Im Profil: Dennis Rätzel

Der Physiker und Filmemacher interessiert sich für fast alle Aspekte von Wissenschaft und Kunst, seine große Leidenschaft gilt aber der Quantenphysik und der Forschung zu Raum und Zeit sowie dem Film. Im Jobprofil stellt er sich unseren Fragen.

Wir streichen den Satz „Es hat sich alles so ergeben…“ und wollen wissen, was Sie in Ihre Position gebracht hat

Foto: Dennis Rätzel
Foto: Dennis Rätzel

Ich habe schon als Jugendlicher Kurzfilme gedreht und durch die DSLR-Revolution ist diese Leidenschaft während meines Studiums wieder erwacht. Nach meiner Promotion in der theoretischen Physik wollte ich mich für eine Weile dem Film widmen und produzierte zusammen mit meinem Kollegen und guten Freund, Gregor Pieplow, den Dokumentarfilm Undune über die Schwarzerde Terra Preta, die Möglichkeiten ihrer Herstellung aus menschlichen Fäkalien und die Eroberung des Mars. Der direkte Bezug des Themas zu den Wissenschaftsgebieten Ökologie, Mikrobiologie und Bodenkunde und unser Blick als Naturwissenschaftler machten Undune, ganz ohne unsere Absicht, zu einem Wissenschaftsfilm. Die Erfahrungen und Kontakte, die ich bei Undune sammelte, waren die Grundlage für ein Folgeprojekt, Sciddle – The Science Riddle, mit einem direkten Wissenschaftsbezug. Sciddle ist ein Outreach-Kurzfilm zur Mathematischen Physik im Auftrag der Humboldt Universität, des Clusters Bild, Wissen, Gestaltung und des DESY Hamburg. Gleichzeitig ist Sciddle ein Kartenspiel, dass Wissenschaftlern und Menschen, die dies werden möchten, dabei helfen soll ihre Kommunikationsfähigkeiten zu schulen. Seit Anfang 2015 bin ich auch wieder als Forscher in der theoretischen Physik tätig. In Zukunft möchte ich versuchen meine beiden Interessen, Wissenschaftliche Forschung und Film, direkt zu verbinden. Bei meiner letzten Publikation habe ich begonnen, mit dem relativ neuen Medium des Video-Abstracts zu experimentieren, das mittlerweile von einigen Journalen angeboten wird. Wissenschaftskommunikation ist für mich nicht nur die Kommunikation mit der allgemeinen Bevölkerung, sondern auch die Kommunikation innerhalb der Wissenschaft. Erfahrungsgemäß sind nämlich auch Fachleute oft nicht in der Lage die Arbeit ihrer Kollegen zu verstehen, ohne dass man sie auf ein grundlegendes Niveau herunterbricht. Wissenschaftskommunikation muss also auf verschiedenen Ebenen stattfinden.

Besteht Ihre Arbeit aus dem, was Sie am besten können oder am liebsten tun?

Ich bin begeisterter Forscher und Filmemacher. Ich kann mir kaum eine spannendere Berufung vorstellen. Beide Beschäftigungen haben neben den schöpferischen, kreativen und kollaborativen Momenten, die mir sehr viel Spaß machen, jedoch auch viele anstrengende und nervtötende Momente. Durch die Unterschiedlichkeit meiner beiden Interessen, wäre es an sich sehr gut möglich die anstrengenden und nervtötenden Momente zu kompensieren. Als freischaffender Filmmacher war mir dies in den letzten Jahren sehr gut möglich. Leider sind die beruflichen Zwänge in der Wissenschaft noch weit davon entfernt die nötige Flexibilität zu bieten. Ich mache also meistens das, was ich am besten kann und manchmal das, was ich am liebsten tue.

Was ist Ihrer Meinung nach die Kernaufgabe von Wissenschaft?

Die Wissenschaft soll uns helfen ein kohärentes Bild von uns, unserer Gesellschaft und der Natur zu entwickeln. Sie ist also ein grundlegendes, menschliches Bedürfnis. Wie jeder Mensch philosophische Gedanken entwickeln kann und fast jeder dies auch auf einem grundlegenden Niveau tut, kann jeder Mensch auch Wissenschaftler sein. Ich sehe die gesamte Gesellschaft als Erweiterung der Gruppe von Menschen, die das Glück haben beruflich wissenschaftlich Tätig sein zu dürfen. Um der Natur der Wissenschaft als gesamtgesellschaftliches Unterfangen gerecht zu werden, muss sie kommuniziert werden und der gesamten Gesellschaft muss ein Mitspracherecht eingeräumt werden. Die Wissenschaft  ist jedoch auch auf Menschen angewiesen, die keine guten Kommunkationsfähigkeiten haben; Menschen, die lieber allein in ihrem Arbeitszimmer forschen. Wenn sie kommunizieren, dann oft nur in Schriftform.  Die akademische Welt bietet diesen Menschen die Ruhe und Zurückgezogenheit, die sie für ihre Arbeit brauchen und sollte dies auch in Zukunft tun. Eine moderne Wissenschaft muss Platz für alle Menschen haben. Vielleicht könnte ein bedingungsloses Grundeinkommen dazu beitragen, dieser Utopie ein Stück näher zu kommen.