Foto: Ellery Studio

Die Energiewende mit einem Malbuch erklärt

Forschende des Instituts für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) sowie Designer des Grafikteams von Ellery Studio wollten das komplexe Thema Energiewende anschaulich, einfach und verständlich machen. Im Interview erzählen sie, wie ihnen das mit einem Ausmalbuch gelungen ist.

Wie kommen ein Forschungsinstitut und eine Designagentur auf die Idee, gemeinsam ein Ausmalbuch zum Thema Energiewende zu gestalten?

Anika Nicolaas Ponder ist wissenschaftliche Referentin und leitet das Team Nachhaltigkeit und Innovation am Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) in Berlin. Sie wünschte sich gute Visualisierungen für ihre Themen, um sie besser erklären zu können.

Anika Nicolaas Ponder: Bei mir entstand die Idee während meiner Vorlesungen an der Uni Greifswald, der das IKEM angegliedert ist. Viele der Themen die ich erklären wollte, beschrieb ich mit abstrakten Tabellen und Zahlen, die für die Zuhörenden nicht zugänglich waren. Durch handgezeichnete Kuchendiagramme versuchte ich, die Informationen zu vereinfachen. Vor allem im Energiesektor ist es wichtig gute Visualisierungen und einen kreativen Ansatz zu finden, um eine breitere Hörerschaft zu erreichen. Das versuchen wir zwar, oft gelingt es uns als Forschenden aber nicht. Wir fragten Ellery Studio, ob sie bei Infografiken helfen könnten und kamen schnell auf die Idee ein Buch daraus zu machen.

Bernd Riedel ist Geschäftsführer bei Ellery Studio in Berlin. Der Informationsdesigner mit einer Begeisterung für die Klimakommunikation erarbeitete mit seinem kreativen Team in Zusammenarbeit mit dem IKEM das Malbuch zum Thema Energiewende.

Bernd Riedel: Ellery Studio und das IKEM arbeiten schon seit Jahren zusammen. Beispielsweise haben wir Internetseiten zu Projekten erstellt, und wir sind für das neue Logo verantwortlich. Wir fanden die Zusammenarbeit immer sehr spannend und wollten schon länger ein gemeinsames Projekt aufziehen. Die Idee war, das Thema Energiewende mal anders anzugehen. So kamen wir darauf, ein Ausmalbuch zu erstellen, das sich ganz von alleine erklärt

Und wieso haben Sie sich ausgerechnet für ein Ausmalbuch entschieden?

Riedel: Als Designteam haben wir schon immer gute Erfahrung damit gemacht, wenn man scheinbar unvereinbare Gegensätze zusammenbringt. Da entsteht dann Reibung und das ist interessant. Die Energiewende ist ein sehr umfangreiches Thema mit vielen Mitwirkenden aus verschiedenen Sektoren. Von der Politik über die Wirtschaft bis hin zur gesamten Gesellschaft. Ein so komplexes Thema wollten wir mit dem einfachsten Format zusammenbringen, das wir kennen: Einem Malbuch.

Nicolaas Ponder: Zudem war die Idee dahinter, dass es ein Format ist, bei dem man aktiv werden muss. Oft werden die beschriebenen Daten erst durch das Ausmalen deutlich oder es werden ganz neue Zusammenhänge sichtbar.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Themen für das Malbuch bestimmt?

Nicolaas Ponder: Inhaltlich sollten die wichtigsten Zutaten der Energiewende abgebildet sein. Dazu zählen Mobilität, erneuerbare Energien, Elektrizität, die Beheizung von Gebäuden und so weiter. Dazu kommt dann die Rolle des einzelnen Menschen einschließlich der Auswirkungen seines Handelns.

Riedel: Das große Geheimnis von guten Infografiken ist die enge Kombination von Stil und Substanz, also von Inhalten und visueller Darstellung. Je enger man hier zusammenarbeitet, um so besser werden sie. Und es hilft, wenn Themen in Form einer Skizze schnell ausprobiert werden. Man kann sich dann leichter vorstellen, wie es aussehen könnte und ob es umsetzbar ist.

Nicolaas Ponder: Wir haben uns in einem kreativen Workshop zusammengesetzt und insgesamt 68 Ideen besprochen und skizziert. Es gab so vieles, was wir erzählen wollten! Wir haben dann diejenigen Themen aussortiert, bei denen es schwierig war Daten zu sammeln oder für die es keine einfache Visualisierung gab. Im fertigen Buch sind nun 33 Themen enthalten.

Wen oder was wollen Sie mit dem Energiewendemalbuch erreichen?

Nicolaas Ponder: Unser Ziel ist es, verständlich zu zeigen was bei der Energiewende auf dem Spiel steht und ein paar der Fehldarstellungen oder Mythen rund um Themen wie Klimawandel oder erneuerbare Energie klarzustellen. Zusätzlich haben wir Menschen, die im Bereich der erneuerbaren Energie arbeiten, etwas in die Hand gegeben, das ihnen hilft, wenn sie über ihre Themen sprechen wollen.

Unsere Leser sind sicherlich interessierte Menschen, die mehr über das Thema erfahren wollen. Denn, auch wenn es ein Ausmalbuch ist, sind ja eine Menge Daten enthalten.

Wir hoffen damit aber auch einen Weg gefunden zu haben, um Leute anzusprechen, die bislang wenig Interesse oder noch keinen Zugang zum Thema gefunden haben. Ein Malbuch ist ein schlichtes Format, das dazu verführt einfach mal darin zu blättern und zu malen – und sich dadurch mit den Themen auseinanderzusetzen.

Welche Reaktionen erfahren Sie auf dieses Buch?

Das Energiewendeausmalbuch ermöglicht Gespräche mit Politikerinnen und Politikern, wie hier mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit Eugen Litwinow von Ellery Studio. Foto: Ellery Studio

Nicolaas Ponder: Insgesamt wird es sehr positiv aufgefasst, und es funktioniert ganz hervorragend als Türöffner. Wir gehen damit oft direkt auf Politiker oder sonstige Entscheidungsträger zu. Daraus ergibt sich immer ein Gespräch mit einem Austausch zu unseren Themen. So kam es auch dazu, dass Angela Merkel plötzlich unser Buch in Händen hielt und sich Zeit für uns nahm.

Riedel: Wir bekommen beispielsweise auch immer wieder Anfragen zu konkreten Inhalten. Die Seite zum erneuerbare Energien Gesetzt (EEG) wollen viele Menschen für Vorträge zum Thema nutzen. Das EEG haben wir mit einem Bild stark vereinfacht, auf dem Elektropakete auf einem Fließband vom Erzeuger zum Händler und weiter zum Endverbraucher gelangen. Jetzt kann man auf etwas Visuelles zeigen, während man Bestandteile von diesem Gesetz erklärt. Über solche Anfragen freuen wir uns und erlauben die Nutzung in der Regel.

Ihr Buch wurde mehrfach ausgezeichnet!

Nicolaas Ponder: Ja, das Buch wurde beim European Design Award mit Gold ausgezeichnet, hat einen Infografikpreis der deutschen Presseagentur und zwei Malofiej International Infografik Preise erhalten. Es tut dem eigenen Ego sehr gut, wenn man so lange an einem Non-Profit Projekt gearbeitet hat – also ohne große finanzielle Mittel und mit viel privatem Engagement – und mit großen Projekten der New York Times oder des National Geographic Magazins mithalten kann.

Bildunterschrift: Anika Nicolaas Ponder (IKEM), Bernd Riedel (Ellery Studio), Hanna Rasper (Ellery Studio) und Simon Schäfer-Stradowsky (Geschäftsführer IKEM) freuen sich über die Gold Auszeichnung in der Kategorie Illustration beim European Design Award. Foto: Eivor Eriksen

Riedel: Für uns ist es eine Art Leuchtturmprojekt. Wir haben viel Zeit in dieses Buch gesteckt und mussten es gegenfinanzieren, aber nun haben wir etwas, mit dem wir zeigen können, was möglich ist.

Gibt es Pläne für die Zukunft?

Nicolaas Ponder: Wir müssen neue Bücher drucken, da alle 2500 Exemplare vergriffen sind. Bei dieser Gelegenheit wollen wir einige Visualisierungen aktualisieren, die auf inzwischen zwei Jahre alten Daten basieren. Es ist spannend zu sehen, was sich in diesem Zeitraum schon verändert hat. Außerdem wollen wir eine Extraseite zur Fridays for Future Bewegung einbringen, die einen großen Einfluss auf das Thema Energiewende hat. Um die Kosten decken zu können, haben wir eine Crowdfundingkampagne durchgeführt und unser Ziel erreicht. Jetzt können wir loslegen, um im November in Druck zu gehen.

Ich hoffe zudem auf einen Teil zwei des Buches, in dem wir die Themen angehen können, die in der ersten Version keinen Platz mehr gefunden haben. Ich hätte nämlich gerne mehr zur Energieeffizienz und Mobilität gemacht.

Und wir wollen die im Buch enthaltenen Texte ins Deutsche übersetzen. Dafür suchen wir aktuell finanzielle Unterstützung.

 

Hier geht es zum Buch: The Infographic Energy Transition Colouring Book