Foto: Jason Tong, CC BY 2.0

Was heißt „Wissenschaftskommunikation“ auf australisch?

Wie machen die Australier Wissenschaftskommunikation? Das diskutierten Rebecca Winkels von der Helmholtz Gemeinschaft, als diese von ihrer Hospitanz in an der University of Sydney zurück war und die australische Wissenschaftskommunikatorin Arwen Cross, die derzeit bei Wissenschaft im Dialog tätig ist.

Arwen Cross: Rebecca, du hast neulich in Australien hospitiert. Da komme ich ja her – jetzt will ich natürlich alles wissen! Ich bin gespannt, ob du dort die gleichen Erfahrungen in der Wissenschaftskommunikation gemacht hast wie ich. Wo warst du denn genau?

Rebecca Winkels: Ich habe einen Monat an der University of Sydney verbracht und dort im Presseteam gearbeitet. Das ganze war quasi ein Ersatz für eine Fortbildung bei Helmholtz, wo ich ja aktuell noch als Pressereferentin arbeite. Ich wollte gerne noch mal ins Ausland und mal wieder erleben, wie an anderen Orten in der Welt Wissenschaftskommunikation beziehungsweise Wissenschaftsjournalismus betrieben wird. Da ich in England studiert habe, kenne ich mich dort relativ gut aus im System. Ich wollte also gerne woanders hin und da ich meine Zeit in Australien nach dem Abitur sehr genossen habe und die University of Sydney einen sehr guten Ruf genießt, fand ich es dann passend. Und so ein bisschen Sommer mitten im deutschen Winter schadet natürlich auch nie. 😉

Cross: Ach so, an der Sydney Uni habe ich studiert. Schade, dass Du den beliebten Jacaranda Baum im Universitätshof nicht bestaunen konntest, weil er letztes Jahr gestorben ist. Er war immer etwas ganz besonderes auf dem Campus. Aus Kommunikationssicht fand ich es sehr interessant, wie die PR-Abteilung eine Story aus dem Tod des Baumes gemacht hat. Hast du das noch mitbekommen? Gibt es schon einen neuen Baum?

Winkels: Ja klar, die Geschichte wird einem natürlich erzählt. Noch gibt es keinen neuen Baum, aber dafür umso mehr Diskussionen darum welche Art von Baum man denn dort pflanzen kann. Ein schönes Beispiel dafür, wie man politische und gesellschaftliche Debatten anhand von alltäglichen Dingen austragen kann. Ich finde übrigens ganz cool, dass das Uni Presseteam das Thema aufgegriffen hat. Der Campusspirit gehört dort ja noch ein wenig stärker zum Alltag als bei uns.

Cross: Ah, die Diskussion über einheimische und fremde Arten? Die Umweltschützer in Australien hassen fremde Arten, und sehen Weiden oder Wandelröschen als bösartige Unkräuter. Aber erzähl mir doch von deiner Zeit dort! Sydney war bestimmt anders als Berlin, und nicht nur wegen der Hitze und des Brots. Hast du einen großen Unterschied zu der Wissenschaftskommunikation in Deutschland bemerkt?

Winkels: Ich denke die Universitäten betreiben in Australien sehr viel direktere Pressearbeit, sprich der Dialog mit den Journalisten ist sehr aktiv – wir lassen die Journalisten hier in Deutschland immer eher ein bisschen auf uns zukommen. In Australien ist die Zuarbeit da schon direkter. Es gibt beispielsweise sogenannte Media Advisories, in denen die Uni den Medien direkte Vorschläge macht, welche Experten man zu einem aktuellen Thema oder auch zu einem Thema, was bald Relevanz bekommen könnte, vorschlägt. Ein bisschen wie beim Science Media Center hier in Deutschland, aber eben nur von einer Uni und direkt an die Journalisten. Das könnte auch daran liegen, dass der Wissenschaftsjournalismus in den regulären Medien fast keine Rolle mehr spielt. Deshalb sind die Medien quasi auf die Unterstützung der Pressestellen angewiesen. Kein Wunder also, dass sie sich auch stärker an die Presse wenden und beispielsweise aktiv Experten für bestimmte Themen vorschlagen. Sicherlich ist das auch ein Grund, dass The Conversation dort entstanden ist.

Besonders beeindruckt hat mich, wie bereitwillig an der Uni neue Dinge ausprobiert wurden und wie aufgeschlossen man unterschiedlichen Kanälen, besonders bei den sozialen Medien, gegenüber war. Die Zielgruppenorientierung der einzelnen Formate habe ich als sehr viel intensiver erlebt. Es wurde sehr stark nach den Zahlen geschaut und ob ein bestimmtes Format genau die Leute anspricht, die man beispielsweise bei einer Veranstaltung haben möchte. Sprich, wann muss ein Post rausgehen, damit er die meisten Studenten erreicht oder um welche Uhrzeit erreiche ich den für Australien so wichtigen asiatischen Raum? Das ist bei Helmholtz natürlich auch so, aber in vielen kleineren Pressestellen kommt es oft zu kurz und es gibt nicht die Kapazitäten wirklich zielgruppengerecht zu arbeiten. Ich glaube aber in Deutschland entwickelt man sich derzeit in diesem Bereich deutlich weiter, da ändert sich auch bei uns etwas.

Hast du das ähnlich erlebt in deiner Zeit dort? Oder siehst du noch andere Unterschiede?

Cross: Die direkte Pressearbeit habe ich ähnlich erlebt, wie du Rebecca. Die Wissenschafts-PR in Australien ist von der PR allgemein sehr geprägt und viele Kommunikatoren bringen Erfahrung aus Agenturen mit in die Wissenschaftseinrichtungen. Das führt dazu, dass das journalistische Handwerk bei der Pressearbeit – also das praktische Können – generell sehr stark vertreten ist. Dabei spielt die theoretische Ausbildung keine große Rolle. Meiner Meinung nach legen die australischen Kommunikatoren keinen Wert auf eigenes Fachwissen, in der Disziplin über die sie kommunizieren. Ich habe sogar mal erleben müssen, dass mir als Biologin unterstellt wurde, dass ich mich mit meinem Fachwissen nicht mehr in die Rolle der Leser versetzen könne. Dem Leser fehle grundlegendes Wissen in dem Bereich – deswegen sollten wir Kommunikatoren auch keine Fachexpertise haben. Diese Ansicht kann ich mir in Deutschland kaum vorstellen.

Deine Aussage, dass der Wissenschaftsjournalismus in der australischen Medienlandschaft fehlt, finde ich auch wichtig. Ich muss immer schmunzeln, wenn die Deutschen über den Untergang des Journalismus spekulieren, weil wir ihn in Australien quasi schon erlebt haben. Seit Jahren wird so stark zurückgeschraubt, dass den australischen Zeitungen bald nicht nur Fachjournalisten, sondern Journalisten überhaupt fehlen, wenn das so weiter geht.

Der Rückgang der Medien dort hat sicherlich zur Gründung von The Conversation geführt. Auch der Gründer war Redakteur bei einer Zeitung – “The Age” in Melbourne – und wurde dort entlassen. Ihr Konzept, dass Wissenschaftler selbst zu Fachjournalisten werden, finde ich super. Aber wie manche deutsche Kollegen skeptisch anmerken, fehlen bei The Conversation einige Dinge, die guten Wissenschaftsjournalismus ausmachen. Wenn ein Forscher selbst berichtet, bekommt der Leser keine weitere Meinungen von einem unbeteiligten Experten – wie es bei gutem Journalismus üblich ist. Darauf bin auch hier schon mal näher eingegangen.

Winkels: Ja, den Artikel hatte ich vorher auch gelesen. Hier wird ja sehr kritisch über The Conversation gesprochen. Das habe ich in Australien anders erlebt. Was mich noch interessieren würde ist, ob es aus deiner Sicht Themen gibt, die in Australien stärker im Fokus stehen als in Deutschland?

Cross: Als ich nach Deutschland gekommen bin, war für mich die Umstellung von Science Communication zu Wissenschaftskommunikation spannend. Mein Horizont wurde viel breiter. Ich hatte in Australien nur über  naturwissenschaftliche Themen kommuniziert – vielleicht zum Teil weil ich an solchen Forschungseinrichtungen gearbeitet habe. In Deutschland arbeite ich  bei Wissenschaft im Dialog und nun kommen die Sozial- und Geisteswissenschaften hinzu. Wie war deine Erfahrung an der Sydney Uni? Haben sie die verschiedenen Fächern unterschiedlich behandelt?

Winkels: In Sydney war die Bandbreite sehr groß, da ich im zentralen Presseteam tätig war und nicht in einer Fakultät. Sprich für mich selbst standen in dem Fall die Geisteswissenschaften sogar mehr im Fokus als bei Helmholtz. Auch das Fachwissen innerhalb des Presseteams war sehr groß. Viele Fakultäten haben spezielle Zuständige innerhalb des zentralen Presseteams, die dann das Fachwissen als Hintergrund mitbringen. Von Biologen über Historiker und Juristen war alles vertreten und jeder hatte seine speziellen Bereiche. Das war schon sehr professionell und klar für die Bereiche zugeschnitten, was ich sehr positiv finde, weil es nie schaden kann, wenn man sich im Thema etwas auskennt. Aber vielleicht ist die Uni in Sydney auch einfach ein besonders positives Beispiel.

Cross: Es ergibt schon Sinn, dass in der Hochschulkommunikation ein breites Feld von Fächern behandelt wird. Meine Erfahrung in Australien liegen allerdings im Bereich naturwissenschaftlichen Einrichtungen, wo wir nur “science communication” gemacht haben. Ich glaube das ist aber kein Einzelfall, dass Leute aus der “science communication” und Hochschulkommunikation in Australien wenig Kontakt haben. Auf Konferenzen, wie auf der Jahrestagung der “Australian Science Communicators”, habe ich kaum Hochschulkommunikatoren kennengelernt. Beim Berliner Stammtisch der Wissenschaftskommunikation (#bswk) habe ich hingegen gemischte Gruppen erlebt. Es gibt in Deutschland sicherlich auch verschiedene Communities innerhalb der Wissenschaftskommunikation. Mein Eindruck ist aber, dass der Oberbegriff Wissenschaftskommunikation zu mehr Austausch zwischen den Fächern führt als der Begriff “science communication”.

Noch ein Bereich, wo der Fokus in Australien anders ist, sind die kontroversen Themen – zumindest aus meiner Erfahrung. In Australien kommunizieren wir noch stark über das Thema grüne Gentechnik. In Deutschland finden viele Kommunikatoren, dass der Zug schon abgefahren ist, und es sich nicht mehr lohnt das Thema anzusprechen. Auf der andere Seite finde ich, dass die deutsche Wissenschaft stärker über Tierversuche kommuniziert – ein Thema, das man in Australien lieber nicht anrührt.

Winkels: Ich glaube in Deutschland entwickelt sich Schritt für Schritt eine Kultur, in der viel über Kontroversen diskutiert wird und diese sich auch in der Kommunikationslandschaft wiederfinden. Wir haben Hinterfragen und kritisches Denken wieder als wichtige Faktoren für Bildungserfolg ausgemacht und versuchen in dem Bereich grad sehr viel. Allerdings kann ich nach nur einem Monat nicht so richtig beurteilen, ob es in Australien wirklich anders ist. Da hast du, Arwen, sicherlich die bessere Einsicht. Generell glaube ich hängt es immer stark von der jeweiligen Organisation ab und ich glaube speziell die University of Sydney ist sehr gut darin auch zu kritischen Themen aktiv Stellung zu beziehen, so habe ich zumindest die Gesprächskultur innerhalb des Presseteams erlebt.

Cross: Ich denke, dass Kommunikatoren in Australien glauben, dass wer kritisch denken kann, akzeptiert  auch die Forschung. Deswegen entwickeln sie Materialien, die den Bürgern kritisches Denken beibringen sollen. Die Materialien sollen bewirken, dass die Australier Technologien, wie die grüne Gentechnik besser beurteilen können und eventuell dadurch akzeptieren können. Nehmen wir als Beispiel ein Video von einem australischen Informationsdienst zu neuen Technologien. Es erklärt, dass das Vorsorgeprinzip ein Trugschluss ist, und dass wir neue Technologien auch ohne endgültige Beweise der Sicherheit akzeptieren müssen. In Europa sieht man dass natürlich anders – das europäische Umweltrecht basiert ja auf dem Vorsorgeprinzip! Bei einer Veranstaltung zum Thema Gentechnik in Berlin habe ich erfahren wie deutsche Rechtswissenschaftler und Ethiker überlegen, welche Auswirkungen diese Rechtslage für die Genomchirurgie haben könnte. Hier haben die Australier und die Deutschen, sehr andere Sichten auf ein kontroverses Thema.

Aber jetzt haben wir wahrscheinlich genug gequatscht! Es war sehr schön mit dir zu reden, und etwas über deine Zeit in Sydney zu hören. Vielen Dank für das Gespräch.

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