Benedikt Beckmann ist Molekularbiologe und Gruppenleiter an der Humboldt-Universität Berlin. Auf Clubhouse erklärt er mit drei Kolleg*innen regelmäßig eine Corona-Studie. Im Interview spricht er über das Format und wieso er Wissenschaftskommunikation wichtig findet.
„Wir lesen eine Corona-Studie“ bei Clubhouse
Herr Beckmann, wieso finden Sie es wichtig, Wissenschaft zu kommunizieren?
Es gibt natürlich verschiedene Gründe. Ich finde es vor allem für die Legitimation wichtig. Wissenschaft – vor allem Grundlagenforschung – findet eher in einer exklusiven Blase statt. Hinzu kommt, dass sich die Wissenschaft in fast allen Disziplinen immer stärker spezialisiert und daher die Blasen immer kleiner werden. Deshalb halte ich es für sehr wichtig, darüber zu sprechen, was und wie geforscht wird. In der Pandemie ist für mich sehr deutlich geworden, dass man damit nicht erst in einer Krise beginnen sollte, sondern bereits vorher die Wissensgrundlage gelegt werden muss. Ansonsten sieht die Wissenschaftskommunikation wie ein Flickenteppich aus punktueller Expertise aus. So wirkt es auch jetzt teilweise in der öffentlichen Debatte. Deshalb ist es für mich wichtig, nicht erst dann zu kommunizieren, wenn es unbedingt notwendig wird oder ein aktueller Aufhänger da ist, wie beispielsweise jetzt die Pandemie. Außerdem macht mir Kommunikation unheimlich viel Spaß und man lernt viel dabei. Am Anfang ist es gar nicht so einfach, seine eigene Forschung zu vermitteln. Aber je mehr man es übt, desto besser wird man darin und die Diskussion der eigenen Forschung ist aus meiner Sicht gewinnbringend.
Welche Kanäle nutzen Sie am liebsten?
Ich nutze im wesentlichen Twitter und jetzt seit neuestem auch Clubhouse. Twitter hat sich aus meiner Sicht ein bisschen als der Social-Media-Kanal der Wissenschaft etabliert und daher habe auch ich damit angefangen. Der Kanal ist sehr einfach nutzbar, weil man einfach mal loslegen kann. Die Kommunikation dort läuft über Text, was einem generell, glaube ich, gerade am Anfang erst mal als einfacher und nahe liegender Kommunikationsweg erscheint, wenn man in der Wissenschaft arbeitet.
Clubhouse ist natürlich das krasse Gegenteil. Es ist ein sehr abgeschlossenes Ökosystem, zu dem leider auch nicht alle Zugang haben. Ich sehe Clubhouse für mich selbst und auch allgemein gerade noch als Experimentierfeld. Was ich daran schätze, ist, dass es ein audiobasiertes Format ist. Dadurch sind die Leute gezwungen, Themen im Gespräch und ohne visuelle Hilfestellungen zu erklären und herunterzubrechen. Das schätze ich auch an Podcasts. Der Vorteil von Clubhouse ist aus meiner Sicht, dass die Zuhörer*innen Fragen stellen und selbst Teil des Gesprächs werden können. Deshalb hoffe ich, dass sich Clubhouse etwas öffnet oder andere Anbieter das Format aufgreifen.
Sie selbst bieten auf Clubhouse mit drei Kolleg*innen regelmäßig das Format „Wir lesen eine Corona-Studie“ an. Wie ist das Format zustande gekommen?
Ich habe mir Clubhouse zuerst selbst angeschaut und fand das Format spannend. Also habe ich einen Raum aufgemacht, in dem ich die Frage gestellt habe, was Clubhouse für Forschung und Lehre tun kann. Ich hatte eine ganze Reihe von Ideen, die ich dort mit anderen Teilnehmenden diskutiert habe. Das beste Feedback bekam aber die Idee, regelmäßig bei Clubhouse über eine wissenschaftliche Studie zu sprechen, sie zu erklären und zu diskutieren. Ich hatte dann das Glück, dass ich ein paar Leute kannte, die große Lust auf ein solches Format hatten. Seitdem bilde ich mit Geraldine Nouailles, Ralf Rottmann und Emanuel Wyler ein Quartett, das das Format vorantreibt.
Welche Erfahrungen haben Sie bisher dabei gesammelt?
Wie viele Fragen kommen denn so und wie viele Leute sind mit dabei?
Das ist sehr unterschiedlich und auch in beiden Fällen vom Thema abhängig. Wir versuchen immer, eine halbe Stunde lang zu erklären und dann eine halbe Stunde den Fragen zu widmen. Die Fragen sind sehr heterogen. Manchmal sind sie sehr konkret zu den Studien, die wir vorstellen, aber manchmal geht es auch eher um allgemeine Fragen zu Corona.
Gibt es auch skeptische Stimmen in ihren Runden?
Ja, so was kommt vor. Da muss man dann ein wenig schauen, auf welchem Level sich das Gespräch bewegt. Wenn Leute dabei sind, die einfach nur Quatsch verbreiten oder pöbeln wollen, dann entziehen wir ihnen das Mikrofon und schmeißen sie raus. An dieser Stelle hat die Diskussion aus meiner Sicht keinen Sinn. Es gibt aber auch Leute, die einfach unsicher sind und diese Unsicherheit äußern. Genau für diese Leute machen wir das Format. Im Gespräch mit ihnen zeigen wir dann eben ganz klar auf, wie die Datenlage ist, und wir versuchen auch, den Leuten zu erklären, wie man diese Daten liest. Dieses Ziel, die Leute selbst dazu zu befähigen, Entscheidungen basierend auf diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu treffen, ist zwar hochgesetzt. Es sorgt aber, glaube ich, auch dafür, dass diese ganz extremen Leugner bei uns nicht so präsent sind. Dafür ist es auch zu nerdig.
Wie ist denn allgemein Ihre Herangehensweise, wenn Sie neue Formate ausprobieren?
Gibt es für Sie Vorbilder in Sachen Kommunikation?
Was Christian Drosten in dem Podcast macht, ist erstaunlich und ich finde es faszinierend, dass es so etwas gibt. Da sitzt einer und kümmert sich nicht darum, wie verständlich es ist und ob er Fachbegriffe verwendet oder nicht. Diejenigen, die Podcasts machen, kennen dieses Phänomen, aber bisher war so ein Format in der Breite und den öffentlich-rechtlichen Medien einfach nicht vorhanden. Ich finde, das ist eine sehr spannende Entwicklung.
Auch sonst gibt es natürlich viele Leute, die tolle Sachen machen und ich stoße auch immer wieder auf Leute, die etwas supergut umsetzen. Meistens sind es aber Leute, die schon semi- oder komplett professionell kommunizieren und nicht mehr selbst in der Forschung sind, wie beispielsweise MaiLab. Generell muss man aber aus meiner Sicht seinen eigenen Stil finden und zu schauen, was für einen selbst der richtige Weg ist.
Die Reihe „Wir lesen eine Coronastudie“ findet in der Audio-App Clubhouse statt. Mit dabei sind neben Benedikt Beckmann (Humboldt-Universität Berlin) auch Geraldine Nouailles (Charité Universitätsmedizin Berlin), Ralf Rottmann (Unternehmer) und Emanuel Wyler (Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin).