Foto: Christian Humm, CC BY-SA 4.0

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im Oktober 2021

Beeinflussen Einstellungen zur Maskenpflicht die Interpretation von wissenschaftlichen Studien zum Thema? Wie divers sind Forschung und Praxis der Wissenschaftskommunikation? Und welche Auswirkungen haben Meinungsverschiedenheiten zwischen Wissenschaftler*innen auf das Interesse an und das Vertrauen in die Forschung? Das sind die Themen im Forschungsrückblick für den Oktober.

In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Forschungsergebnisse zum Thema Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

Was beeinflusst die Interpretation von Studien zur Maskenpflicht?

Wie wir die Coronakrise meistern, hängt auch davon ab, ob Einzelne den Ernst der Situation verstehen und die notwendigen Maßnahmen ergreifen. Wie wissenschaftliche Ergebnisse verstanden werden, ist jedoch nicht immer rational begründet. Beeinflusst wird die Interpretation von prinzipiellen Einstellungen und mathematischen Fähigkeiten. Vor dem Hintergrund dieser Annahme haben Fabian Hutmacher und Markus Appel von der Universität Würzburg zusammen mit Regina Reichardt von der Universität Regensburg den Einfluss dieser beiden Faktoren bei der Interpretation von Studien zur Maskenpflicht untersucht. 

Methode: Die Autor*innen wollten wissen, welche Rolle zwei Phänomene bei der Interpretation wissenschaftlicher Erkenntnisse spielen: zum einen „Motivated Reasoning“. Das bedeutet: Auf Grundlage von Vorannahmen oder Präferenzen werden Denkprozesse unbewusst in bestimmte Richtungen gelenkt. Das zweite Phänomen ist „Numeracy“, also die mathematischen Fähigkeiten der Proband*innen. Um das herauszufinden, legten sie 417 US-amerikanischen, über die Crowd-Working-Plattform Prolific rekrutierten Teilnehmer*innen zwei fiktive Studien vor, deren Ergebnisse sie interpretieren sollten. Außerdem wurde abgefragt, welche Einstellung die Teilnehmer*innen grundsätzlich gegenüber der Maskenpflicht haben, sowie die Stärke ihrer Einstellungen bestimmt – also beispielsweise, wie sicher sie sich ihrer Meinung sind und wie wichtig ihnen das Thema ist. Auch wurden die mathematischen und statistischen Fähigkeiten der Teilnehmer*innen geprüft. Von ihren Einstellungen gegenüber der Maskenpflicht her deckten die Teilnehmer*innen das ganze Spektrum von Pro bis Contra ab. 331 von ihnen identifizierten sich als Republikaner*innen, 24 als Demokrat*innen, 54 als Unabhängige und acht als „Andere“. 

Teilnehmer*innen mit einer positiven Einstellungen gegenüber der Maskenpflicht überschätzten die Effektivität dieser Maßnahme.
Die Ergebnisse einer der beiden Studien, die die Teilnehmer*innen interpretieren sollten, legten nahe, dass Maskenpflicht an Schulen eine wirksame Maßnahme zur Eindämmung von Covid-19 seien. Die Ergebnisse der anderen Studie wiesen darauf hin, dass Maskenpflicht in Schulen kontraproduktiv sei. Die Ergebnisse beider Studien waren jedoch nicht leicht zu interpretieren. Bei der Pro-Masken-Studie etwa gab es mehr Schulen mit Maskenpflicht (223) als Schulen ohne Maskenpflicht (107), bei denen die Infektionszahlen stiegen. Das könne leicht zur falschen Schlussfolgerung führen, dass ein Maskenmandat kontraproduktiv sei, schreiben die Autor*innen. Prozentual gesehen sind die Infektionszahlen aber bei den Schulen ohne Maskenpflicht höher. Beide Studien funktionieren nach demselben Muster. Die Teilnehmer*innen sollten bewerten, zu welchem Grad beide Studien jeweils für oder gegen eine Maskenpflicht sprechen. 

Bei der Auswertung haben die Autor*innen unter anderem die Differenz zwischen der Reaktion auf die Pro-Masken-Studie und die Anti-Masken-Studie betrachtet und daraus berechnet, wie voreingenommen die Teilnehmer*innen waren.

Ergebnisse: Die Anzahl derer, die die Studien richtig interpretiert haben, war gering. 46 Prozent der Teilnehmer*innen lagen bei der Pro-Masken-Studie richtig und 39 Prozent bei der Anti-Masken-Studie. Insgesamt folgte die Interpretation der Studien den prinzipiellen Einstellungen gegenüber der Maskenpflicht. Das heißt: Teilnehmer*innen mit einer positiven Einstellungen gegenüber der Maskenpflicht überschätzten die Effektivität dieser Maßnahme. Diejenigen mit einer negativen Einstellung unterschätzten ihre Wirkung. Dieser Effekt war bei denjenigen stärker, die sich ihrer Meinung sehr sicher waren oder denen dieses Thema sehr wichtig war. Der Grad der Voreingenommenheit scheint sich nicht zwischen denjenigen zu unterscheiden, die eine Pro- und denen, die eine Anti-Masken-Einstellung haben. 

Die Autor*innen schlussfolgern, dass es wichtig ist, Covid-19-bezogene wissenschaftliche Ergebnisse auf eine leicht verständliche Art und Weise zu kommunizieren.
Die mathematischen Fähigkeiten hatten keinen signifikanten Einfluss darauf, ob die Pro-Masken-Studie korrekt interpretiert wurde. Besseres mathematisches Verständnis erhöhte jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass die Anti-Masken-Studie korrekt interpretiert wurde.

Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse der Studie stärken die These, dass „Motivated Reasoning“ ein zentraler kognitiver Mechanismus ist, der über das ganze Spektrum von unterschiedlichen Einstellungen zu finden ist. Außerdem wird die Annahme gestützt, dass mathematische Fähigkeiten im Kontext von politischen und kontroversen Themen zu besseren Entscheidungen führen kann. Dabei überrascht, dass die mathematischen Fähigkeiten sich nicht auf die Interpretation der Pro-Masken-Studie auswirkten. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die Teilnehmer*innen erwarteten, mit Studien konfrontiert zu werden, die die Effektivität der Maskenpflicht unterstreichen. Vor allem Menschen mit weniger guten mathematischen Kenntnissen könnte ihre Antworten eher auf diese Erwartung gestützt haben. Das müsste jedoch weiter untersucht werden. Deutlich zeigt die Studie, dass die Fähigkeiten zur richtigen Interpretation in der Stichprobe eher gering waren. Da gerade Informationen, die sich auf Gesundheitsthemen oder die aktuelle Pandemie beziehen, sehr stark auf Zahlen und Statistiken beruhen, kann das problematisch sein. Die Autor*innen schlussfolgern, dass es wichtig ist, Covid-19-bezogene wissenschaftliche Ergebnisse auf eine leicht verständliche Art und Weise zu kommunizieren. Langfristig gesehen sei es entscheidend, die mathematische Bildung der Bevölkerung zu fördern.

Einschränkungen: Eine mögliche Einschränkung der Studie könnte sein, dass die meisten Teilnehmer*innen Republikaner*innen sind. Das liegt daran, dass bei der Stichprobe unterschiedliche Einstellungen gegenüber der Maskenpflicht gefragt waren. Da Menschen aus dem demokratischen Spektrum aber eher pro Maskenpflicht sind, mussten mehr Republikaner*innen in die Stichprobe aufgenommen werden, um auch das Contra-Spektrum abdecken zu können. 

Hutmacher, F., Reichardt, R., Appel, M. (2021) The role of motivated science reception and numeracy in the context of the COVID-19 pandemic. Public Understanding of Science. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/09636625211047974

Wie divers sind Forschung und Praxis der Wissenschaftskommunikation?      

Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, dass sich soziale Ungleichheit auch in Kommunikationsstrukturen manifestiert. Marginalisierte und ausgegrenzte gesellschaftliche Gruppen haben es schwerer, an Gesundheitsinformationen zu kommen und diese zu verstehen.

Die Ergebnisse zeigen, dass der untersuchte Themenkomplex erst in den vergangenen Jahren an Relevanz in der Forschung gewonnen hat.
In der Wissenschaftskommunikation stellt sich deshalb die Frage, wie unterschiedliche Zielgruppen einbezogen werden können. Welche Gruppen werden in der Forschung adressiert? Und wer beteiligt sich selbst an der Forschung? Karina Judd und Merryn McKinnon vom Centre for the Public Awareness of Science der Australian National University in Canberra legen in einem Beitrag einen systematischen Überblick über die wissenschaftliche Literatur der letzten 40 Jahre vor. Ziel ist, eine Evidenzbasis für Diversität und Inklusion in der Wissenschaftskommunikationsforschung und -praxis zu schaffen.

Methode: Die Autorinnen verfolgen einen Systematic-Map-Ansatz, der einen systematischen Überblick über bereits publizierte Studien liefern soll. Über die Datenbanken Web of Science und Scopus haben die Autorinnen nach wissenschaftlicher Peer-Review-Literatur aus der Science of Science Communication aus den Jahren 1980 bis 2020 gesucht, die mit den Themen Chancengerechtigkeit, Inklusion und Diversität zu tun haben. Nachdem sie 5455 Artikel daraufhin bewertet hatten, ob sie relevant für das Forschungsvorhaben sind, blieben am Ende 213 Veröffentlichungen aus 117 Journals übrig, die auf bestimmte Merkmale hin untersucht wurden – darunter das Land, in dem die Studie durchgeführt wurde, die Zielgruppe, die im Fokus stand (zum Beispiel Frauen oder Migrant*innen), die Ziele der Studie und das Thema (zum Beispiel Engagement in der Wissenschaft). 

Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass der untersuchte Themenkomplex erst in den vergangenen Jahren an Relevanz in der Forschung gewonnen hat. In den ersten 20 Jahren des Untersuchungszeitraumes (1980–2000) wurden nur zwölf Artikel veröffentlicht, zwischen 2011 und 2020 waren es 178, von denen die meisten zwischen 2016 und 2020 publiziert wurden. Das „Journal of Science Communication (JCOM)“ war mit 15 Artikeln die Zeitschrift mit den meisten Veröffentlichungen aus dem Themenbereich. Danach kommen „Frontiers in Communication“ und „The Journal of Research in Science Teaching“ mit jeweils elf Veröffentlichungen. 

Mit 100 Artikeln bezieht sich ein großer Teil des Korpus auf die USA. 27 Artikel kategorisieren die Autorinnen als „global“, weil sie Online-Themen behandeln. 22 Studien fokussieren auf Großbritannien, sieben auf größere geografische Regionen (z.B. Nordamerika, Europa, Südostasien) und sieben auf Australien. Auf alle anderen Regionen beziehen sich jeweils vier oder weniger Publikationen. 

Die Autorinnen fordern mehr Forschung mit einem intersektionalen Ansatz, der also auch andere Formen der Benachteiligung und deren Überschneidungen in den Blick nimmt.
Bei den Gruppen, mit denen sich die Studien beschäftigen, liegen Frauen und Mädchen mit 97 Veröffentlichungen an erster Stelle. Danach folgen andere Wissenschaftkommunikator*innen oder Wissenschaftler*innen, die in den Studien adressiert werden (48). Genauso häufig ging es um nicht „unterrepräsentierte Minderheiten“, in denen mehrere Gruppen zusammengefasst werden. Studien aus Großbritannien beziehen sich vor allem auf Communities aus sozioökonomisch benachteiligten Gegenden. Eine kleine Anzahl an Studien betrachtet Menschen mit Behinderungen (18) oder Menschen aus dem globalen Süden (16). Bei den Zielen der Studien unterschieden die Autorinnen zwischen unterschiedlichen Genres wie Rezensionen, Forschungsartikel, Evaluationen oder Perspektiv-Artikel und Empfehlungen. Die meisten Artikel beschäftigen sich mit Forschungsprojekten – etwa zu Erfahrungen bestimmter Gruppen in Wissenschaftskommunikationsmaßnahmen.

Schlussfolgerungen: Die Aufmerksamkeit gegenüber den Themen Chancengerechtigkeit, Inklusion und Diversität in der Wissenschaftskommunikation ist in den vergangenen fünf Jahren stark gestiegen. Viele Journals, die zu diesem Themenbereich publizieren, sind in der Pädagogik angesiedelt. Laut der Autorinnen ist das kaum verwunderlich, denn Klassenräume seien wohl Orte, an denen Unterschiede in Sachen Chancengleichheit sehr präsent seien. Deshalb vermuten die Autorinnen, dass die Wissenschaftskommunikation einiges von Pädagog*innen lernen könne. Wie die Studie zeigt, ist Diversität in den Reihen der Forscher*innen nicht gegeben. Sehr viele Studien beziehen sich auf die USA und auch die Forschenden selbst stammen mehrheitlich aus dem globalen Norden. Die Autorinnen erkennen an, dass die meisten Arbeiten in der Stichprobe positive Absichten hätten. Allerdings zeige das Korpus kein kohärentes und umfassendes Bild. Es handele sich oft um vereinzelte Studien ohne starke theoretische und empirische Fundierung. Es sei wichtig, empirische Daten dazu bereitzustellen, welche Art von Maßnahmen funktionieren – und nicht nur darüber zu sprechen, welche Ideen gut klingen. Was die Zielgruppen angeht, sind Frauen in der Stichprobe deutlich überrepräsentiert. Die Autorinnen fordern deshalb mehr Forschung mit einem intersektionalen Ansatz, der also auch andere Formen der Benachteiligung und deren Überschneidungen in den Blick nimmt. 

Einschränkungen: Eine Limitation der Studie ist, dass das Korpus nur englischsprachige Veröffentlichungen umfasst. Da sich Englisch aber als internationale Wissenschaftssprache etabliert hat, ist davon auszugehen, dass diejenigen Studien aufgenommen wurden, die international rezipiert werden. 

Judd, K., McKinnon, M. (2021) A Systematic Map of Inclusion, Equity and Diversity in Science Communication Research: Do We Practice what We Preach? Frontiers in Communication. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fcomm.2021.744365/full

Einigkeit in der Wissenschaft weckt Interesse und Vertrauen 

Meinungsverschiedenheiten gehören in Forschungsprozessen dazu. Wie aber wirkt sich die mediale Abbildung von Meinungsverschiedenen oder unhöflich ausgetragenen Konflikte aus? Welche Wirkung hat das auf die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Wissenschaft? Das haben Sedona Chinn von der University of Wisconsin-Madison und P. Sol Hart von der University of Michigan untersucht.

Die Teilnehmer*innen stimmten den wissenschaftlichen Ergebnissen in dem Artikel eher zu, wenn sich der Wissenschaftler und der kommentierende Wissenschaftler einig waren.

Methode: 1995 in den USA lebende Menschen haben an der Online-Umfrage teilgenommen. Die Proband*innen waren zwar divers, aber insgesamt weißer, älter und formal höher gebildet als der Durchschnitt der Bevölkerung. Die Teilnehmer*innen bekamen einen fiktiven Nachrichtenartikel zu lesen, in dem es um reale Forschungsfragen ging: (1) ob Gehirnschocks die athletische Leistungsfähigkeit verbessern können, (2) ob bestimmte Enzyme den Blutgruppentyp A in universelles Spenderblut verwandeln können, (3) ob die Ringe des Saturn durch eine Mondkollision entstanden sind. Die Artikel wurden von einem Statement eines Wissenschaftlers ergänzt, der in einem Fall sein Einverständnis ausdrückte. Im zweiten Fall kritisierte er die Studie und im dritten Fall schimpfte er wüst über die Ergebnisse und den Autor. Die Teilnehmer*innen sollten bewerten, wie interessant sie das Thema finden, wie wahrscheinlich es ist, dass sie über das Thema mehr wissen wollen, ob sie mit dem Autor der Studie oder mit dem Kommentator in Kontakt treten würden, ob sie die wissenschaftlichen Informationen aus dem Artikel über ihr Netzwerk verbreiten würden, inwieweit sie die Ergebnisse der Studie für richtig oder falsch halten und wie sie deren wissenschaftliche Qualität einschätzen. Außerdem wurden Fragen zum grundsätzlichen Vertrauen in die Wissenschaft gestellt. 

Ergebnisse: Je nachdem, welche Art von Kommentar die Teilnehmer*innen bekamen, zeigten sie mehr oder weniger Interesse an dem Thema. Anders, als die Autor*innen erwartet hatten, war das Interesse im Falle wissenschaftlicher Einigkeit am größten und bei barscher Kritik am geringsten. Genauso verhielt es sich mit dem Wunsch nach weiteren Informationen zum Thema und bei der Wahrscheinlichkeit, mit dem Wissenschaftler oder dem kommentierenden Wissenschaftler in Kontakt treten zu wollen. Auch ist bei Einigkeit des Wissenschaftlers und des kommentierenden Wissenschaftlers die Wahrscheinlichkeit am größten, dass Teilnehmer*innen Informationen aus dem Artikel über Social-Media teilen. 

Die Autor*innen vermuten, dass Menschen umstrittene wissenschaftliche Information als weniger nützlich begreifen.
Die Teilnehmer*innen stimmten den wissenschaftlichen Ergebnissen in dem Artikel eher zu, wenn sich der Wissenschaftler und der kommentierende Wissenschaftler einig waren. Auch wurde die Qualität der Studie am höchsten eingeschätzt, wenn sich die Wissenschaftler einig waren. Genauso verhielt es sich mit dem Maß an Vertrauen, dass die Teilnehmer*innen den Wissenschaftler*innen schenken. 

Schlussfolgerungen: Im Gegensatz zu den Erwartungen der Autor*innen führten Meinungsverschiedenheiten und harsche Kritik im Vergleich zu Einigkeit zu weniger Interesse, Engagement, Informationswünschen und Informationsverbreitung. Da die zuvor entwickelten Hypothesen aus der politischen Kommunikationsforschung abgeleitet wurden, könnten die Ergebnisse dieser Studie laut der Autor*innen Hinweise auf Unterschiede zwischen wissenschaftlicher und politischer Kommunikation liefern. Sie vermuten, dass Menschen umstrittene wissenschaftliche Information als weniger nützlich begreifen. Möglicherweise werden Ergebnisse, über die es keinen Konsens gibt, auch als weniger wichtig erachtet. Im politischen Bereich hingehen könnten kontroverse Ansichten genutzt werden, um eine eigene Meinung zu bilden oder zu untermauern. Die Ergebnisse der Studie weisen auch darauf hin, dass unhöfliche Kritik oder persönliche Beschimpfungen auch zu negativer Wahrnehmung desjenigen führen, der sich kritisch äußert, warnen die Autor*innen. Für die Wissenschaftskommunikation stellt sich angesichts der Studienergebnisse die Frage, wie wissenschaftliche Meinungsverschiedenheiten transparent kommuniziert werden können, ohne dabei in den Augen der Öffentlichkeit den Wert wissenschaftlicher Erkenntnisse zu mindern.

Einschränkungen: Wie die Autor*innen anmerken, könnte der unhöfliche Ton in dem dritten Kommentar übertrieben sein und nicht den Standards traditioneller Wissenschaftsberichterstattung entsprechen. Eine weitere Einschränkung könnte sein, dass nicht geprüft wurde, wie die Antworten der Teilnehmer*innen ohne Kommentierung der Artikel aussehen würde. 

Chinn, S., Hart, P. S. (2021) Can’t You All Just Get Along? Effects of Scientific Disagreement and Incivility on Attention to and Trust in Science. Science Communication. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/10755470211054446

Mehr Aktuelles aus der Forschung

Welche Vorstellungen haben Kinder vom Coronavirus? Das haben Fotini Bonoti von der Universität Thessalien, Vasilia Christidou von der Universität Thessaloniki und Penelope Papadopoulou von der Universität Westmakedonien in einer Studie untersucht. 344 Kinder zwischen vier und zehn Jahren wurden gebeten, das Virus in Worten zu beschreiben und dann eine Zeichnung anzufertigen. Laut der Autor*innen zeigen die Ergebnisse, dass Kinder schon in jungen Jahren ein bemerkenswertes Verständnis vom Virus und der Covid-19-Erkrankung aufweisen. Das gelte auch für dessen medizinische, soziale und psychische Folgen.

Wie Comics als Medium für Wissenschaftskommunikation funktionieren, können Promovierende der kanadischen Université de Sherbrooke seit Anfang 2020 in einem Kurs lernen. Welches Feedback Teilnehmer*innen geben, wie der Kurs aufgebaut ist und welche Ergebnisse dabei herauskommen, haben Olivier Robin, Benoît Leblanc und Nancy Dumais in einer Fallstudie untersucht. Laut der Autor*innen habe das Angebot zu einem großen Engagement der Promovierenden geführt und die Resultate hätten anfängliche Erwartungen übertroffen.

Wie es um die Erfahrungen von schwedischen Forscher*innen mit Citizen-Science-Projekten bestellt ist, wollte ein Team um Pavel Bína von der Swedish Environmental Protection Agency herausfinden. Die Ergebnisse von zwei Erhebungen zeigen, dass das Konzept noch nicht sehr verbreitet ist. Diejenigen Forscher*innen, die von Citizen Science gehört haben, sind zwar eher positiv gestimmt, aber insgesamt zeigen sich die Befragten zögerlich, Bürger*innen in Forschungsprojekte zu involvieren.

Eine beliebte Quelle für wissenschaftliche Artikel ist „The New Reddit Journal of Science“ oder kurz „r/science“, ein Diskussionsforum für wissenschaftliche Themen auf der Social-Media-Plattform Reddit. Wie sich Textgenres darauf auswirken, ob die Inhalte gelesen und diskutiert werden, wollten Ehren Helmut Pflugfelder und Alexander Mahmou-Werndli von der Oregon State University in den USA wissen. In ihrer Studie haben sie knapp hundert Posts auf r/science und eine Auswahl an Kommentaren untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass wissenschaftsjournalistische Artikel mit größerer Wahrscheinlichkeit zu aktiven Diskussionen führen als beispielsweise Pressemitteilungen. Wenn Artikel unter Open-Access-Bedingungen verfügbar seien, erhöhe das die Anzahl der Zusammenfassungen und der Kommentare, die sich auf Methoden beziehen, schreiben die Autoren.

Wie lässt sich die Umwelt- und Gesundheitskompetenz von Menschen erhöhen, die in Gegenden leben, in denen die Böden von Umweltbelastungen betroffen sind? Das hat ein Forschungsteam rund um Daniela Marsili vom Istituto Superiore di Sanità in Rom untersucht. Die Wissenschaftler*innen haben in ihrer Studie Kommunikationsstrategien eines nationalen italienischen Programms analysiert. Die Ergebnissen zeigen, dass die Umwelt- und Gesundheitskompetenz besonders durch Kommunikationsstrategien verbessert werden kann, die auf dem Dialog mit der Bevölkerung beruhen und versuchen, Chancengleichheit in diesem Wissensbereich herzustellen.

Welche unterschiedlichen Rollen werden der Menschheit innerhalb der Klimadebatte zugeschrieben? Das hat Anaïs Augé von der University of East Anglia in Großbritannien am Beispiel des metaphorischen Ausdrucks „Greenhouse Effect“, also des Treibhausgaseffekts, an drei verschiedenen Textgattungen untersucht: wissenschaftliche Arbeiten, Diskussionen in Online-Foren und Zeitungsartikel, die den menschengemachten Klimawandel leugnen. Die Wissenschaftlerin zeigt, dass die Rolle des Menschen in der Metapher je nach Textgenre als diskursive Strategie zur Bestätigung der eigenen Haltung gegenüber dem Klimawandel genutzt wird. In wissenschaftlichen Artikeln etwa werden Menschen zum Beispiel als Erbauer*innen, aber auch als Zerstörer*innen des Treibhauses bezeichnet. Ihnen wird also eine aktive Einflussnahme auf den Klimawandel zugeschrieben – anders als in den untersuchten Zeitungsartikeln, in denen Menschen passiv bleiben.