Wir reden über… die Anhörung im Bundestag

Das Wisskomm-Update gibt alle 14 Tage einen Überblick über aktuelle Themen, Debatten und Trends. Außerdem finden Sie hier aktuelle Termine und Forschungsergebnisse zur Wissenschaftskommunikation.

Was gibt’s Neues?

Das Wisskomm-Update goes Bundestag! Heute geht es um die kürzlich stattgefundene öffentliche Anhörung. Im Bundestag herrschte ein breiter Konsens über die Bedeutung der Wissenschaftskommunikation für die Gesellschaft. Auslöser für die Anhörung im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am 24. April war ein Antrag der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP, über den wir bereits im März berichtet haben. Sie forderten eine „systematische und umfassende“ Förderung der Wissenschaftskommunikation. Wissenschaft sei die Faktenbasis der Gesellschaft und müsse daher breit in die Bevölkerung getragen werden.

Insgesamt wurden sieben Sachverständige aus Wissenschaft und Medien angehört, die eine Stärkung der Wissenschaftskommunikation begrüßten. Die SPD hat Harald Lesch (Ludwig-Maximilians-Universität München) und Julia Wandt (Universität Freiburg) eingeladen. Die Wissenschafts-Youtuber Jacob Beautemps und Moritz Vieth sowie die Vorstandsvorsitzende der Wissenschaftspressekonferenz Nicola Kuhrt folgten der Einladung der CDU/CSU. Die Grünen luden Johannes Vogel (Museum für Naturkunde Berlin) und die FDP Tanja Brühl (Technische Universität Darmstadt) ein.

Blick in den Anhörungssaal. Bild: Anna Henschel

Die Forderungen der Sachverständigen

Zu den Hauptforderungen der Sachverständigen gehörte eine bessere finanzielle Ausstattung, um die Kommunikation zu unterstützen. Tanja Brühl forderte eine Erhöhung der Grundmittel um etwa 25 Prozent. Nicola Kuhrt schlug eine staatlich finanzierte und unabhängige Stiftung zur Förderung des krisengeplagten Wissenschaftsjournalismus vor. Finanzielle Engpässe wurden als eines der größten Hindernisse für eine effektive Wissenschaftskommunikation identifiziert, ebenso wie zunehmende Anfeindungen von Wissenschaftler*innen. Julia Wandt berichtete von einer hohen Nachfrage der Hilfsangebote des Scicomm Supports*. Sie sagte: „Die aktuell dringendste Aufgabe ist, diese Lücke zwischen hoher Nachfrage und Befristung dauerhaft zu schließen.“

Johannes Vogel plädierte für eine dialogische Wissenschaftskommunikation, die auf aktives Zuhören und den Austausch mit verschiedenen Communities setzt. Das Wissenschaftsbarometer* zeige: Bisher habe die Wissenschaft die sich ändernden Bedürfnisse der Gesellschaft nicht ausreichend erkannt. Harald Lesch kommentierte, dass man bereits viel über Geld und Strukturen gesprochen habe, er vermisse Pathos. Denn Wissenschaftskommunikation sei eine „unglaublich vertrauensbildende Maßnahme. Dem schloss sich Moritz Vieth an: „Wissenschaftskommunikation ist das stärkste Schwert, was wir gegen die Unwissenheit und Angst haben.“

Reaktionen aus der Community

Die Fachgruppe Wissenschaftskommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft bemängelte, dass das Forschungsfeld Wissenschaftskommunikation nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Die Sprecher*innen der Fachgruppe Niels Mede und Friederike Hendriks führen ihre Gedanken im Gastbeitrag aus. 

Bei X reagierte die Wissenschaftskommunikatorin Alexandra Scherer kritisch auf die Forderung einer staatlich geförderten Stiftung: “[…] Eine Stiftung, um Bundesgeld zu verteilen, braucht kein Mensch – dazu gibt es bereits genug Projektträger. Dann muss halt das BMBF ein Förderprogramm aufsetzen.“ Tamara Fahry-Selig, Geschäftsführerin bei Dachverband der Geowissenschaften DVGeo, fasste bei LinkedIn zusammen: „Einig waren sich alle, dass #Wisskomm stärker ausgebaut werden solle. Fragt sich nur, wie: durch bessere Vernetzung mit Influencern, Stärkung der Medienkompetenz der Gesellschaft, mehr Diskursbereitschaft der Wissenschaft oder die Gründung einer Stiftung zur Förderung der Wisskomm.“ Sie fragt, ob sich der Fachbereich Geowissenschaften bereits genug einsetzt oder ob hier Kapazitäten ausgebaut werden sollten. Die Aufzeichnung der Anhörung ist hier abrufbar.

Und die Forschung?

Mit dem wärmeren Wetter zieht es auch sie wieder nach draußen: Stechmücken. Die Insekten können Krankheiten wie Malaria, Dengue- und Gelbfieber übertragen. Um deren Ausbreitung verhindern zu können, wird mit gentechnisch veränderten Mücken experimentiert. Wie werden die Chancen und Risiken solcher Versuche in der Öffentlichkeit eingeschätzt? Ein Forschungsteam hat das am Beispiel von Uganda untersucht – einem Land, in dem Feldversuche mit gentechnisch veränderten Stechmücken stattfinden könnten. Die Ergebnisse der Analyse von Medienberichten, Interviews mit Stakeholder*innen und Fokusgruppengesprächen zeigen, dass es in der Öffentlichkeit zwar ein starkes Bedürfnis nach mehr Wissen zum Thema gibt, aber nur wenige Informationen zur Verfügung stehen. Das aber sei notwendig, wenn die Bevölkerung sich an Entscheidungen beteiligen solle, unterstreichen die Forscher*innen.  

John H. Evans von der University of California und die Soziologin Cynthia E. Schairer haben anhand einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe in den USA untersucht, wovon es abhängt, wie Menschen Meinungen zu gentechnisch veränderten Moskitos entwickeln.  Der Einsatz solcher Insekten zur Bekämpfung von Malaria stieß auf große Zustimmung. Gleichzeitig äußerten Befragte auch Bedenken hinsichtlich möglicher Umweltauswirkungen. Eine positive Haltung zu wissenschaftlichen Methoden und die Überzeugung, dass Wissenschaftler*innen im Interesse der Öffentlichkeit handeln, hatten die stärksten Auswirkungen auf die Meinungen zum Thema. 

Termine

📆 2. – 3. Mai 2024 | Virtual Expo: Networking for Environmental Communication | Mehr

📆 27. Mai 2024 | Veranstaltung: Politik braucht Forschung braucht Wissenschaftskommunikation (Düsseldorf) | Mehr

📆 3. – 5. Juni 2024 | Live-Chats mit Wissenschaftler*innen zu „Demokratie und KI“ (Online) | Mehr

📆 16. – 18. Oktober 2024 | Science Communication and Journalism International School (Erice) | Mehr

Interview des Monats

Ob Stiftungsprofessuren oder Auftragsstudien: Unter welchen Umständen wird es problematisch, wenn private Gelder in Forschung fließen? Christina Deckwirth von LobbyControl spricht darüber, welche Folgen Einflussnahme haben kann – und welche Rolle Transparenz spielen sollte. 

Beteiligen Sie sich an unserem aktuellen SchwerpunktWissenschaft und Wirtschaft“! Ideen, Feedback und Skizzen für Gastbeiträge können Sie jederzeit per E-Mail an redaktion@wissenschaftskommunikation.de senden.

Impressionen von der Anhörung im Bundestag

Die Sachverständige Julia Wandt teilt bei LinkedIn ihre Eindrücke von der Anhörung im Bundestag: „In den anschließenden Fragerunden ging es darüber hinaus [unter anderem] um die Rolle institutioneller Wissenschaftskommunikation insgesamt, die Befähigung und Stärkung der Kompetenzen in der Wissenschaftskommunikation (zu der auch die genannte die Anerkennung und die Rückenstärkung bei Angriffen zählt) und Evaluation von Wissenschaftskommunikation.“

Von links nach rechts: Holger Mann (SPD), Julia Wandt (Universität Freiburg), Tanja Brühl (Technische Universität Darmstadt), Kai Gehring (Die Grünen), Stephan Seiter (FDP), Nicola Kuhrt (Wissenschaftspressekonferenz) und Johannes Vogel (Museum für Naturkunde Berlin). Bild: Julia Wandt (via LinkedIn)

* Wissenschaft im Dialog (WiD) ist einer der drei Träger des Portals Wissenschaftskommunikation.de.