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„Man muss sich auch außerhalb der eigenen Community unterhalten können“

Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ist einer der führenden Klimaforscher Deutschlands und als Forschender in den Medien sehr präsent. Mit uns hat er darüber gesprochen, warum ihm die Kommunikation so am Herzen liegt.

Herr Latif, weshalb finden Sie es wichtig, über Ihre Forschung zum Klimawandel zu kommunizieren?

In der heutigen Zeit ist es wichtiger als je zuvor. Wir leben ja in gewisser Weise in den postfaktischen Zeiten. Da ist es aus meiner Sicht die Bürgerpflicht der Wissenschaft, darüber zu informieren, wie die Situation wirklich ist und was die Daten zeigen. Gerade das Thema Klimawandel ist ein sehr relevantes aber auch stark ideologisiertes Feld. Gerade weil viele hier ideologisch argumentieren und Gefühle als Basis ihrer Aussagen nutzen, ist es umso wichtiger, die Faktenlage klarzumachen und das müssen wir als Wissenschaftler aktiv tun.

Haben Sie einen Lieblingskanal?

Mojib Latif ist Leiter der Forschungseinheit Maritime Meteorologie am Geomar - Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und einer der führenden Klimaforscher Deutschlands. Foto: Jan Steffen / Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
Mojib Latif ist Leiter der Forschungseinheit Maritime Meteorologie am Geomar – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und einer der führenden Klimaforscher Deutschlands. Foto: Jan Steffen / Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

Ich mache sehr gerne Hörfunk. Da hat man Zeit, die Dinge im Detail zu erklären und verständlich zu machen. Deshalb ist das Radio mein Lieblingsmedium. Aber ich mache auch andere Sachen sehr gerne. Zum Beispiel Bücher schreiben. Oder Vorträge halten. Vorträge machen mir viel Spaß, weil man sehr unmittelbares Feedback bekommt. Besonders gerne spreche ich vor Schülerinnen und Schülern, weil die besonders neugierig sind, viel nachfragen und vielleicht auch manchmal froh sind, dass es nicht schon wieder der Lehrer oder die Lehrerin ist, die etwas erzählt.

Vorträge, Bücher und Hörfunk sind ja eher langsame Medien, bei denen man viel Zeit für Details hat. Sie sind aber auch immer wieder in Talkshows unterwegs. Warum stellen Sie sich auch diesem schnelllebigen Format?

Mit Talkshows erreicht man eine viel größere Zielgruppe und ich finde es deshalb sehr wichtig, sich dort reinzusetzen. Es wäre außerdem sehr arrogant, das nicht zu tun. Man muss sich auch außerhalb der eigenen Community unterhalten können. Man muss sich in eben diesen Dialog begeben, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Jemand, der behauptet, seine Wissenschaft sei nicht geeignet, um sie auf niedrigschwelligem Niveau zu kommunizieren, der hat vielleicht seine eigene Forschung nicht verstanden.

Wie erleben Sie denn die Debatten in den Talkshows?

Mir macht es Spaß und ich habe nur wenige Berührungsängste. Mich nervt es allerdings, wenn Leute systematisch versuchen, andere Leute fertig zu machen, indem sie ihnen ins Wort fallen. Ich habe gestern eine Talkshow gesehen und da hat Alexander Dobrindt immer dazwischen geredet, wenn Robert Habeck etwas aus seiner Sicht wichtiges sagen wollte. Das mag ich nicht und so etwas passiert oft in Talkshows, weil die Moderatoren selten durchgreifen. Ansonsten macht der Dialog aber durchaus Spaß und ich halte ihn für sehr nützlich.

Das Einzige, was ich auf keinen Fall tun würde, ist, mich in eine Runde zu setzen, wo ein Pseudoklimawissenschaftler sitzt, der den Klimawandel leugnet, aber auf dem Gebiet nicht selber forscht.

Warum nicht?

Ich glaube, das würde zur Verunsicherung der Bevölkerung führen, weil dann zwei Wissenschaftler mit scheinbar gleichem Expertenstatus miteinander sprechen. Es gibt eine relativ große Unsicherheit in der Öffentlichkeit beim Klimawandel, trotz der sehr klaren Faktenlage. Mit einem Pseudoklimawissenschaftler zu sprechen, ist auch etwas anderes als mit einem Politiker, der den Klimawandel leugnet. Da können die Menschen dann unterscheiden, wer welche Expertise hat. Zumindest hoffe ich das.

Glauben Sie, es braucht mehr Forschende, die aktiv kommunizieren?

Auf jeden Fall. Allerdings gibt es natürlich auch einfach viele, die keine Lust und keine Affinität dazu haben. Es ist auch nicht immer leicht, mit Leuten zu sprechen, die keinen wissenschaftlichen Hintergrund haben oder teilweise die eigene Arbeit infrage stellen. Außerdem muss man es trainieren, so zu sprechen, dass man auch von Laien verstanden wird. Man muss sich schon sehr genau überlegen, wie man die Dinge herunterbricht. Das kann man aber lernen und ich sehe da auch bei mir selbst natürlich eine Entwicklung. Hier gilt ganz klar: Übung macht den Meister. Ich würde mir sehr wünschen, dass mehr Kolleginnen und Kollegen sich aktiv an der Klimakommunikation beteiligen. Gerade in der heutigen Zeit.

Was würden Sie Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern raten, die kommunizieren wollen?

Ich sage ihnen immer, dass sie ihre Forschung nicht vernachlässigen dürfen. Sie müssen immer aus einer Position der wissenschaftlichen Stärke kommen. Sonst macht man sich angreifbar und daher ist wissenschaftliche Exzellenz sehr wichtig. Das war mir persönlich auch immer sehr wichtig, obwohl ich inzwischen ja rund 50 Prozent meiner Arbeit in die Kommunikationsarbeit investiere. Trotzdem war und ist es immer mein Anspruch gewesen, auch wissenschaftlich vorne mit dabei zu sein.