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Risiko kommunizieren – zehn Tipps zur Bewältigung einer heiklen Gratwanderung

Auf der einen Seite Faszination und Bewunderung, auf der anderen Seite Erschrecken und Befürchtungen. Zwei Seiten einer Medaille, wie sie für die Risikokommunikation typisch sind. Gerade in der Wissenschaft geht es häufig um Entwicklungen und Technologien, bei deren Einschätzung Sympathie und Antipathie nah beieinander liegen.

Kritische Themen zu kommunizieren, bedeutet also eine Gratwanderung. Wobei Risikokommunikation kniffliger wird, wenn die Risiken chronisch und selten sind.

Das klingt abstrakt, also machen wir es greifbarer: Ein mit Künstlicher Intelligenz befasstes Forschungsinstitut entwickelt einen Pflegeroboter, der in Altenpflegeheimen Wäsche transportiert und Gymnastikübungen vorturnt. Risiko meint in diesem Fall: Der Pflegeroboter richtet Unheil an (selten) oder der Akku ist leer (häufig). Er wird wegen eines Personalengpasses vorübergehend eingesetzt (akut) oder er wird zum festen Bestandteil der Seniorenbetreuung (chronisch).

Unter „chronisch und selten“ fällt beispielsweise, dass es dieser ansonsten klaglos arbeitende Pflegeroboter nicht wahrnehmen würde, wenn er bei der Gymnastik eine Heimbewohnerin mit seinem Roboterarm so unglücklich trifft, dass sie stürzt und einen Knochenbruch erleidet. Hier zehn Tipps1, wie Risikokommunikation besser gelingen kann.

1) Nicht nur über Risiken reden, sondern auch den möglichen Nutzen ausdrücklich zur Sprache bringen. Dabei kann helfen, dem Gegenüber eine andere Perspektive zu eröffnen („Nehmen Sie an, Sie seien diejenige, die das Medikament benötigt“).

2) Sich nicht auf Forderungen nach „null Prozent Risiko“ einlassen. Jeder vernunftbegabte Mensch kann nachvollziehen, dass es so etwas in der Realität nicht gibt. Die Argumentation kann nur in den Appell münden, die wahrgenommenen Risiken in Beziehung zu setzen mit dem zu erwartenden Nutzen.

3) Nicht ungefragt eine Interpretationshilfe zur Einschätzung mitliefern („Das Risiko ist also ganz gering“).  Die jeweilige Einschätzung des Risikos und insbesondere des Nutzens basiert auf einer ganz individuellen Grundlage, die nur im seltensten Fall deckungsgleich mit der des Kommunikators sein dürfte.

4) Prozentangaben sind aus mehreren Gründen nicht ganz unproblematisch. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, quantifizierbare Angaben zum Risiko zu veranschaulichen. Wenn ich ein Risiko beschreibe, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit bei 0,001 Prozent liegt, dann entspricht dies von der Größenordnung her zehn Bewohnern einer Großstadt wie Köln.

5) Emotionen ernst nehmen, und zwar nicht nur in Form eines Lippenbekenntnisses. Einfühlungsvermögen bedeutet, sich in die Rolle des Gegenübers hineinversetzen zu können. Das verhilft zu einem anderen Verständnis von Besorgnis und Skepsis. Zumindest trägt es dazu bei, ein Aneinander-vorbei-reden zu vermeiden.

6) Daran denken, dass die Fähigkeit zu einem gewissen Einfühlungsvermögen auch im Innenleben einer Organisation eine große Rolle spielt. Hier stoßen wir häufig auf Emotionen wie Unverständnis und Ungeduld, etwa nach dem Motto: „Das muss doch so langsam mal jeder verstehen, dass wir Tierversuche nur da machen, wo sie wirklich notwendig sind.“ – Nein, das muss nicht jeder verstehen.

7) Sprache in der Risikokommunikation braucht kurze, klare Sätze. Ohne ein ständiges Wenn und Aber. Jede bedeutsame Relativierung kommt in einen neuen Satz. Schließlich wollen Sie, dass Ihre Botschaft nachvollziehbar ankommt. Gelingt dies nicht, verspielen Sie noch vorhandenes Vertrauen und fördern ohne Not latentes Misstrauen.

8) Eine schnörkellose Sprache bedeutet auch: sie nicht mit Fachbegriffen zu überfrachten. Üblicherweise ergibt sich die Expertise für ein Thema doch schon daraus, dass man dazu Stellung bezieht. Schnörkellos bedeutet zudem, auf oberlehrerhafte Bemerkungen zu verzichten („Wie jeder noch aus Schulzeiten wissen sollte. . .“).

9) Bleiben Sie im Anspruch an sich selbst bescheiden. Selbst gelingende Risikokommunikation wird nie die Fundamentalopposition auf Ihre Seite bringen. Es geht weniger darum, dogmatische Gegner zu überzeugen. Sondern es geht darum, die große, unentschlossene Mitte zu erreichen.

10) Verstehen Sie überzeugende Risikokommunikation als Prävention, um nicht eines Tages Krisenkommunikation betreiben zu müssen. Weil diese Aussage ein bisschen zu vereinfachend wäre, formulieren wir es vorsichtiger: Risikokommunikation kann eines der Instrumente sein, um einer Krise und der damit verbundenen Krisenkommunikation vorzubeugen. Weil wir uns allein darauf aber nicht verlassen, setzen wir uns trotzdem mit der Kommunikation in einer denkbaren Krise auseinander.

Diese Tipps zur Risikokommunikation ergänzen einen Artikel zur Risiko- und Krisenkommunikation sowie eine weitere Liste mit Tipps zur Krisenkommunikation. Weitere Ergänzung: Tipps zur Krisenkommunikation und Social Media.