Foto: Christian Humm, CC BY-SA 4.0

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im Juni 2018

Open Science und das Vertrauen in die Wissenschaft, jugendliche Experimentatoren im Pub-Science-Event und Nutzerkommentare zu TED-Talks auf Youtube: Diese Themen beleuchtet unser Forschungsrückblick für den Monat Juni.

In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Ergebnisse aus der Forschung zur Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, dann schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

Open Science macht Organisationen glaubwürdiger – zumindest ein bisschen

Ob die Bevölkerung Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vertraut, hängt von vielen Faktoren ab. Interessenkonflikte etwa, die publik werden, fördern das Misstrauen. Insgesamt scheinen öffentliche Einrichtungen wie Universitäten aber grundsätzlich ein größeres Vertrauen zu genießen als privatwirtschaftliche Unternehmen. Ein Forscherteam um Asheley Landrum von der Texas Tech University untersuchte nun, ob die Verpflichtung zu Open-Science-Methoden ebenfalls die Vertrauenswürdigkeit von Organisationen beeinflusst.

Methodik: 1.097 Personen lasen jeweils die Pressemitteilung einer fiktiven Organisation, in der es um die Entwicklung einer gentechnisch veränderten Sojabohne ging. Die Texte unterschieden sich unter anderem darin, ob eine Universität oder eine private Firma die neue Pflanzenart „mit verbessertem Nährstoffprofil“ erfunden hatte. Zudem enthielt manche Meldungen die Information, dass sich die Urheber zu den Prinzipien von Open Science bekannten, also zu größtmöglicher Transparenz im Forschungsprozess – bei den übrigen Pressetexten fanden sich an dieser Stelle lediglich ein paar Allgemeinplätze über unternehmerische Verantwortung. Die Teilnehmenden sollten unter anderem die Glaubwürdigkeit der Organisation und der für sie arbeitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bewerten.

Ergebnisse: Wie schon in früheren Studien stuften die Versuchspersonen Universitäten im Gegensatz zu Unternehmen als vertrauenswürdiger ein. Dieses Urteil übertrug sich auch auf die dort arbeitenden Forscher. Dasselbe galt generell für Organisationen, die laut Pressetext Open Science praktizierten: Ihnen brachten die Probanden größeres Vertrauen entgegen als Einrichtungen, die sich stattdessen nur etwas nebulös zu ihrer allgemeinen Verantwortung bekannten. Der Effekt war in diesem Fall jedoch nicht so deutlich und strahlte kaum auf die Beurteilung der dort Forschenden ab. Außerdem schätzten Personen, die gentechnisch veränderten Lebensmitteln eher positiv gegenüberstanden, die Glaubwürdigkeit aller Organisationen höher ein.

Schlussfolgerungen: Folgen Institutionen oder forschende Unternehmen den Prinzipien von Open Science, könnte das ihre Vertrauenswürdigkeit in den Augen der Öffentlichkeit steigern. Dies dürfte nicht nur, aber insbesondere bei umstrittenen Forschungsthemen wie der grünen Gentechnik von Bedeutung sein. Daneben beeinflussen aber auch die Art der wissenschaftlichen Einrichtung und die bestehenden Einstellungen zu einem Forschungsthema das Vertrauen der Bevölkerung.

Einschränkungen: Der Hinweis auf Open Science führte bei den Rezipienten nur zu einem recht kleinen Vertrauensvorschuss. Landrum und ihre Kollegen spekulieren, dass dies unter anderem an der Textsorte gelegen haben könnte: Die meisten Versuchspersonen dürften mit dem Aufbau einer Pressemeldung nicht vertraut sein. Die am Ende angefügten Absätze über Verantwortung oder Open Science könnten daher wie das berüchtigte „Kleingedruckte“ gewirkt haben und daher häufig überlesen worden sein. Zudem dürften zum Thema Gentechnik die Voreinstellungen der Bevölkerung schon recht stark ausgeprägt sein.

Landrum, A. R., Akin, H., Hall Jamieson, K., Lull, R. B. & Hilgard, J. (2018). Open and transparent research practices and public perceptions of the trustworthiness of agricultural biotechnology organizations. Journal of Science Communication. doi:10.22323/2.17020204

Selbst Wissenschaftskommunikation zu betreiben, motiviert Jugendliche

Beim Format PubScience – die lange Nacht der Experimente“ in Osnabrück führen Schülerinnen und Schüler effektvolle Chemie-Experimente in Cafés und Restaurants vor. Das soll nicht nur bei den Zuschauern für Aha-Erlebnisse sorgen, sondern auch die Vortragenden für das Fach begeistern. Ob das funktioniert, untersuchte die wissenschaftliche Begleitforschung der Uni Osnabrück. Deren Ergebnisse sind nun im Journal of Chemical Education erschienen.

Ein Experiment beim Event „PubScience – die lange Nacht der Experimente“ der Universität Osnabrück.
Stinkt, kracht und motiviert Jugendliche für das Fach Chemie: Ein Experiment beim Event „PubScience – die lange Nacht der Experimente“ der Universität Osnabrück. Foto: Universität Osnabrück / Utz Lederbogen.

Methodik: 63 Jugendliche aus den 10. und 11. Klassen von Osnabrücker Gymnasien hatten für das Pub-Science-Event in Kleingruppen selbst passende Experimente recherchiert und ihre Präsentationen erarbeitet. Die Forscher der Universität befragten die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler vor und nach der Veranstaltung per Fragebogen. Zudem ließen sie 83 zufällig ausgewählte Personen aus dem Publikum unmittelbar vor dem Event einen kurzen Fragebogen ausfüllen und riefen sie einige Tage später noch einmal an, um sich nach der Wirkung des Events zu erkundigen.

Ergebnisse: Vor den Experimenten war ein Fünftel der Barbesucher eher skeptisch in Bezug auf das Format. Anschließend bewerteten es jedoch alle als Erfolg. Ihr generelles Interesse an Wissenschaft änderte sich jedoch dadurch nicht. Bei den Schülerinnen und Schülern, die statt Wissenschaft zu pauken nun einmal Wissenschaft kommunizieren mussten, war ebenfalls kein genereller Anstieg an naturwissenschaftlichem Interesse zu verzeichnen. Dennoch bewerteten 93 Prozent von ihnen das Format als positiv. Ausnahmslos alle gaben an, dass sie gerne erneut so ein Event mitgestalten würden. Die Motivation speziell für das Schulfach Chemie erhöhte sich signifikant (um rund 0,6 Punkte auf einer vierstufigen Skala) und die Teilnehmenden erlebten sich anschließend als kompetentere und autonomere Chemie-Lerner. Noch stärker verbesserte sich ihre Selbstwahrnehmung hinsichtlich der Fähigkeit, eigenständig Experimente durchzuführen.

Schlussfolgerungen: Das Format Pub-Science, hier vorgestellt durch Jugendliche, kommt bei den Besuchern dieser Untersuchung zufolge gut an. Es wirkt aber offenbar noch stärker auf die Motivation und das Selbstbild der Präsentierenden: Die Möglichkeit, Experimente selbstständig vorzubereiten und das eigene Können anschließend vor Publikum unter Beweis zu stellen, scheint die schulische Motivation zu beflügeln. Projekte dieser Art seien daher eine empfehlenswerte Ergänzung des herkömmlichen Lehrplans, schreiben die Autoren.

Einschränkungen: Das Interesse an Wissenschaft und Einstellungen gegenüber Chemie veränderten sich weder beim Publikum noch bei den präsentierenden Jugendlichen merklich. Allerdings waren die Besucher eine überdurchschnittlich gebildete Gruppe – was im Allgemeinen der Zielgruppe solcher Events entsprechen dürfte –, die Naturwissenschaften wohl ohnehin bereits positiv gegenüberstand. Die Schülerinnen und Schüler hatten Chemie in den meisten Fällen als sogenannten Projektkurs belegt, also freiwillig. Daher waren sie vermutlich ebenfalls schon vor ihrer Teilnahme dem Fach und Naturwissenschaften allgemein gegenüber positiv gestimmt. Inwiefern auch Jugendliche mit geringerem Vorinteresse an Chemie von dem Projekt profitiert hätten, bleibt ungewiss.

Beeken, M. & Budke, M. (2018). “PubScience – The Long Night of Experiments”: Students present chemical experiments in dining facilities. Journal of Chemical Education. doi:10.1021/acs.jchemed.7b00835

Wissenschaftliche Vorträge auf Youtube: Frauen polarisieren stärker

TED-Talks haben sich vor allem im Netz zu einem extrem beliebten Format entwickelt. Auch für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sie eine interessante Methode, um ihr Thema in die Öffentlichkeit zu tragen. Eine Forschergruppe um George Veletsianos von der Royal Roads University in Kanada untersuchte nun genauer, welche Faktoren das Urteil der Nutzerinnen und Nutzer über solche Vorträge beeinflussen.

Methodik: Veletsianos und sein Team werteten die Kommentare unter 655 Youtube-Videos aus, die zu etwa gleichen Teilen aus den Kanälen TEDx und Ted-Ed stammten. Bei den TEDx-Vorträgen handelt es sich um Präsentationen im Stil der klassischen TED-Talks, die in diesem Fall auf unabhängig organisierten Konferenzen dargeboten werden. Ted-Ed ist ein Unterkanal, der Informationen und Lehrvideos in Form von Animationen zeigt. Eine Software vergab für festgelegte Begriffe in den Kommentaren positive und negative Werte, um die Stimmung eines Beitrags insgesamt abzuschätzen.

Ergebnisse: Positive und negative Kommentare hielten sich ungefähr die Waage. Nur 0,6 Prozent der Kommentare stufte der Algorithmus als „extrem negativ“ ein; „extrem positive“ Kommentare machten nur 0,28 Prozent aller Nutzerbeiträge aus. Antworten auf Kommentare griffen meist die darin enthaltene positive oder negative Stimmung auf. Das Geschlecht der Vortragenden spielte dabei allerdings eine Rolle: Kommentare unter Videos mit weiblichen Sprechern wiesen sowohl im Schnitt die stärkste Positivität als auch die stärkste Negativität auf. Männer polarisierten dagegen weniger. Die wenigsten sowohl freundlichen als auch kritischen Bemerkungen ernteten die animierten Ted-Ed-Videos.

Schlussfolgerungen: Frauen erhielten durchschnittlich stärkere positive Kommentare, aber – und das noch etwas deutlicher – ebenso stärkere negative Urteile. Die Erkenntnis, dass Frauen online häufiger ablehnenden bis aggressiven Botschaften ausgesetzt sind, ist nicht neu. Dass dies auch für wissenschaftliche Präsentationsformen gelte, müsse berücksichtigt werden, wenn von Forschenden verlangt werde, sie sollten sich im Netz für Wissenschaftskommunikation einsetzen und dabei auch persönlich sichtbar werden. Männer und Frauen würden hier vermutlich sehr unterschiedliche Erfahrungen machen, schreiben die Autoren.

Einschränkungen: Die Analyse beschränkte sich auf Youtube und hier auch nur auf das Format der TED-Talks. Ob Personen, die diese Art von Content auf dem Videoportal ansehen und kommentieren, typische Nutzer darstellen, ist fraglich. Zum anderen fehlen Vergleiche etwa zu Wissenschafts-Videos auf Facebook oder auf persönlichen Blogs. Durch die automatisierte und zusammenfassende Auswertung wird zudem nicht deutlich, wie genau sich die Negativität in den ablehnenden Kommentaren äußerte.

Veletsianos, G., Kimmons, R., Larsen, R., Dousay, T. A. & Lowenthal, P. R. (2018). Public comment sentiment on educational videos: Understanding the effects of presenter gender, video format, threading, and moderation on YouTube TED talk comments. PLOS ONE, 13, e0197331. doi:10.1371/journal.pone.0197331


In eigener Sache:
Der Forschungsrückblick legt im August eine Sommerpause ein. Im September geht es weiter mit aktuellen Meldungen aus der Forschung zur Wissenschaftskommunikation.