Karl Urban, Foto: Stefan Oldenburg

Im Profil: Karl Urban

Zu seinen Schulzeiten gab es im Netz kaum deutschsprachige Informationen zur Raumfahrt. Das ärgerte Karl Urban und er begann, die Pressemitteilungen von NASA und ESA zu übersetzen. Wie er von diesem ersten Schritt in die Wissenschaftskommunikation am Ende zu Print und Hörfunk kam, beschreibt der freie Wissenschaftsjournalist im Jobporträt.

Karriereleiter, Karrieresprungbrett oder Karrierekarussell – Wie war Ihr Weg in die Wissenschaftskommunikation?

Ich habe diesen Weg schon recht früh eingeschlagen: Als 15-jähriger Schüler war ich begeistert davon, was im Internet möglich ist. Ich gestaltete Webseiten, schrieb gerne und interessierte mit für Science Fiction. Dann begann ich mich mit der Raumfahrt zu beschäftigen und ärgerte mich, dass es im Netz so wenige deutschsprachige Informationsquellen zu dem Thema gab. Wohlgemerkt: Das ist jetzt 17 Jahre her! Damals begann ich, gemeinsam mit einigen Mitstreitern eine Webseite zu dem Thema aufzubauen, für die wir Pressemitteilungen der Raumfahrtbehörden NASA oder ESA übersetzten. Das war noch kein kritischer Journalismus, eher eine Schülerzeitung über die Raumfahrt – aber für mich der Einstieg in die Wissenschaftskommunikation!

Nach der Schule studierte ich zuerst Physik, dann wechselte ich auf Geowissenschaften und betrieb das Schreiben eher nebenher. Während des Studiums war ich fest davon überzeugt, wie meine Kommilitonen einmal als Geologe mein Geld zu verdienen, auf Steinen herumzuklopfen und mich tagtäglich draußen zu bewegen und im Dreck zu wühlen. Erst ganz am Ende meines Studiums ergab sich die Gelegenheit, meine Leidenschaft auch zum Beruf machen zu können und als freier Journalist zu arbeiten. Die im Dreck wühlenden Geologen besuche ich jetzt, allerdings mit meinem Radiomikrofon.

Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Job und warum lohnt es sich trotzdem jeden Tag?

Wenn ich Nichtjournalisten von meinem Beruf erzähle, lautet die häufigste Frage: Wie findest du deine Themen? Ich glaube, das Erspüren journalistischer Geschichten ist eine unserer Kernaufgaben und nicht einfach. Man braucht eine Idee davon, was die Leserin interessiert oder was der Hörer gerne hört. Im Wissenschaftsjournalismus kann das besonders schwierig sein: Labore sind meistens weiß und steril, die Arbeit der Forscher wirkt im Detail abstrakt. – Ein Zugang zur Alltagswelt der Leser kann helfen, ebenso eine Expertin, die frei von der Leber redet. Beispielsweise sagte ein Kometenforscher einmal, die Raumsonde Philae werde beim Landen „eher plonk statt pluff“ machen. Das ist zwar physikalischer Quatsch, denn im All gibt es keine Geräusche. Aber jeder versteht: Der Komet ist also eher hart als weich.

Fernab des medialen Scheinwerferlichtes wie einer Kometenlandung ist es aber immer wieder aufs neue eine Herausforderung, den überraschenden Aspekt einer Geschichte zu finden oder die Expertin, die ihr staubtrockenes Fachgebiet mit Sprachgenuss illustriert. Da hilft es, vor einem Laborbesuch mal zu telefonieren und gegenseitig die Erwartungen abzustecken. Aber vor Ort kann alles ganz anders sein: Die Gesprächspartnerin hat Mikrofonangst oder der Pressesprecher sitzt am gleichen Tisch und passt genau auf, dass die Forscherin nichts Missverständliches sagt. Auch beides zusammen habe ich schon erlebt – das tötet den Esprit eines schönen Interviews sofort! Trotzdem mag ich diese Herausforderung meiner Arbeit: Ich kann mich tief in immer neue Themen einarbeiten, wissenschaftliche Studien lesen und dann sehr ernsthaft mit Forscherinnen über ihre Arbeit sprechen. Das ist für mich, als ziemlich neugieriger Mensch, genau das Richtige.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Wissenschaftsjournalismus?

Da gibt es derzeit viel zu beklagen. Redaktionen sparen in den Wissensressorts und das längst nicht nur bei den Zeitungen mit ihren sinkenden Auflagen, sondern auch in Medien mit stetiger Beliebtheit: im öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehen. Und das, obwohl unsere Welt sich nur mit wissenschaftlichem Hintergrundwissen verstehen und damit ändern lässt. Egal ob Agrarpolitik, Migration oder Klimawandel: Alles hängt miteinander zusammen! Das müssen Journalisten dringend kritisch aufarbeiten, damit die Menschen nicht den einfachen und häufig auf Fehlinformationen beruhenden Lösungsvorschlägen der Populisten aufsitzen.

Ich will allerdings nicht zu viel klagen: Es gibt heute so viele technische Möglichkeiten, seine Kreativität als Journalist auszuleben. Ton und Bild aufzunehmen ist so einfach und günstig wie nie, ebenso das Publizieren. Ich selbst bin kürzlich Mitglied der Riffreporter geworden, einer Genossenschaft freier Journalisten, die jeder finanziell unterstützen kann. Speziell wir freien Journalisten sollten unsere gute journalistische Praxis hochhalten und unseren Lesern klar machen: Wir sind eine tragende Säule des Journalismus. Selbst wenn Medienhäuser sparen, werdet ihr uns und unsere Arbeit als Gesellschaft dringend weiter brauchen und sie sollte euch auch etwas wert sein. Denn für demokratische Teilhabe ist der Journalismus und heutzutage speziell der Wissenschaftsjournalismus ein essentieller Baustein. Und wenn die Redaktionen unsere Arbeit nicht mehr ausreichend honorieren, müssen die Leser uns eben direkt unterstützen.

Als Wissenschaftsjournalist publizieren Sie in verschiedensten Medien. Wie haben Sie es geschafft, sich so ein Netzwerk aufzubauen? Und wie lange hat es gedauert?

Nach dem Studium hatte ich das Glück, an einem Stipendienprogramm der Initiative Wissenschaftsjournalismus teilzunehmen: Ich und elf andere Studienabsolventen aus den Naturwissenschaften durften ein Dreivierteljahr lang in verschiedenen Redaktionen mitarbeiten und einige Seminare besuchen. Ich habe in dieser Zeit das erste Mal Radiobeiträge geschrieben und eingesprochen, Magazintexte und Zeitungsartikel geschrieben und Kontakte in die Branche geknüpft. Nach dieser recht kurzen Zeit konnte ich von meiner Arbeit als freier Journalist leben.