Foto: Sophie G. Elschner

„Es ist mir wichtig, ein realistisches Bild von Wissenschaft zu vermitteln“

Mit ihrem Comic “psychoSoph” möchte Sophie Elschner zeigen, dass Psychologie mehr ist als nur Psychotherapie. Was für sie „ehrliche Wissenschaftlichkeit“ bedeutet und welche Herausforderungen ihr als Künstlerin beim Comic-Zeichnen begegnen, verrät die Psychologin und Kognitionswissenschaftlerin im Gespräch.

Frau Elschner, Sie sind Autorin und Zeichnerin des psychoSoph Comics und stellen dort Themen aus der Psychologie und den Kognitionswissenschaften einfach erklärt dar. Wie kam es dazu?

Sophie G. Elschner ist Psychologin und Kognitionswissenschaftlerin und forscht am Frauenhofer Cluster of Excellence “Integrierte Energiesysteme” (CINES) zu Wissenschaftskommunikation. Sie ist zudem Wissenschaftskommunikatorin und Zeichnerin und veröffentlicht neben ihrem psychoSoph Comic auch freie Zeichnungen auf ihrem Blog Sophssketchpad. Foto: Privat

Ich zeichne viel in meiner Freizeit und habe während meiner Doktorarbeit viel Freude an der Lehre gefunden. Deshalb kam mir zu dieser Zeit die Idee, mit einem Comic mein Hobby mit Wissenschaftskommunikation verbinden zu können. Ich habe aber nie die Zeit gefunden, an der Umsetzung dieser Idee wirklich intensiv zu arbeiten.

Nach der Abgabe meiner Doktorarbeit habe ich mich dann entschieden, den psychoSoph Comic umzusetzen und damit an der WissKomm-Ambassador-Ausschreibung der Deutschen Gesellschaft für Psychologie teilzunehmen. Die Förderung habe ich auch tatsächlich bekommen und dann begonnen, ernsthaft am Comic zu arbeiten.

Die Themen des Comics sind sehr vielseitig: Vom Overview Effekt und Gähnen bis zuletzt zum eher komplexen Weber’schen Gesetz. Woher nehmen Sie Inspiration für neue Themen?

Einerseits möchte ich gerne Themen eine Bühne bieten, die man vielleicht nicht unbedingt als Psychologie-Themen wahrnehmen würde. In der Wissenschaftskommunikation in diesem Bereich werden hauptsächlich Inhalte aus der klinischen Psychologie oder aus der Sozialpsychologie behandelt. Das sind sehr wichtige Themen und gerade in der klinischen Psychologie können wir noch einiges tun, um ein allgemeines Wissen darüber zu vermitteln. Man hört aber zum Beispiel nie davon, dass Psycholog*innen auch in den Ingenieurwissenschaften arbeiten können.

Andererseits wollte ich mir selbst mehr Wissen über andere Teile der Psychologie, Kognitions- und Neurowissenschaft aneignen. Wenn man forscht, ist man sehr eingeschränkt auf einen oder vielleicht zwei Themenbereiche. Man hat selten Zeit, über andere Themen zu lesen, oder nimmt sie sich nicht dafür. Deshalb sind die Themen so ausgewählt, dass sie mich auch selbst interessieren.

Bis heute haben Sie fünf Comics veröffentlicht. Zu Beginn hatten Sie monatlich ein neues Kapitel geplant. Was hat Sie von der Verwirklichung des Vorhabens abgehalten?

„Mir ist aufgefallen, dass die Menschen häufig nicht gut nachvollziehen können, wo die kommunizierten Forschungsergebnisse eigentlich herkommen.“ Sophie G. Elschner
Ich habe unterschätzt, wie viel Arbeit damit verbunden ist. Außerdem habe ich wegen der Pandemie das Konzept des Comics geändert. Mir ist aufgefallen, dass die Menschen häufig nicht gut nachvollziehen können, wo die kommunizierten Forschungsergebnisse eigentlich herkommen.

Es ist mir wichtig, ein realistisches Bild von Wissenschaft zu vermitteln: Was wissen wir noch nicht? Wo gibt es Schwierigkeiten? Was kritisieren andere Wissenschaftler*innen an der Forschung, die ich gerade präsentiert habe? Mir ist besonders wichtig, dass die Leser*innen nachlesen können, welche Quellen ich für den Comic nutze. Das gehört für mich zu einer ehrlichen Wissenschaftlichkeit dazu.

Dementsprechend sind die einzelnen Comics jetzt doppelt so lang wie es eigentlich geplant war. Das braucht mehr Zeit, weil ich mehr lesen muss und natürlich brauchen die Zeichnungen dann auch länger.

In den Comics stehen Sie selbst als Wissenschaftlerin im Gespräch mit einer weiteren Person. Was hat Sie zu der Entscheidung bewegt, nicht alleine aufzutreten?

Ich habe mich dazu entschieden, weil man sich mit den Figuren leichter identifizieren kann und ich einen Dialog mit den Leser*innen nachbilden möchte. Deswegen gibt es immer eine Figur, die gewissermaßen die Leserschaft repräsentiert. Das hilft mir zum Beispiel auch, Fragen aufzugreifen, von denen ich denke, dass sie vielleicht aus dem Publikum kommen könnten. Ich kann den Figuren auch Kritik in den Mund legen und dann gleich darauf antworten. Ich hoffe, dass sich Menschen, die der Wissenschaft womöglich ein wenig kritischer gegenüberstehen, dadurch gehört fühlen und bereit sind, den Comic weiterhin zu lesen. Ob das funktioniert, weiß ich allerdings nicht. Das habe ich noch nicht evaluiert.

Es ist vermutlich nicht leicht, all das angehäufte Wissen zu einem Thema in wenigen kleinen Bildern zusammenzufassen. Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Sie das Zeichnen in der Wissensvermittlung einschränkt?

Ich muss definitiv viele Sachen herauskürzen, die ich gerne erzählen möchte. Die Wissenschaftlichkeit steht natürlich immer an erster Stelle, aber man muss mit einem Comic auch eine Geschichte erzählen. Es kurz zu halten, ist tatsächlich eines der schwierigsten Dinge am Comic-Schreiben. Es gibt nicht sehr viel Platz für den Text. Deshalb bin ich während des gesamten Prozesses dabei, zu kürzen. Oft schreibe ich aber auch ein paar Zusatzinfos unten in den Kommentar.

Wenn das Textskript erst einmal steht, wie finden Sie dann passende Illustrationen zu Ihren Inhalten?

„Ich denke viel in Bildern, das ist für mich ganz natürlich.“ Sophie G. Elschner
Anders als in Naturwissenschaften, in denen das Thema, beispielsweise durch Experimente, bereits einfach darzustellen ist, ist es in der Psychologie abstrakter. Viele Teile der Untersuchungen gehen in den Köpfen der Proband*innen vor. Das ist schwierig zu visualisieren und man will im Comic auch nicht zehnmal in Folge einen Fragebogen zeichnen. Deswegen muss man viel mit Symbolen arbeiten, über die ich dann länger nachdenken muss. Manchmal habe ich aber während der Recherche schon Bilder im Kopf und mache mir Skizzen ins Skript. Ich denke viel in Bildern, das ist für mich ganz natürlich.

Sie stehen mit Ihren Leser*innen nicht nur symbolisch im Comic im Dialog, sondern auch aktiv über Social Media. Welche Plattform nutzen Sie dafür?

Meine Hauptkommunikationsplattform ist Twitter, weil man sich dort schnell und einfach austauschen kann. Das funktioniert gut, um Zusatzinfos oder Kommentare zum Comic zu teilen. Manchmal frage ich dort auch nach der Meinung meines Publikums zu bestimmten Themen. Im Februar habe ich dort außerdem ein #WisskommShoutout gestartet, um Wissenschaftskommunikator*innen, die noch nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen, eine Plattform zu geben. Wenn man selbst ein bisschen Aufmerksamkeit hat, kann man anderen auch ein bisschen davon abgeben, finde ich. Außerdem gibt es so viele schöne Projekte in der Wisskomm-Community, von denen ich denke, dass sie mehr angeschaut werden sollten.

Wie ist es, so eng mit dem Publikum zusammenzuarbeiten?

Bis jetzt habe ich noch keine negativen Rückmeldungen bekommen und ich hoffe, das bleibt mir auch noch eine Weile erspart. Das liegt vermutlich auf der einen Seite daran, dass ich in meiner Kommunikation nicht aggressiv und wenig konfrontativ bin. Auf der anderen Seite ist der psychoSoph Comic auch noch nicht sehr bekannt. Ich denke, dass ich mit mehr Bekanntheit auch öfter negative Kommentare bekommen werde. Aber das gehört, glaube ich, dazu, wenn man auf Social Media unterwegs ist.

Ich habe mir für den Fall einen kleinen Krisenplan geschrieben, um zu wissen, wie ich dann reagieren soll. Dafür habe ich die Tipps aus dem Leitfaden von HateAid genutzt.

Was würden Sie unseren Leser*innen mit auf den Weg geben, die mit dem Gedanken spielen, einen Wissenschafts-Comic zu veröffentlichen?

„Man muss nicht immer den Internet-Algorithmen, die tägliche Uploads vorgeben, hinterherlaufen.“ Sophie G. Elschner
Zuerst einmal: Keine Angst vor dem Kürzen! Man kann sich ruhig auf das Wesentliche konzentrieren. Das zeigt sich auch in der Processing Fluency Theorie, zu der ich promoviert habe. Sie besagt, dass gerade Lai*innen Inhalte mehr mögen, die einfacher zu verstehen sind, und sie sogar als wahrer beurteilen.
Außerdem würde ich empfehlen, das Zeitmanagement zu bedenken und das Format daran anzupassen. Man muss nicht immer den Internet-Algorithmen, die tägliche Uploads vorgeben, hinterherlaufen. Es ist in Ordnung, sich Zeit zu lassen, wenn man eher Wert auf Qualität legen will und etwas langformatiges macht. Das bekomme ich auch als Rückmeldung von meinen Leser*innen. Kurzformatiges ist aber natürlich nicht schlechter.

Und ja, üben und machen!