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Forschende früh für Wissenschaftskommunikation und Transfer begeistern

Das INSIGHTS-Projekt führt Forschende der Berlin School of Economics (BSE) bereits am Anfang ihrer Karriere an Wissenschaftskommunikation und Transfer heran. Wie die praktische Umsetzung dieses Programms aussieht, berichtet der Medienreferent des Projekts, Maximilian Peukert, im Gastbeitrag.

Der große gesellschaftliche Bedarf an wissenschaftlichen Erkenntnissen und deren Vermittlung ist durch die Corona-Pandemie, den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise verstärkt ins Bewusstsein vieler Menschen gerückt. Doch Forschungsergebnisse, Methoden und deren Grenzen für ein fachfremdes Publikum zu erklären, ist eine komplexe Aufgabe. Sie setzt Kompetenzen voraus, die jungen Forschenden kaum durch die klassische Ausbildung vermittelt werden. So verwundert es nicht, dass sich viele Wissenschaftler*innen eher aus öffentlichen Diskursen heraushalten möchten. Eine Folge ist, dass einige wenige Kommunikationsprofis quasi omnipräsent in den Medien sind – in der Regel eher Generalist*innen und nicht Fachexpert*innen. Die verschiedenen Perspektiven und Erkenntnisse aus den unterschiedlichen Disziplinen der Wissenschaft sind daher oft in der Öffentlichkeit unterrepräsentiert.

Im INSIGHTS-Projekt hat sich eine Reihe sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Institutionen zusammengeschlossen, um diese Lücke zu schließen und vor allem Forschende am Anfang ihrer Karriere anzusprechen. Ziel ist es, das Potenzial der jungen Generation für Transfer zu heben und so einer diverseren Wissenschaftskommunikation den Weg zu ebnen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) haben hierfür eine Projektfinanzierung der Leibniz-Gemeinschaft eingeworben. INSIGHTS hat drei programmatische Schwerpunkte: den Aufbau eigener Plattformen für Transferaktivitäten, die Schulung der Transferkompetenzen und die Förderung von Transferaktivitäten.

„Ziel ist es, das Potenzial der jungen Generation für Transfer zu heben und so einer diverseren Wissenschaftskommunikation den Weg zu ebnen." Maximilian Peukert

Eigene Plattformen für Transferaktivitäten

Als Plattform für den wissenschaftlichen Transfer dient zunächst die neue BSE-Website mit dem neuen Format INSIGHTS Pieces. BSE-Mitglieder veröffentlichen dort Policy Briefings und allgemeinverständliche Kurzfassungen ihrer neuesten Forschungsergebnisse. Bislang sind über 140 solcher INSIGHTS Pieces erschienen. Das Projektteam begleitet alle Veröffentlichungen zum Beispiel mit Posts auf den Social-Media-Kanälen der BSE sowie bei Bedarf durch Pressearbeit. Daneben starteten im Sommer 2022 die INSIGHTS Roundtables. Forschende tauschen sich in diesem Format direkt mit Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung zu einem aktuellen politischen Thema aus. In der ersten Ausgabe wurde beispielsweise die Umsetzung des Bürgergeldes mit Mitgliedern des zuständigen Referats des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales diskutiert. Solche Dialoge helfen den Forschenden mit ihren Erkenntnissen, Entscheidungsträger*innen zu erreichen. Doch Wissenstransfer geht in beide Richtungen: Wissenschaftler*innen bekommen neue Impulse und Forschungsideen durch die Interaktionen mit Personen aus Politik und Praxis.

Schulung der Transferkompetenzen

Transferrelevante Fähigkeiten vermittelt INSIGHTS den Forschenden durch verschiedene Trainings sowie einen PhD-Kurs. Für die Teilnahme erhalten Postdocs und PhD-Studierende Leistungspunkte (ECTS-Credits), die sie für ihren Abschluss benötigen. Im PhD-Kurs lernen sie, Policy Briefings zu verfassen und diese anschließend auf einer Pressekonferenz zu präsentieren. Die gemeinsam mit erfahrenen Expert*innen – unter anderem  mit Wissenschaft im Dialog* – ausgerichteten Seminare umfassen Themen wie: Grundlagen der Wissenschaftskommunikation, Presse-Interviews, Twitter, das Sprechen vor der Kamera und journalistisches Schreiben. Es haben bereits fünf Trainings mit circa 50 Teilnehmenden stattgefunden. Die Evaluationen fallen sehr positiv aus, eine wichtige Bestätigung, dass es ein hohes Interesse und einen großen Bedarf an praxisorientierter Kompetenzvermittlung im Wisskomm- und Transferbereich gibt.

„Solche Dialoge helfen den Forschenden mit ihren Erkenntnissen, Entscheidungsträger*innen zu erreichen." Maximilian Peukert

Förderung von Transferaktivitäten

Um die vermittelten Kenntnisse auch in die Praxis umzusetzen, fördert INSIGHTS zusätzlich konkrete Transferaktivitäten. Ein wichtiges Kriterium für deren Förderung ist die Politikrelevanz. So erhalten Forschende Mittel für das Veranstalten von Workshops, wenn sie einen klaren Fokus auf politische Themen legen. Bislang gab es sechs solcher INSIGHTS Workshops mit einer thematischen Bandbreite von Mietkontrollmechanismen bis zu Auswirkungen von Klimapolitik. INSIGHTS bezuschusst BSE-Mitgliedern daneben die Teilnahme an Konferenzen mit Politikbezug. Um die Vernetzung und Zusammenarbeit mit Praktiker*innen aus Ministerien und NGOs voranzutreiben, komplementieren die BSE Policy Fellowships das INSIGHTS-Programm. Sie finanzieren Forschungsaufenthalte von bis zu drei Monaten an einem INSIGHTS-Institut der Wahl. Dort widmen sich die Fellows dann in Kooperation mit Wissenschaftler*innen des Gastinstituts einer Forschungsfrage und können auf die Infrastruktur des jeweiligen Hauses zurückgreifen. Darüber hinaus bezuschusst INSIGHTS Forschungsprojekte von BSE Wissenschaftler*innen mit Personen aus dem Politikbereich für bis zu zwei Jahre. Alle Mittel sind geknüpft an konkrete Dokumentationsformate, die auf wissenschaftlichen Transfer und Veröffentlichungen abzielen. Beispiele hierfür sind die Erstellung von Policy Briefings, Videos und Presseveröffentlichungen.

Die WissKomm-Praxis der Wissenschaftler*innen an der BSE wird ebenfalls durch INSIGHTS gefördert. Dazu gehören Praktika bei Medienhäusern und Kommunikationsagenturen. Ziel ist es, den Praktikant*innen ein tiefergehendes Verständnis von Kommunikationsarbeit zu vermitteln und die Vernetzung mit relevanten Stakeholdern zu ermöglichen. INSIGHTS selbst leistet Pressearbeit für Forschende und nutzt dazu die Netzwerke der beteiligten Institutionen. So konnte im Juni beispielsweise der Meinungsartikel eines Postdocs in der ZEIT platziert werden. Daneben hat das INSIGHTS-Team den Twitter Account der BSE übernommen, dessen Aktivität ausgebaut und so die Followerzahl bereits verdoppelt. Das eröffnet die Möglichkeit, die WissKomm-Aktivitäten der BSE-Mitglieder noch effektiver zu teilen.

Transferaktivitäten als Selbstverständnis

Das INSIGHTS-Team möchte im Projektverlauf bis 2024 noch viele weitere junge Ökonom*innen für den wissenschaftlichen Transfer begeistern und so ein positives Beispiel für die gezielte Ausbildung und Förderung von Forschenden im Transferbereich in Deutschland setzen. Dahinter steht die Überzeugung, dass durch die professionelle Begleitung und Unterstützung eine neue Generation in der Wissenschaft entstehen kann, für die Transferaktivitäten zum professionellen Selbstverständnis gehören. Davon profitieren am Ende die Gesellschaft und die Wissenschaft gleichermaßen.

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.

*Wissenschaft im Dialog ist einer der drei Träger des Portals Wissenschaftskommunikation.de