Bild: Foto: Christian Humm, CC BY-SA 4.0

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im Februar 2022

Wovon hängt es ab, ob Menschen wissenschaftliche Ergebnisse zu Corona ablehnen oder leugnen? Wird das Publikum tatsächlich kritischer gegenüber der Wissenschaft? Und welche Effekte zeigen Kommunikationskurse an der Uni? Das sind die Themen im Forschungsrückblick für den Februar.

In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Forschungsergebnisse zum Thema Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

Wissenschaftsleugnung in der Pandemie 

Die Ablehnung und Leugnung wissenschaftlichen Wissens ist ein Phänomen, das beispielsweise beim Klimawandel, aber auch in der Coronapandemie zu beobachten ist. Welche Muster von Wissenschaftsleugnung sind dabei zu erkennen? Wovon hängt es ab, ob Menschen die Corona-Krise und ihre Folgen leugnen? Das haben Tobias Rothmund, Fahima Farkhari, Carolin-Theresa Ziemer und Flávio Azevedo von der Friedrich-Schiller University in Jena untersucht. 

Methode: Als erstes untersuchten die Forscher*innen, wie sich Annahmen über die Coronapandemie zwischen Lai*innen und wissenschaftlichen Expert*innen unterscheiden. Dazu führten sie Ende April 2020 – am Ende der ersten Covid-19-Infektionswelle in Deutschland – eine repräsentative Online-Umfrage durch. Die 1500 Teilnehmer*innen beantworteten Fragen dazu, inwiefern sie Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie befolgen, wie sie bestimmte Verschwörungsmythen bewerten und ob sie eine Reihe von 15 Aussagen zu Covid-19 für wahr oder falsch halten (z.B. „Eine Infektion mit COVID-19 ist nur einmal möglich, dann ist der Körper immun“). Weitere Fragen waren, wie aufgeschlossen die Teilnehmer*innen gegenüber Meinungen anderer Menschen sind, welche Medien sie konsumieren und wie sie sich politisch einordnen. 

Etwa 27 Prozent der Lai*innen gaben Antworten, die auf eine Ablehnung oder Leugnung wissenschaftlicher Ergebnisse zur Coronapandemie hindeuteten.
Anfang Mai 2020 führten die Forscher*innen eine zweite Umfrage durch – dieses Mal unter 128 Virolog*innen und Epidemiolog*innen, denen dieselben 15 Behauptungen zum Coronavirus vorgelegt wurden wie den Lai*innen. Auch sie sollten entscheiden, ob die Aussagen wahr oder falsch sind. 

Im nächsten Schritt verglichen die Forscher*innen die Antworten der Expert*innen und Lai*innen und identifizierten verschiedene Muster der Abweichung. Ausgehend von diesen Abweichungen ordneten sie die Lai*innen in verschiedene Gruppen ein, die ähnliche Antwortmuster zeigten.

Ergebnisse: Bei den meisten Behauptungen waren die Unterschiede zwischen den Annahmen der Lai*innen und der Expert*innen eher gering. Bei der Aussage „Das Sterberisiko wird überschätzt“ war der Unterschied beispielsweise vernachlässigbar, bei „Das neuartige Coronavirus wurde in einem Labor in Wuhan freigesetzt und hat sich von dort ausgebreitet“ jedoch war die Zustimmung der Lai*innen viel größer als bei den Expert*innen. Etwa 27 Prozent der Lai*innen gaben Antworten, die auf eine Ablehnung oder Leugnung wissenschaftlicher Ergebnisse zur Coronapandemie hindeuteten.

Ausgehend von den unterschiedlichen Antwortmustern entwickelten die Forscher*innen ein Modell mit vier Gruppen von Lai*innen: die Besorgten („concerned“), die Zweifelnden („doubtful“) die Alarmierten („alarmed“) und die Abweisenden („dismissive“). 

Bei den „Abweisenden“ zeigt sich Pandemieleugnung vor allem darin, dass sie von einem geringeren Risiko und einer geringeren Ansteckungsgefahr durch das Virus ausgehen.
Acht Prozent von ihnen fallen laut der Forscher*innen in die Gruppe der „Abweisenden“ und 19 Prozent in die der Zweifelnden. Beide Gruppen neigen eher dazu, Covid-19-Verschwörungen zu glauben als der Rest der Stichprobe und tendieren eher zu Ansichten aus dem rechten politischen Spektrum. 

Bei den „Abweisenden“ zeigt sich Pandemieleugnung vor allem darin, dass sie von einem geringeren Risiko und einer geringeren Ansteckungsgefahr durch das Virus ausgehen. Die Coronamaßnahmen halten sie weniger ein. Die Gruppe ist etwas jünger und etwas weniger formal gebildet. Sie berichten von erheblichem Misstrauen gegenüber Wissenschaftler*innen und Politiker*innen. 

Die „Zweifelnden“ weisen ein geringeres Maß an formaler Bildung und kognitiver Reflexion auf. Sie zeichnen sich besonders durch ein geringes Vertrauen in ihre eigenen Einschätzungen gegenüber Covid-19-bezogene Behauptungen aus. Ihre Informationen beziehen sie vor allem aus sozialen Medien und Messenger-Diensten. 

Die „Besorgten“ schätzen die Risiken im Vergleich zu den Expert*innen etwas niedriger ein, die „Alarmierten“ schätzen sie etwas höher ein. Sie unterscheiden sich nur in wenigen Merkmalen vom Rest der Stichprobe, unter anderem durch ihren geringeren Hang zu Verschwörungsglauben. Die „Alarmierten“ sind im Schnitt etwas älter, höher gebildet, haben großes Vertrauen in Wissenschaftler*innen und beziehen häufiger Informationen über Corona aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und überregionalen Wochenzeitungen. 

Schlussfolgerungen: Die Studie zeigt, dass im Frühjahr 2020 ein erheblicher Teil der deutschen Öffentlichkeit (73 Prozent) zentrale Behauptungen zu Covid-19 ähnlich bewertet haben wie wissenschaftliche Expert*innen. Das steht im Einklang mit Forschungsergebnissen, die darauf hindeuten, dass das Vertrauen in die Wissenschaft in Deutschland allgemein hoch und während der Pandemie möglicherweise sogar gestiegen ist.

In den „Abweisenden“ erkennen die Forscher*innen die größte Gefährdung des Ziels, die Corona-Infektionen einzudämmen. Denn die Gruppe befolgt die Maßnahmen weniger, schätzt die Risiken als geringer ein und ist aufgrund einer anti-elitären Stimmung vermutlich wenig zugänglich für Wissenschaftskommunikation. Bei den „Zweifelnden“ vermuten die Forscher*innen, dass ihr geringeres Maß an formaler Bildung und Reflexion in einer Zeit, wo sich wissenschaftliche Erkenntnisse rasant weiterentwickeln, zu einem Gefühl großer Unsicherheit beitragen. Die Suche nach einfachen Antworten und die starke Nutzung von sozialen Medien und Messenger-Diensten könnte sie anfälliger für Verschwörungsglauben und „alternative“ Fakten machen. Die Forscher*innen vermuten aber auch, dass diese Gruppe über verständliche Formen der Wissenschaftskommunikation, die über soziale Medien zugänglich sind, ansprechbar sein könnten. 

Einschränkungen: Einschränkend muss beachtet werden, dass die Ergebnisse der Studie nur eine Momentaufnahme zeigen, Einstellungen und Risikoeinschätzungen sich aber wandeln. Außerdem können die Daten keine Aussagen über kausale Zusammenhänge zwischen Einstellungen und Faktoren wie etwa politischer Zugehörigkeit oder demographischen Variablen liefern. 

Rothmund, T., Farkhari, F., Ziemer, C., Flávio Azevedo, F. von der Friedrich-Schiller University Jena, Germany (2022) Psychological underpinnings of pandemic denial-patterns of disagreement with scientific experts in the German public during the COVID-19 pandemic. Public Understanding of Science. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/09636625211068131

Wird das Publikum kritischer gegenüber der Wissenschaft? 

Häufig wird behauptet, dass Menschen kritischer gegenüber der Wissenschaft werden und ihr Vertrauen schwindet. Allerdings fehlten dazu systematische empirische Analysen, schreiben Kira Klinger und Julia Metag von Universität Münster, Mike S. Schäfer und Niels Mede von der Universität Zürich und Tobias Füchslin von Mediapulse—Swiss Audience Research. Das Forschungsteam hat anhand von Schweizer Umfragen untersucht, ob die Befragten kritischer oder positiver geworden sind.  

Methode: Die Studie stützt sich auf Daten des Wissenschaftsbarometers Schweiz, einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung aus den Jahren 2016 und 2019. 2016 bestand die Stichprobe aus 1051 Befragten. 2019 werteten die Forscher*innen Antworten von 339 Befragten aus, die 2016 schon teilgenommen hatten. 

Besonders stabil sind dabei die Segmente der Wissenschaftszugeneigten und der passiven Unterstützer*innen, in denen jeweils knapp 60 Prozent der Teilnehmer*innen verbleiben.
Sie beantworteten beide Male Fragen zu ihrem Wissen und zu ihrem Interesse an Naturwissenschaften. Außerdem, ob sie aktiv nach Informationen über wissenschaftliche Themen suchen, ob sie sich gerne in Forschungsprojekte einbringen möchten, wie stark sie der Wissenschaft vertrauen und welche Rolle diese in ihrem Leben spielt. Ausgehend von den Antworten teilten die Forscher*innen die Stichproben in vier Segmente von Befragten auf, die einander hinsichtlich ihrer Einstellungen gegenüber der Wissenschaft ähnlich sind (Segmentierungsanalyse). Die „Wissenschaftszugeneigten“ („Sciencephiles“) zeigen die positivsten und optimistischsten Einstellungen gegenüber Wissenschaft. Sie haben starkes Interesse, umfassendes Wissen, informieren sich und diskutieren über Wissenschaft. Die „kritisch Interessierten“ („Critically Interested“) interessieren sich genauso für Wissenschaft und haben Wissen auf dem gleichen Niveau, aber sie vertrauen der Wissenschaft deutlich weniger. Die „passiven Unterstützer*innen“ („Passive Supporters“) zeigen mäßiges Interesse, Vertrauen und Wissen. Sie informieren sich weniger aktiv über Wissenschaft. Die Abgekoppelten („Disengaged“) sind am wenigsten an Wissenschaft interessiert und stehen ihr am kritischsten gegenüber. Sie informieren sich selten über Wissenschaft und nutzen eine sehr begrenzte Anzahl von Quellen. Um Wanderungsbewegungen zwischen den Segmenten zu erklären, haben die Forscher*innen im zweiten Schritte Zusammenhänge zwischen soziodemografischen Faktoren, politischer Orientierung, Religiosität und Zugehörigkeit zu den vier Gruppen untersucht. 

Ergebnisse: Bei den 339 Teilnehmer*innen, die an beiden Umfragen teilgenommen haben, bilden sowohl 2016 als auch 2019 die „passiven Unterstützer*innen“ das größte Segment, gefolgt von den „Wissenschaftszugeneigten“ und den „kritisch Interessierten“. Die „Abgekoppelten“ bilden das kleinste Segment. Die Analyse der Wanderungsbewegungen zeigt, dass die Mehrheit der Teilnehmer*innen (55,2 Prozent) in ihrem Segment geblieben ist. Besonders stabil sind dabei die Segmente der Wissenschaftszugeneigten und der passiven Unterstützer*innen, in denen jeweils knapp 60 Prozent der Teilnehmer*innen verbleiben. 

Fast die Hälfte der Teilnehmer*innen aber wechselte innerhalb der drei Jahre in ein anderes Segment, die meisten von ihnen (63,2 Prozent) in ein benachbartes. 18,6 Prozent aller Teilnehmenden wanderten dabei in ein positiveres Segment und 26,2 Prozent in ein Segment mit einer kritischeren Einstellung.

Die Wanderungsbewegungen von fast der Hälfte der Befragten verdeutlichen, dass Einstellungen zur Wissenschaft auf lange Sicht eher fragil sind.
Es zeigt sich, dass Wanderungen in kritischere Segmente bei Frauen wahrscheinlicher sind als bei Männern. Bei anderen Variablen zeigten sich keine ausschlaggebenden Zusammenhänge. Das lässt darauf schließen, dass die Segmentzugehörigkeit und das Geschlecht wesentlich zur Erklärung der Wanderung in Richtung kritischerer Segmente beitragen.

Schlussfolgerungen: Die Wanderungsbewegungen von fast der Hälfte der Befragten verdeutlichen, dass Einstellungen zur Wissenschaft auf lange Sicht eher fragil sind. Dass die Befragten eher in kritischere Segmente wechseln, bestätige Diagnosen, dass sich die öffentliche Wahrnehmung in Richtung einer negativeren Sicht auf Wissenschaft verschiebe, schreiben die Forscher*innen. Gleichzeitig zeigt die Studie jedoch auch Wanderungen in wissenschaftsfreundlichere Segmente. 

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Personen in den beiden positivsten Segmenten mit der Zeit am ehesten in ein Segment mit kritischeren Einstellungen abwandern. Die „passiven Unterstützer*innen“ scheinen widerstandsfähiger gegenüber kritischen Haltungen zu sein. Möglicherweise ist ihre Abwanderung weniger wahrscheinlicher als die der anderen Gruppen, weil dies eine Wanderung in das kritischste Segment bedeuten würde, das sich deutlich von den drei positiveren abheben, vermuten die Autor*innen. 

Aus Sicht der Wissenschaftskommunikation stellt sich die Frage, woraus Trends zu einer kritischeren Sicht auf Wissenschaft resultieren. Beispielsweise stellt sich die Frage, warum gerade Frauen eher kritischere Haltungen entwickelt haben. 

Die Forscher*innen schlagen vor, Wanderungsbewegungen mit einer größeren Stichprobe zu untersuchen und dabei Variablen wie unterschiedliche Mediennutzungsmuster einzubeziehen. Das könnte Hinweise darauf geben, inwieweit Entwicklungen wie der Aufstieg von Social-Media-Plattformen und die Krise des Wissenschaftsjournalismus als Erklärungen dienen können.

Einschränkungen: Vor allem die Teilstichprobe, bei denen es Wanderungen in positivere Segmenten gibt, ist relativ klein. Dadurch können nur eingeschränkte Aussagen getroffen werden. Auch muss beachtet werden, dass die Stichprobe einen nicht repräsentativen Teil der Schweizer Bevölkerung abbildet, in dem die Wissenschaftszugeneigten überrepräsentiert und die beiden kritischsten Segmente unterrepräsentiert sind. 

Klinger, K., Metag, J., Schäfer, M. S., Füchslin, T., Mede, N. (2022) Are science communication audiences becoming more critical? Reconstructing migration between audience segments based on Swiss panel data. Public Understanding of Science, https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/09636625211057379

Was bringen Kurse zur Wissenschaftskommunikation? 

Wie sollten Fortbildungen und Trainings in der Wissenschaftskommunikation aussehen? Und wie können die Effekte solcher Kurse bewertet werden? Robert S. Capers, Anne Oeldorf-Hirsch, Robert Wyss, Kevin R. Burgio und Margaret A. Rubega von der University of Connecticut in den USA haben in einer Studie untersucht, wie sich das Kommunikationsverhalten von Studierenden durch den Besuch eines Wissenschaftskommunikationskurses verändert. 

Methode: Ziel eines auf drei Jahre angelegten Experiments war, die Wirkung von Wissenschafts-Kommunikationstrainings auf MINT-Studierende zu untersuchen. Die Kursteilnehmenden sollten jeweils vor und nach dem einsemestrigen Kurs ein kurzes Video aufnehmen, in dem sie folgende Frage beantworten: „Wie funktioniert der wissenschaftliche Prozess?” 

Im Rahmen einer Vorgängerstudie von Rubega et al. (2021)1 sollten andere Studierende die Vorher- und Nachher-Videos der Kursteilnehmenden bewerten. Das überraschende Ergebnis: Das Publikum stellte keine signifikanten Veränderungen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe fest, die kein Training erhalten hatte. Ihre Wissenschaftskommunikationsfähigkeiten hatten sich durch den Kurs also nicht verbessert. 

Anders als die Forscher*innen erwartet hatten, fand das Publikum kompliziertere Texte interessanter.
Nicht ablesen ließ sich an den Studienergebnissen jedoch, ob und wie sich das Kommunikationsverhalten in einzelnen Bereichen verändert hat. In der aktuellen Studie haben sich die Forscher*innen deshalb direkt auf die Videos der Kursteilnehmenden fokussiert. Die Texte der Videos wurden transkribiert und über Softwareprogramme unter anderem bestimmt, welche Art von Wörtern benutzt wurde und wie schwierig der Text ist. Mithilfe der Software De-Jargonizer untersuchten die Forscher*innen, welche wissenschaftlichen Fachbegriffe verwendet wurden. Manuell wurden Metaphern, Analogien und Narrative in den Transkripten herausgearbeitet. Außerdem untersuchten zwei wissenschaftliche Mitarbeiter*innen das Sprechverhalten und die Körpersprache der Studierenden in den Videos. Sie beurteilten die Sprechgeschwindigkeit, den Sprechton (eher monoton oder eher dynamisch), aber auch Verhaltensformen wie Lächeln, Stottern, in die Kamera Blicken und die Bewegungen der Hände. 

Ergebnisse: Die Untersuchung der Wortwahl zeigte bei keiner der Variablen – beispielsweise hinsichtlich der Emotionalität – eine Veränderung. Auch die Analyse der Komplexität der Sprache zeigte keine signifikante Veränderung. Ein Blick auf die Bewertungen des Publikums weist aber darauf hin, dass der Aspekt der Komplexität bei der Rezeption durchaus eine Rolle spielt. Anders als die Forscher*innen erwartet hatten, fand das Publikum kompliziertere Texte interessanter. 

Bei der Verwendung wissenschaftlicher Fachbegriffe zeigt De-Jagonizer keine Veränderungen. Die Forscher*innen weisen darauf hin, dass es trotz dieses Ergebnis Veränderungen gab: Die Studierenden hätten durchaus nach dem Kommunikationskurs weniger wissenschaftliche Fachbegriffe verwendet, aber dafür mehr ungewöhnliche Wörter, die den De-Jargonizer-Score ebenfalls in die Höhe treiben. 

Die Anzahl der Metaphern, Analogien und Narrative hat nicht signifikant zugenommen. Der Blick auf die Bewertungen des Publikums aber zeigt: Wenn mehr Narrative oder Metaphern verwendet wurden, bekamen die Videos mehr Punkte in Sachen Klarheit. 

Elemente der nonverbalen Kommunikation wie Stottern, Pausen, Lachen veränderten sich ebenfalls nicht durch das Training. Die Bewertungen der Studierenden zeigen, dass sich Pausen und abgehacktes Sprechen negativ auf die Bewertung von Klarheit und Glaubwürdigkeit auswirken. Lächeln hingegen wurde positiv mit Klarheit, Glaubwürdigkeit und Engagement assoziiert. 

Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse stützen die Erkenntnisse aus der Vorgängerstudie. Es zeigt sich auch hier, dass die Teilnehmenden die erlernten Techniken nicht umsetzen. Die erhobenen Daten können jedoch nicht erklären, warum das so ist. Die Forscher*innen berichten von ihrer Beobachtung, dass sich die Teilnehmer*innen nicht gut auf ihre Aufgabe vorbereitet hätten. Ein möglicher Grund dafür könnte aus Sicht der Forscher*innen sein, dass die Teilnehmer*innen im Kurs häufig Erfolgserlebnisse hatten und deshalb ihre Fähigkeiten überschätzen. Die tatsächlichen Gründe aber müssten in weiteren Studien untersucht werden. 

Wenn Studierende Wissenschaftskommunikationsmaßnahmen im Seminarkontext verstanden haben, bedeutet noch nicht, dass sie das Gelernte in der Praxis umsetzen können.
Dass das Publikum diejenigen Videos relevanter fand, in denen kompliziertere Sprache verwendet wurde, weist laut der Autor*innen darauf hin, dass nicht jede Zielgruppe gleich auf Wissenschaftskommunikation reagiert. Der Aufruf nach Verständlichkeit ist demnach eine Forderung, die möglicherweise nicht in allen Kontexten gleich wichtig ist. 

Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist der große Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Wenn Studierende Wissenschaftskommunikationsmaßnahmen im Seminarkontext verstanden haben, bedeutet noch nicht, dass sie das Gelernte in der Praxis umsetzen können. Möglicherweise braucht es viel mehr Training, um den Sprung in die Praxis zu schaffen.

Einschränkungen: Das Experiment lief zwar über drei Jahre, aber beschränkt sich auf eine einzelne Universität. Es wäre eventuell aufschlussreich, es an anderen Institutionen und mit anderen Teilnehmenden zu wiederholen. 

Capers, R.S., Oeldorf-Hirsch, A., Wyss, R., Burgio, K.R., and Rubega, M.A. (2022) What Did They Learn? Objective Assessment Tools Show Mixed Effects of Training on Science Communication Behaviors. Frontiers in Communication. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fcomm.2021.805630/full

Mehr Aktuelles aus der Forschung

Damit Bürger*innen das Handeln ihrer Regierungen beurteilen können, müssen sie sich mit Klimapolitik auskennen. Ob sich Wissenslücken in Zeiten intensiver Medienberichterstattung schließen, haben Fenja De Silva-Schmidt, Michael Brüggemann und Imke Hoppe von der Universität Hamburg am Beispiel der UN-Klimakonferenz im Jahr 2015 in Paris untersucht. Dafür befragten sie mehr als tausend Menschen in Deutschland vor, während und nach der Konferenz. Es zeigte sich unter anderem, dass Menschen mit geringem Vorwissen Rückstände aufholten, das Gesamtwissen blieb jedoch trotzdem gering. Das könnte laut der Autor*innen darauf hindeuten, dass journalistische Medien nicht genügend neues Wissen für bereits gut Informierte bereitstellen.

Welche Rolle spielen Online-Videos für die Wissenschafts- und Umweltkommunikation? Eine Auswahl von wissenschaftlichen Artikeln, die um diese Frage kreisen, haben Joachim Allgaier von der Hochschule Fulda und Asheley R. Landrum von der Texas Tech University als Open-Access-Publikation zusammengestellt. Die Artikel – darunter Studien, Reviews und Meinungsstücke – sind im Rahmen eines Recherche-Schwerpunktes der Journals Frontiers in Communication und Frontiers in Environmental Science erschienen. Es geht unter anderem um die Motivation von Science-Youtuber*innen, audiovisuelle Klima- und Impfkommunikation, Storytelling, Frauen als angeblich „fehlendes Publikum“ auf Youtube und Gesundheitskonzepte in Diät-Videos.

Mit Schadstoffen belastete Böden sind ein relevantes Problem für die Umwelt. Dass das Thema in der Öffentlichkeit trotzdem zu wenig Beachtung findet, liege an den komplexen Verfahren zur Bewertung der Bodenverschmutzung, schreibt ein Forschungsteam um Sebastián Ureta von der Universidad Alberto Hurtado im chilenischen Santiago. Ein kostengünstiges, partizipatives Toolkit, mit dem die Verschmutzung von Böden bestimmt werden kann, wurde deshalb im Rahmen des Projekts „Nuestros Suelos“ (Unser Boden) entwickelt. Die Autor*innen berichten, wie es in einkommensschwachen Gemeinden in Nordchile getestet wurde. Dabei seien einerseits Daten produziert worden, andererseits hätten die Teilnehmenden begonnen, sich für das Thema zu interessieren.

Ist Humor eine wirkungsvolle Strategie in der Wissenschaftskommunikation? Ein Forschungsteam um Leona Yi-Fan Su von der University of Illinois hat in einer Studie humorvolle wissenschaftliche Beiträge auf Twitter und Instagram untersucht. Unter anderem wollten die Forscher*innen herausfinden, wie verschiedene Formen von Humor damit zusammenhängen, ob Posts retweetet, gelikt oder kommentiert werden. Sie stellten fest, dass sich auf Twitter Wortspiele und Satire positiv auf die Reaktionen auswirken. Auf Instagram zeigte sich jedoch kein Zusammenhang zwischen Humor und Interaktion.

Wie funktioniert Wissenschaftskommunikation auf dem sozialen Netzwerk Reddit? Michelle L. Edwards und Caden Ziegler von der Texas State University haben in einer Studie „Ask Me Anything“-Sessions untersucht, die von Wissenschaftler*innen der US-amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration veranstaltet wurden. Unter anderem haben analysiert, inwiefern sich in den Posts Defizit- oder Dialog-Modelle der Wissenschaftskommunikation widerspiegeln. Außerdem identifizieren sie Akteur*innen, die die Wissenschaftskommunikation als Mediator*innen geprägt haben könnten. Die Autor*innen schlussfolgern, dass Wissenschaftskommunikation in sozialen Medien nicht ausschließlich und direkt zwischen Wissenschaftler*innen und Öffentlichkeit stattfindet.

Wie Menschen die Chancen und Risiken von Covid-19-Impfstoffen bewerten, kann unterschiedliche Gründe haben. Gillie Gabay vom Achva Academic College und Mahdi Tarabieh vom Tel-Aviv Jaffa Academic College haben Interviews mit ultraorthodoxen jüdischen Männern in Israel geführt. Sie wollten herausfinden, welche Wahrnehmungen Zögern, Abschreckung und Ablehnung gegenüber Covid-19-Impfstoffen beeinflussen. Ihre Untersuchung zeigte, dass lokale Community-Leader und nationale religiöse Autoritätspersonen die Verhaltensabsichten gegenüber den Impfstoffen maßgeblich prägen. Die Autor*innen schlussfolgern, dass es notwendig ist, wissenschaftliche Grundbildung zu fördern und Misstrauen zwischen Angehörigen der Gesundheitsberufe und religiösen Gemeinschaften zu verringern, um die Impfstoff-Akzeptanz zu erhöhen.