Foto: Bjoern Schwarz, CC BY 2.0

#btw17: Drei Fragen an Bündnis 90 / Die Grünen

Was planen die Parteien für Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation nach der Wahl? Wir haben alle Parteien, die realistischerweise nach dem 24. September im Bundestag sitzen werden, direkt danach gefragt. Bis auf die AfD haben alle unsere drei Fragen beantwortet. Wir präsentieren die Antworten in alphabetischer Reihenfolge. Heute geht es weiter mit Bündnis 90 / Die Grünen.

1. Welchen Stellenwert wird Bündnis 90 / Die Grünen der Wissenschaft im Bundestagswahlkampf beimessen?

Wissenschafts- und Forschungspolitik ist für uns Zukunftsvorsorge, denn Forschung und Wissenschaft sind Schlüssel zur Zukunft: Ihre Erkenntnisse und Vielfalt schaffen einen Wissensschatz, aus dem die Gesellschaft als Ganzes schöpft. Sie sind Quellen, um auf soziale, kulturelle, ökonomische und ökologische Zukunftsfragen Antworten zu finden. Schließlich ist die Bedrohung unserer natürlichen Lebensgrundlagen weit fortgeschritten. Es geht um nicht mehr und nicht weniger, als der wachsenden Weltbevölkerung ein gutes Leben auf diesem Planeten zu ermöglichen.

Wir wollen Wissenschaftspolitik so gestalten, dass sie den Erfindergeist befördert, kreative Frei- und Denkräume schafft und erhält und Forschung als Ideengeber für die sozial-ökologische Modernisierung stärkt. Daran orientieren wir uns, in Wahlkampfzeiten und darüber hinaus. Das ist deshalb wichtig, weil aktuell nicht alle Potenziale ausgeschöpft werden. Der wissenschaftliche Nachwuchs kämpft mit schwierigen Beschäftigungsbedingungen. Frauen in Spitzenpositionen sind in der Wissenschaft unterrepräsentiert, die gesellschaftliche Vielfalt ist noch nicht an Hochschulen, erst recht noch nicht an den außeruniversitären Forschungseinrichtungen angekommen. An den Hochschulen besteht bei Bau, Technik und Geräten ein Modernisierungsstau. Kleine und mittlere Unternehmen profitieren zu wenig von öffentlicher Forschungsförderung. Auch bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung hinkt Deutschland führenden Innovationsnationen hinterher. Überdies verharrt die Hightech-Strategie der Bundesregierung zu sehr im Alten und vergeudet damit Innovationspotenzial.

Grüne Wissenschafts- und Forschungspolitik steht für einen ganzheitlichen Innovationsförder-Ansatz, für faire Karrierechancen im Wissenschaftssystem sowie verlässliche Finanzierung und Ausstattung der Orte des Wissens. Wir wollen Forschung stärken: in ihrer Rolle für grundlegenden Erkenntnisgewinn, bei der Entwicklung der Innovationen von Morgen und für Problemlösungen bei den großen ökologischen, sozialen, ökonomischen und demografischen Herausforderungen. Und wir setzen uns für einen neuen Dialog zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft über Forschung und ihre gesellschaftliche Verantwortung ein. Denn in einem freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat braucht die Freiheit der Wissenschaft klare und stabile Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sowie aktives Engagement von Wissenschaft, Bürgerschaft und Politik. Dafür setzen wir uns ein.

2. Was sind die Pläne der Bündnis 90 / Die Grünen im Bereich Forschung und Wissenschaft nach der Wahl? 

Forschung und Wissenschaft brauchen eine verlässliche Finanzierung, um den vielfältigen Erwartungen, die an sie geknüpft werden, gerecht werden zu können. Wir setzen uns dafür ein, dass Staat und Unternehmen bis 2025 insgesamt mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung ausgeben werden. So baut Deutschland seine Position als Innovationsland aus.

Dafür werden wir u.a. eine steuerliche Forschungsförderung für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bis 250 Mitarbeiter einführen. Der „Forschungsbonus“ soll für alle nachgewiesenen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen gelten und 15 Prozent betragen. Das erleichtert es KMU finanziell, neue Produkte und Verfahren zu entwickeln und Zukunftsbereiche zu erschließen.

Wir wollen das Potenzial von Wissenschaft und Forschung für eine grüne Wirtschaft und mehr Lebensqualität ausschöpfen. Dazu werden wir Hightech-Strategie zu einer Innovationsstrategie für Nachhaltigkeit neuausrichten. So kommen auch Forschungsbereiche besser zum Zug, die sich aus den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen und den Pariser Klimazielen konkret ergeben.

Wir werden uns dafür einsetzen, den Hochschulpakt zu erhöhen und zu verstetigen. Das verbessert die Studienbedingungen nachhaltig. Wir werden Benachteiligungen von Forscherinnen im Wissenschaftssystem entgegenwirken und dazu Gleichstellungsstandards stärker verankern.

Und schließlich werden wir mit einer Initiative für den Wissenschaftsstandort Deutschland die Infrastruktur an den Hochschulen nachhaltig wieder auf den modernsten Stand bringen. Dafür wollen wir in den nächsten fünf Jahren je zwei Milliarden Euro bereitstellen, damit Universitäten und Fachhochschulen/HAWen ihre Bauten und ihre Ausstattung wieder auf die Höhe der Zeit bringen können: von den Hörsälen bis zu den Bibliotheken, von den digitalen Infrastrukturen bis zur Studienplatzvergabe, von den Forschungsgeräten bis zu den Wohnheimplätzen.

Vielerorts sind Menschen, die forschen und lehren, gefährdet. Deshalb werden wir auf eine  Wissenschaftsdiplomatie dringen, die Freiheit von Wissenschaft und Forschung international stärkt. Denn Wissenschaft lebt von Weltoffenheit, Vielfalt und Forschungsfreiheit.

3. “Ob Innovationen in Konflikt mit dem Vorsorgeprinzip geraten, lässt sich durch Technikfolgenabschätzung, Transparenz und Wissenschaftskommunikation frühzeitig erkennen”, schreiben Bündnis 90 / Die Grünen in ihrer Broschüre “Forschen für den Wandel” (S.15). Wie kann so etwas wie gute Wissenschaftskommunikation gelingen und welche Art von Unterstützungsmöglichkeiten sehen die Grünen von Seiten der Politik?

Wissenschaftskommunikation ermöglicht, frühzeitig zu erkennen, wo bei Forschung Fragen der Technikfolgenabschätzung oder Ethik entstehen. Der Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft über Forschungsinhalte, -erkenntnisse, und -prozesse ist wichtiger denn je. Wissen und die Fähigkeit zu denken, stärken die Widerstandskraft gegen Fake News und unlautere Beeinflussung in der demokratischen Meinungsbildung. Demokratische, wissensbasierte Gesellschaften sind auf den Kontakt zur Wissenschaft angewiesen, aber  genauso ist die moderne Wissenschaft auf den Kontakt zur Gesellschaft angewiesen.

Es bedarf deshalb mehr Räumen für Kommunikation und Begegnung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Möglichkeiten dazu reichen von „langen Nächten“ über thematische Dialogveranstaltungen bis hin zu Beteiligungsformaten. Ansätze für Bürgerwissenschaft („citizen science“) oder Reallaboren, wo Forschende mit Bürgerinnen und Bürgern zusammen forschen, sind Beispiele für gelebten Austausch. Wir wollen solche partizipativen Ansätze stärken. Denn wo technische und soziale Innovationen im gesellschaftlichen Dialog entwickelt werden, entsteht mehr Akzeptanz.

Darüber hinaus geht es uns um mehr Möglichkeiten für gesellschaftliche Gruppen, genauso selbstverständlich wie Wirtschaftsvertreter an Schwerpunktsetzungen der Forschungsförderung mitwirken zu können. Auch dafür setzen wir uns ein. Wir wollen Projekte von zivilgesellschaftlichen Organisationen unterstützen mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zwischen Gesellschaft und Forschung zu intensivieren.

Wir wollen schließlich mehr Transparenz als Grundprinzip in der öffentlich finanzierten Wissenschaft verankern. Es soll leichter zugänglich sein, wer was mit welchen öffentlichen Mitteln und welchen Partnern erforscht. Denn Transparenz ist die Voraussetzung für jeden Dialog.