Foto: Ilja Hendl/WiD

Wissenschaftliche Exponate zum Testfahren und Mitdiskutieren

Wie kann man Forschung in Ausstellungen zeigen? Das erklären zwei Forschende an ihren Exponaten für das Ausstellungsschiff MS Wissenschaft zum Wissenschaftsjahr Künstliche Intelligenz. Ein Einblick in die Schritte von der Idee bis zum fertigen Werk über Kunst- und Kognitionswissenschaft.

„Steig ein – heute fährt dein Auto selbst!“

Zum ersten Mal stellt das Institut für Kognitionswissenschaften der Universität Osnabrück ein Exponat für die Ausstellung auf der MS Wissenschaft. Das Thema 2019: Künstliche Intelligenz. Dabei vermittelt das Team nicht nur die eigene Wissenschaft, sondern sammelt in der Ausstellung auch Daten zu konkreten Forschungsfragen. 

Darum dreht sich das Exponat: Wie es möglich wird, die Entscheidungen von selbstfahrenden Autos nachzuvollziehen.

Herr Pipa, was zeigen Sie auf der MS Wissenschaft?

Das Exponat der Universität Osnabrück auf der MS Wissenschaft ist ein halbes Auto. Foto: Ilja Hendl/WiD
Das Exponat der Universität Osnabrück auf der MS Wissenschaft ist ein halbes Auto. Foto: Ilja Hendel/WiD

Unser Exponat und auch unsere Forschung dreht sich um das Thema „Erklärbare Künstliche Intelligenz“. Unsere Hypothese ist, dass KI besonders dann große Vorteile bringt und Akzeptanz erhält, wenn die Menschen verstehen, wie sie Entscheidungen trifft. Unser Beispiel dafür ist das autonome Fahren und unser Exponat besteht aus einem halben Auto sowie zwei VR-Brillen. Die Besucherinnen und Besucher erleben darin immer zufällig eine von drei simulierten Fahrsituationen. Im ersten Szenario fährt man mit einem Taxifahrer durch die Stadt. Im zweiten Szenario sitzt man in einem selbstfahrenden Auto, das während der Fahrt einen Radiobeitrag wiedergibt. Und im dritten Szenario sitzt man ebenfalls in einem selbstfahrenden Auto. Dabei erklärt es den Besuchenden aber während der Fahrt, was es genau macht – etwa warum es bremst oder die Entscheidung für die Weiterfahrt trifft. 

Gordon Pipa ist Professor und Leiter der Abteilung Neuroinformatik am Institut für Kognitionswissenschaften der Universität Osnabrück. Foto: privat
Gordon Pipa ist Professor und Leiter der Abteilung Neuroinformatik am Institut für Kognitionswissenschaften der Universität Osnabrück. Foto: privat

Dabei sammeln Sie in der Ausstellung selbst auch Daten für Ihre Forschung. Wie funktioniert das genau?

Wir lassen die Fahrgäste nach der Simulation einen Fragebogen ausfüllen, in dem sie uns ihre Fahrerfahrung mitteilen können. Diese werden jeden Tag direkt an Bord ausgewertet, sodass man live mitverfolgen kann, wie die Erfahrungen mit den verschiedenen Szenarien bewertet werden.

Welche Ziele möchten Sie damit erreichen?

Wir wollen den gesellschaftlichen Übergang von nicht-KI-dominierter zu KI-dominierter Technologie begleiten. Uns interessiert dabei nicht, wie man mit KI wirtschaftlich eine größere Wertschöpfung erzielen kann. Stattdessen wollen wir verstehen, was die Gesellschaft braucht, um glücklich mit KI zu sein. Unsere Forschung deutet darauf hin, dass sich KI dafür mehr erklären muss.

Sie haben zum ersten Mal ein Exponat für die MS Wissenschaft eingereicht. Warum haben Sie sich für dieses Projekt als Plattform für Ihre Öffentlichkeitsarbeit entschieden?

Weil wir hier ein sehr breites Publikum an verschiedenen Orten erreichen können, ohne dabei jedes Mal einen Auf- und Abbau machen zu müssen. So können wir zum einen in der Ausstellung Daten bei verschiedenen Gruppen für die Forschung sammeln. Zum anderen können wir einen Diskurs über das Thema „Erklärbare Künstliche Intelligenz“ anstoßen. Die fahrende Ausstellung ist also attraktiv für beide Zwecke. Darum nutzen wir die Mittel, die wir von der DFG für Öffentlichkeitsarbeit erhalten haben, für die Teilnahme an der MS Wissenschaft.

Wie entsteht bei Ihnen ein Exponat für die MS Wissenschaft?

Wir sind eine kleine Universität mit einem technischen Schwerpunkt und konnten das Exponat in unseren eigenen Werkstätten komplett selbst umsetzen. Es ist ein großer Vorteil, wenn man kurze Wege hat und mit dem eigenen Schreiner die Ideen so lange entwickelt, bis alles passt.  Außerdem haben wir natürlich Erfahrung mit Projektarbeiten und das Team ist es auch gewohnt, erst einmal verrückt klingende Ideen anzupacken. So haben wir uns mit Methoden wie Scrum oder Trello-Boards vom Konzept bis zum fertigen Exponat durchgearbeitet. 

Was waren die größten Herausforderungen dabei?

Die größte Schwierigkeit war es, das Projekt neben den laufenden Aufgaben der Beteiligten umzusetzen und das Exponat für einen so langfristigen Einsatz zu konzipieren. Dass es über mehrere Monate von so vielen Menschen genutzt werden soll, stellt ganz eigene Anforderungen an den Bau und das Material. Das kann dazu verleiten, das Exponat zu einfach zu gestalten. Das wollten wir aber nicht, sondern haben so lange daran gefeilt, bis wir unsere Ziele komplett umgesetzt hatten.

Haben Sie Tipps für die nächste Ausstellung auf der MS Wissenschaft?

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten mutig und kreativ sein und diese Gelegenheit als Chance sehen, ihre Forschung der Gesellschaft zu präsentieren. Nur so kann man etwas zurückgeben und gleichzeitig erleben, wie wichtig die Forschung auch für das Publikum ist. Das ist auch eine tolle Motivation für die eigene Arbeit.

Die Gäste können mehrere Szenarien eines selbstfahrenden Autos testen. Foto: Ilja Hendl/WiD
Die Gäste können mehrere Szenarien eines selbstfahrenden Autos testen. Foto: Ilja Hendl/WiD

Kunst, Kreativität und maschinelle Intelligenz

Das Team des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut ist bereits zum vierten Mal an Bord der MS Wissenschaft und bringt in die oft naturwissenschaftlich dominierten Ausstellungen eine sozial- und geisteswissenschaftliche Perspektive. 

Darum dreht sich das Exponat: Wie die kritische Auseinandersetzung mit nicht-menschlicher Intelligenz seit jeher die Kreativität anregte.

Frau Gründler, was zeigen Sie dieses Jahr auf der MS Wissenschaft?

Foto: Ilja Hendel/WiD
In einer Slideshow informiert das Kunsthistorisches Institut in Florenz / Max-Planck-Institut über die Zusammenhänge von Kunst und Intelligenz. Foto: Ilja Hendel/WiD

Bei unserem Exponat zeigen wir auf zwei Bildschirmen Slides, die wie in einem einarmigen Banditen nebeneinander durchlaufen. Nach dem Zufallsprinzip werden immer neue Konstellationen generiert, wobei verschiedene Bilder jeweils mit Fragen und kurzen Texten kombiniert werden. Die Idee dabei ist, die Besucherinnen und Besucher zum Nachdenken über Künstliche Intelligenz und deren Verbindung zu Kunst und Architektur und insgesamt zu Fragen der Kreativität anzuregen. Außerdem wollen wir zeigen, dass die Gedanken dazu kein Phänomen der neueren Zeit, sondern vielmehr Teil unserer Geschichte sind. Wir wollen somit auch zu einer produktiven Distanz anregen, die es für die Auseinandersetzung mit dem Thema braucht.

Warum ist das wichtig?

KI durchdringt mehr und mehr Bereiche des täglichen Lebens und dabei werden viele ethische Fragen berührt, etwa: Was macht den Menschen aus? Und welche Rolle spielt zum Beispiel die Kreativität für sein Selbstverständnis? Im Bereich Cloudpainting werden etwa schon ganze Werke von KI geschaffen. Aber ist diese wirklich kreativ? Oder können nur Menschen kreativ sein? Wie verändert die KI bestimmte Vorstellungen von Gestaltungsprozessen und auch vom Menschen selbst, wenn sie in immer mehr Bereichen eingesetzt wird? Diese Fragen und Diskussionen werden etwa im Film bereits seit den 1920er-Jahren zur Sprache gebracht.

Inwiefern spiegelt das die Forschung am Kunsthistorischen Institut Florenz wieder?

Im Augenblick nutzen wir dort noch keine KI im strikten Sinne, haben aber im Rahmen der Digital Humanities oder auch in Zusammenhang mit aktuellen Materialexperimenten im Bereich der Architektur immer mehr mit dem Thema zu tun. Dabei fragen wir uns zum Beispiel, wie sich durch KI unser Umgang mit Bildern und somit mit unserer Lebenswelt verändert. Für die Bildgeschichte ist das ein ganz zentrales Moment.

Hana Gründler ist Permanent Senior Research Scholar am Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut.

Sie beteiligen sich bereits zum vierten Mal an einer Ausstellung der MS Wissenschaft. Warum haben Sie sich für dieses Projekt als eine Plattform für Ihre Öffentlichkeitsarbeit entschieden?

Mit der Ausstellung wird ein sehr breites Publikum erreicht und auch die Interaktion der verschiedenen Disziplinen innerhalb der Ausstellung ist besonders spannend und anregend. Die Wissenschaftskommunikation ist für uns ein wichtiges Thema, weil Bilder eine große Rolle im täglichen Leben der Menschen spielen. Wir sind umgeben von Bilderfluten. Trotzdem wissen die meisten von uns wenig über ihre Herkunft und Geschichte. Deswegen ist es sehr wichtig, ein historisches und kritisches Bewusstsein für diese Veränderungen zu fördern. Gerade den Geisteswissenschaften kommt dabei eine wichtige Rolle zu, denn sie ermöglichen es, die Dinge aus der Tiefe des historischen Raumes auszuloten und so auch die Gegenwart anders zu beleuchten.

Wie entsteht bei Ihnen ein Exponat für die MS Wissenschaft?

Zuerst erarbeiten wir uns das Thema im Kollegenkreis in einem gemeinsamen kreativen Prozess. Dabei diskutieren wir Fragestellungen und suchen Bildmaterial heraus, sodass sich aus dem Zusammenspiel ein stimmiges Gesamtkonzept entwickelt.

Was sind dabei die größten Herausforderungen?

Sich von den Eigenheiten des wissenschaftlichen Arbeitens ein Stück weit zu befreien, ebenso vom wissenschaftlichen Jargon. Damit das Exponat klar, transparent und verständlich ist, muss man die Themen nicht unbedingt herunterbrechen, aber durchaus anders fassen. Wir versuchen außerdem viel mit Fragen zu arbeiten, um das Publikum zur selbstständigen Auseinandersetzung und zum Weiterdenken anzuregen.

Haben Sie Tipps für die nächste Ausstellung auf der MS Wissenschaft?

Man sollte Mut zum Schwierigen haben. Es ist zwar wichtig, die Inhalte einfach und klar zu formulieren, aber die Inhalte selbst können ruhig kompliziert sein. Da kann man den Besucherinnen und Besuchern durchaus etwas zumuten, anstatt sie zu unterfordern und zu unterschätzen. Gerade dadurch entstehen häufig die spannendsten Dialoge.

In einer Slideshow informiert das Kunsthistorische Institut Florenz übe ride Zusammenhänge von Kunst und Intelligenz. Foto: Ilja Hendel/WiD
Künstliche Sinne, menschliche Kreativität, maschinelle Intelligenz: Einer der beiden Screens des Exponats des Kunsthistorisches Institut in Florenz / Max-Planck-Institut. Foto: Ilja Hendel/WiD