist, dass Fakten in der öffentlichen Diskussion eine immer kleinere Rolle spielen. Ich glaube deshalb, dass die Wissenschaft als Korrektiv extrem wichtig ist und würde mir wünschen, dass sich noch mehr Wissenschaftler*innen öffentlich einmischen.