Bild: Wissenschaftskommunikation.de

Wir reden über… die Bundestagsdebatte, Unsicherheiten und die #FactoryWisskomm

Das Wisskomm-Update gibt alle 14 Tage einen Überblick über aktuelle Themen, Debatten und Trends. Außerdem finden Sie hier aktuelle Termine und Forschungsergebnisse zur Wissenschaftskommunikation.

Was gibt’s Neues?

Bundestagsdebatte, die Zweite

Über die Bundestagsdebatte zur Stärkung der Wissenschaftskommunikation berichteten wir bereits am Montag. Die Zeit kommentierte in ihrem Newsletter WISSEN3, dass der diskutierte Antrag wissenschaftspolitisch brisant sei. Denn das Engagement in der Wissenschaftskommunikation solle künftig auch bei der Bewertung wissenschaftlicher Leistungen berücksichtigt werden: „Diese Position ist in der Wissenschaft hoch umstritten“. 

Table.Research stellte fest, dass Partizipation einen wichtigen Platz im Antrag einnimmt. Fünf der 17 Punkte seien diesem Thema gewidmet. Als problematisch bewertet der Redakteur Markus Weißkopf ein „verkürztes Verständnis von Kausalitäten“, das im Antrag deutlich werde: „Mit mehr Wissenschaftskommunikation aus der Wissenschaft heraus könne man Fake News wirksam bekämpfen“, hieß es häufig. Er hofft, dass diese unterkomplexe Sichtweise durch Expert*innen bei der weiteren Diskussion im Ausschuss korrigiert wird. Ressourcen für neue Initiativen seien allerdings kaum vorhanden. Denn während der Etat für die eigenen Aktivitäten des BMBF im Wissenschaftsjahr deutlich gestiegen sei, stagnierten die Mittel für die Projektförderung der Wissenschaftsjahre seit 2016. 

Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) veröffentlichte unterdessen am Tag der Debatte einen Gastbeitrag in der Zeit, in dem er nochmals deutlich die wertvolle Perspektive der Bürger*innen auf die Wissenschaft betonte. Der Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft müsse gefördert werden, um eine gemeinsame Faktenbasis zu schaffen. Denn: „Im Superwahljahr 2024 drohen Desinformationskampagnen, die gezielt Fake News streuen und politische Stimmungsmache betreiben.“

Wie man diese Beteiligung von Bürger*innen gut gestalten kann, erklärt eine neue acatech-Publikation („Unterstützung von Meinungsbildung im digitalen Wandel). Das Projekt „Technologischen Wandel gestalten“ hat untersucht, wie Dialoge mit der Bevölkerung zu kontroversen Technologiethemen gelingen kann. In Fokusgruppen wurden die Themen digitale Verwaltung und Katastrophenschutz diskutiert. Außerdem wurde ein spielerisches Webtool namens „ePA Check-up“ zur Meinungsbildung über die elektronische Patientenakte (ePA) eingesetzt. 

Die Ergebnisse zeigen, dass die Fokusgruppen zu echten Perspektiverweiterungen führten, während der „ePA Check-up“ eher bestehende Meinungen verfestigte, aber auch zur Meinungsbildung beitrug. „Immer wieder ist zu hören, man müsse die Bürgerinnen und Bürger beim technologischen Wandel ‚mitnehmen’“, sagte acatech-Präsident und Co-Projektleiter Jan Wörner. Viel wichtiger sei es allerdings, die aktive Rolle der Bürger*innen zu berücksichtigen.

Verbote, Shadowbanning und Sciencefluencer*innen

Die Videoplattform Tiktok ist derzeit in den Schlagzeilen. In den USA wird nun ein Verbot wegen möglicher Einflussnahme der Kommunistischen Partei Chinas diskutiert. Das Repräsentantenhaus hat ein Gesetz verabschiedet, das einen Eigentümerwechsel der App erzwingen soll. Der Kommunikationswissenschaftler und Berater Marcus Bösch hält einen plötzlichen Verkauf oder ein Verbot jedoch für unwahrscheinlich. Auch der Social Media Watchblog wägt die Wahrscheinlichkeit eines TikTok-Verbots ab und kommt zu einem anderen Schluss: Diesmal könnte die Drohung wahr werden. 

Unterdessen sprach Martha Dimitratou, Digitalstrategin bei Women on Web, in einem Interview mit der Zeit über die Herausforderung, wenn es darum geht, auf Plattformen wie Facebook und Instagram über Schwangerschaftsabbrüche aufzuklären. Die Entscheidung von Meta, weniger politische Inhalte zu zeigen, wirke sich negativ auf die Kommunikation von kontroversen Gesundheitsthemen aus. Die Zusammenarbeit mit Kreativen könne jedoch helfen, wissenschaftliche Inhalte in sozialen Medien sichtbarer zu machen, insbesondere wenn sie von Algorithmen eher als Kunst denn als politisch eingestuft würden.

Viel Aufmerksamkeit bekommen dagegen Influencer*innen. Die Berlin University Alliance fördert im Rahmen des Projekts „Berlin sucht den Sciencefluencer 2024 15 Nachwuchswissenschaftler*innen. Über einen Zeitraum von sechs Monaten sollen die Wissenschaftler*innen Tricks und Werkzeuge erlernen, um eine erfolgreiche professionelle Social-Media-Präsenz aufzubauen und in der wissenschaftlichen Gemeinschaft sichtbarer zu werden. Im Interview berichtet die Transformationsforscherin Jasmin Wiefek, dass sie mit einer aktiven Präsenz in den sozialen Medien ihre Forschungsergebnisse in die Praxis umsetzen und mehr Sichtbarkeit für ihr Kollektiv „Club der Guten Zukunft“ erreichen möchte. 

Wie KI-gestützter Journalismus gelingen kann. Foto: NiemanLab

Was denken New York Times und Co. über KI?

Für NiemanLab hat Zach Seward, der erste Redaktionsleiter für KI-Initiativen bei der New York Times, seinen Talk beim South by Southwest (SXSW) Festival verschriftlicht. Darin beleuchtet er, wie verschiedene Zeitschriften KI einsetzen. Unter anderem kritisiert er die Technik-Nachrichtenseite CNET, die Artikel mit KI-generierten Fehlern veröffentlicht hatte. Auf der anderen Seite lobt er Publikationen, die Machine Learning und Co. innovativ eingesetzt hatten, um beispielsweise große Datenmengen zu verarbeiten. 

Auch die Redaktion von Nature Reviews Physics hat sich des Themas KI angenommen. In einem Editorial mahnen die Redakteur*innen: KI ist kein Ersatz dafür, etwas zu sagen zu haben. Die Autor*innen erklären, dass gute Schreibfähigkeiten auf einer interessanten und originellen Perspektive basieren, die generative KI-Tools nicht ersetzen können. Die Verbreitung von KI-Tools in der Wissenschaft berge „epistemische Risiken, wenn Wissenschaftler ihnen als Partner in der Wissensproduktion vertrauen“.

Die Risiken generativer KI-Werkzeuge sind auch Thema des neuen Podcasts „SciComm Conversations“des europäischen Projekts COALESCE (wir berichteten). Achintya Rao hat den Kommunikationswissenschaftler Mike Schäfer von der Universität Zürich interviewt. Als mögliche negative Effekte sieht Schäfer eine weitere Verstärkung des Publikationsdrucks und die Verbreitung problematischer Forschungspraktiken. Zudem könnten KI-generierte Artikel eine zusätzliche Herausforderung für Wissenschaftsjournalist*innen darstellen, da es schwierig sei, echte von gefälschten wissenschaftlichen Arbeiten zu unterscheiden. Insgesamt ist Schäfer aber optimistisch: „Selbst die Diskussion über die Nachteile trägt dazu bei, dass wir wachsam bleiben, und ich hoffe, dass wir es schaffen werden, die Potenziale tatsächlich zu nutzen.“

Außerdem in diesem Update: Neue Forschungsergebnisse zu Vertrauen und wie kommunizierende Forschende ihre Außenwahrnehmung beeinflussen können, Termine (morgen endet die Bewerbungsfrist für FameLab!) und erste Eindrücke von der Halbzeitkonferenz der #FactoryWisskomm.

Und die Forschung?

Welchen Einfluss haben Unsicherheiten auf das Vertrauen in Kommunikator*innen? Das hat ein Forschungsteam um Charlotte Dries vom Harding-Zentrum für Risikokompetenz in Potsdam in einem Online-Experiment getestet. In einer fiktiven Mitteilung einer Gesundheitsbehörde erfuhren die Teilnehmenden, dass es keinen Zusammenhang zwischen einem neuen COVID-19-Impfstoff und Herzmuskelentzündungen gebe. Die Behörde teilte mit, dass die Informationen gesichert seien – oder dass es aus verschiedenen Gründen Unsicherheiten gebe. Danach wurde den Teilnehmenden mitgeteilt, dass die Information über den fehlenden Zusammenhang nicht mehr zutrifft. Die Ergebnisse der Befragung deuten darauf hin, dass die Kommunikation von Unsicherheit ein Puffer gegen den Vertrauensverlust sein kann, wenn sich die Erkenntnislage ändert. 

Und wie können Wissenschaftler*innen dazu beitragen, dass sie als vertrauenswürdig eingestuft werden? Samantha Hautea, John C. Besley und Hyesun Choung von der Michigan State University haben in einem Experiment untersucht, welchen Unterschied es macht, wenn Kurzbiografien von Wissenschaftler*innen Informationen über ihr Wohlwollen („benevolence“) vermitteln. Sie fanden heraus, dass dadurch die Wahrnehmung von Benevolenz und Integrität sowie die Vertrauensbereitschaft erhöhte. Die Einschätzung der Kompetenz blieb jedoch unverändert.

Termine

📆 22. März | „Leibniz R Journalist in Residence“-Programm | Mehr

📆 31. März 2024 | Wisskomm Preis der Deutschen Gesellschaft für Psychologie | Mehr

📆 31. März 2024 | Online-Beteiligung Forum gegen Fakes | Mehr

📆 11. April 2024 | FameLab Germany, Bielefeld | Mehr

📆 19. April 2024 | Wisskon 24 NaWik*-Konferenz für kommunizierende Forschende | Mehr

📆 17. Mai | Prototyping-Workshop zu „Diskurssensibler Gesundheitskommunikation“ | Mehr

📆 21 – 23. Mai 2024 | Collaborative Futures Academy 2024: Emotions in Engagement (online) | Mehr

📆 31. Mai 2024 | Deutscher Preis für Klimajournalismus | Mehr

Projekt des Monats: „Boardgame Historian“

Spiele können mehr sein als nur Zeitvertreib. Anna Falke und Lukas Boch zeigen wie moderne Brettspiele historische Themen aufgreifen und wie man sie als Medium in der Wissenschaftskommunikation nutzen kann. Lesen Sie mehr zum Projekt in unserem Interview.

Feedback

Wolfgang Scheida via X über den Artikel: „Why we shouldn’t panic about the rise of conspiracy theories“.

Jobs

🔉 Volontär*in im Bereich Wissenschaftskommunikation (m/w/d) | Leibniz-Gemeinschaft, Berlin (Bewerbungsschluss: 1. April 2024)

🔉 Volontär*in (m/w/d) im Bereich Hochschulmarketing/Strategische Kommunikation | Universität Bielefeld, Bielefeld (Bewerbungsschluss: 3. April 2024)

🔉  Werkstudent*in für Kommunikation & Marketing | Bielefeld Marketing GmbH, Bielefeld (kein Bewerbungsschluss)

Weitere Stellenangebote finden Sie in unserer Jobbörse – exklusiv für Stellen aus der Wissenschaftskommunikation. Hochschulen, Forschungsinstitutionen, Stiftungen und Co können ihre Stellenangebote direkt an Besucher*innen unseres Portals richten.

Impressionen

Foto: Gerrit Roessler

Am Montag fand die Halbzeitkonferenz der #FactoryWisskomm (Edition 2) statt. Bei LinkedIn teilte Gerrit Roessler ein Bild der Netzwerkkarte für internationale partizipative Wissenschaftskommunikation.

 

* Das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik) ist einer der drei Träger des Portals Wissenschaftskommunikation.de