Foto: Christian Humm, CC BY-SA 4.0

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im Dezember 2017

Welche Astronomie-Bilder wirken auf das Publikum am attraktivsten? Wie lassen sich informelle Wissenschafts-Events evaluieren? Und welche Bedeutung haben Annahmen über den wissenschaftlichen Konsens auf die eigenen Einstellungen? Darum geht es im aktuellen Forschungsrückblick.

In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Ergebnisse aus der Forschung zur Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, dann schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

Bilder eines Sternentods

Das Weltall übt auf viele Menschen eine starke Faszination aus. Kommunikatoren der Astronomie stehen jedoch vor dem Problem, dass ihre Themen oft das Vorstellungsvermögen des Publikums sprengen. Daher kommt Bildern eine besondere Rolle zu. Wie verschiedene astronomische Abbildungen auf die Rezipienten wirken, hat nun ein internationales Forscherteam um Lisa Smith (University of Otago, Neuseeland) untersucht. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher im Journal of Science Communication.

Methodik: Die Wissenschaftler nutzten verschiedene grafische Darstellungen von Kassiopeia A, dem Überrest einer Supernova im Sternbild Kassiopeia: sechs statische Bilder und fünf kurze Videoclips. Die rund 2.500 Probanden sahen jeweils nur eines dieser Fotos oder Videos und sollten anschließend eine Reihe von Fragen beantworten – unter anderem, wie ansprechend sie das Gesehene fanden und um was es sich dabei handeln könnte. Dann lasen sie einen kurzen Informationstext, ähnlich einer Bildunterschrift. Zum Schluss wurden sie gefragt, ob der Text ihr Verständnis gefördert habe, wie gut das Bild oder Video zum Text passe, und welche Fragen sie dazu noch hätten.

Kassiopeia A
Eine Falschfarben-Darstellung von Kassiopeia A, dem Überrest einer Sternenexplosion (Supernova). Foto: NASA/JPL-Caltech/STScI/CXC/SAO

Ergebnisse: Rund die Hälfte der Probanden erkannte, dass es sich bei dem gezeigten Objekt um einen explodierten Stern handelt. Die Art der Visualisierung spielte dabei aber eine Rolle: Manche Bilder und Clips wurden häufiger als andere mit einer Mikroskopaufnahme oder einem Hirnscan verwechselt. Am besten erkannten die Teilnehmer künstlerisch-bunte Darstellungen in Falschfarben (ähnlich dem Bild links), die den Forschern zufolge die Erwartungen der Betrachter an „typische“ Weltraumbilder erfüllen. Bei diesen Fotos und Videos waren die Probanden auch stärker daran interessiert, mehr über das gezeigte Objekt zu erfahren, als bei eher technisch wirkenden Varianten. Nach dem Lesen des Informationstextes waren aber alle Teilnehmer im Schnitt ähnlich stark der Meinung, etwas gelernt zu haben – unabhängig von der gezeigten Aufnahme.

Schlussfolgerungen: Forscher und Kommunikatoren auf dem Gebiet der Astronomie haben oft verschiedene Möglichkeiten, Messdaten grafisch aufzubereiten. Künstlerische und farbenfrohe Bilder scheinen zwar zunächst vorteilhafter als technisch wirkende Darstellungen oder solche, die wie Bilder aus anderen Fachgebieten wirken. Gepaart mit einem erklärenden Text fördern alle Optiken jedoch gleichermaßen das Verständnis. Das spricht laut Smith und Kollegen dafür, ruhig unterschiedliche Visualisierungen auszuprobieren. Bei den offenen Fragen wollten die meisten Probanden wissen, ob die Farben des Bildes real oder künstlich erzeugt sind und wie groß das Objekt ist. Solche Angaben würden daher zu einer guten Erklärung dazugehören, so Smith und Kollegen.

Einschränkungen: Die Teilnehmer waren überdurchschnittlich gebildet (zwei Drittel der Probanden hatten mindestens einen Bachelor-Abschluss, doppelt so viele wie im US-Bevölkerungsschnitt) und waren zudem ungewöhnlich stark an Astronomie interessiert – rund die Hälfte gab an, sich hobbymäßig mit Astronomie zu beschäftigen. Das gilt es bei einer Verallgemeinerung der Ergebnisse zu beachten. Ebenso bleibt offen, ob sich das selbst eingeschätzte Interesse und der subjektive Lerneffekt auch im tatsächlichen Verhalten (etwa der weiteren Beschäftigung mit dem Thema) und einem objektiven Wissenszuwachs niederschlagen.

Smith, L. F., Arcand, K. K., Smith, R. K., Bookbinder, J. & Smith, J. K. (2017). Capturing the many faces of an exploded star: Communicating complex and evolving astronomical data. Journal of Science Communication, 16, A02.


Evaluation im Gewimmel

Wissenschafts-Events werden immer informeller und finden näher am Publikum statt (eine Auswahl von bewährten sowie ungewöhnlichen Formaten der Wissenschaftskommunikation finden Sie hier). Gerade ungezwungene Veranstaltungen lassen sich aber oft nur schlecht evaluieren. Ann Grand (University of Exeter) und Margarida Sardo (University of the West of England) berichten in Frontiers in Communication von ihren Erfahrungen mit verschiedenen Feedback-Methoden für solche Fälle.

Methodik: Die Wissenschaftlerinnen erprobten unterschiedliche Evaluationsprozess in den Jahren 2014 und 2015 bei zwei Veranstaltungen: zum einen dem Latitude Festival, einem Musikfestival an der Küste von Suffolk, das neben Kleinkunst und anderen Angeboten auch ein Wissenschaftsprogramm in Form von Lesungen, Diskussionen oder Vorträgen umfasst, und zum anderen die Bristol Bright Night, eine Art Lange Nacht der Wissenschaften.

Ergebnisse: Die folgenden Methoden der Befragung halten die Autorinnen auf Grund ihrer Erfahrungen bei diesen beiden Events für geeignet:

  1. „Snapshot“-Interviews
    Individuelle, unmittelbar nach einem Programmpunkt stattfindende Interviews von maximal zwei Minuten Dauer. Auf Veranstaltungen wie einem Festival macht man sich dabei die Kommunikationsbereitschaft vieler Besucher zu Nutze. Die Fragen müssen präzise und gut strukturiert sein.
  2. Online-Befragung
    Mit Zustimmung der Teilnehmer erhalten sie im Anschluss an die Veranstaltung per E-Mail den Link zu einem kurzen Online-Fragebogen. Diese Art von Feedback unterbricht das Erlebnis der Besucher noch weniger als eine Befragung vor Ort.
  3. Beobachtung
    Insbesondere bei sehr kleinen Events, auf denen Interviews die Atmosphäre stören könnten (aber auch ergänzend zu anderen Methoden bei größeren Veranstaltungen), empfehlen die Forscherinnen die unauffällige Beobachtungen durch einen oder besser mehrere anwesende Mitarbeiter. Die Notizen orientieren sich an einem strukturierten Beobachtungsleitfaden.
  4. Autonome Methoden
    Auf Veranstaltungen mit schwer vorhersehbaren Besucherströmen bieten sich Feedback-Methoden an, die ohne Interviewer funktionieren. Als Beispiel nennen Grand und Sardo „Graffiti-Wände“, auf denen die Besucher anonym einen Kommentar zum Event oder zu einer bestimmten Frage hinterlassen können. Eine andere Möglichkeit sind Feedback-Karten mit Fragen auf der einen Seite und Platz für Antworten auf der anderen. Die Auswertung erfolgt qualitativ, unter anderem durch die Bildung von Kategorien.

Schlussfolgerungen: Alle vier genannten Methoden greifen laut Grand und Sardo den informellen Charakter vieler neuerer Formate in der Wissenschaftskommunikation auf und beeinträchtigen das Besuchserlebnis nur minimal. Evaluation sei dabei mehr als Erfolgskontrolle, so die Autorinnen: Es gehe auch darum, das Publikum besser kennenzulernen und Inspiration für weitere Veranstaltungen zu sammeln.

Einschränkungen: Die Empfehlungen basieren nur auf persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen der Forscherinnen. Ein Vergleich zwischen diesen Verfahren und traditionelleren Evaluationsmethoden (wie ausführlichen Interviews, Fragebogen oder Fokusgruppen) wäre nötig, um Unterschiede in der Rücklaufquote, aber auch in der Qualität und der Aussagekraft der Antworten zu untersuchen.

Grand, A. & Sardo, A. M. (2017). What works in the field? Evaluating informal science events. Frontiers in Communication, 2, 22. https://doi.org/10.3389/fcomm.2017.00022


Konsens – wessen Konsens?

Ein beliebter Kniff von Klimawandelskeptikern besteht darin, die Einigkeit von Wissenschaftlern in Bezug auf die globale Erwärmung herunterzuspielen. Studien sprechen dafür, dass Menschen wissenschaftliche Ergebnisse eher akzeptieren, wenn sie glauben, dass unter Forschern Konsens darüber besteht. Keiichi Kobayashi (Universität Shizuoka) hat in einem neuen Artikel in Science Communication untersucht, welche Rolle demgegenüber der vermutete Konsens im persönlichen Umfeld und in der Gesellschaft spielt.

Methodik: In der ersten Studie sollten die Probanden angeben, wie sehr sie vier (vermeintlich) umstrittenen Statements wie „Menschliche Aktivität ist der Hauptgrund für die globale Erwärmung“ zustimmen. Zudem fragte Kobayashi sie, welcher Prozentsatz von Wissenschaftlern, von Personen in ihrem sozialen Netzwerk oder in der Allgemeinbevölkerung diesen Feststellungen wohl zustimmen würde. In einer zweiten Untersuchung versuchte der Forscher zu manipulieren, für wie groß die Teilnehmer den Konsens zu diesen Fragestellungen hielten, indem er ihnen die Ergebnisse einer angeblichen Umfrage unter Wissenschaftlern und der Bevölkerung mitteilte. Anschließend sollten sie erneut ihre eigene Meinung zu den Themen äußern.

Ergebnisse: Die Versuchspersonen gingen im Allgemeinen davon aus, dass der Konsens unter Forschern größer sei als unter ihren Bekannten und in der Allgemeinbevölkerung. Bei allen vier Themen gab es einen Zusammenhang zwischen dem vermuteten wissenschaftlichen Konsens und den eigenen Überzeugungen. Der wahrgenommene soziale Konsens hing nur bei zwei der Themen mit der persönlichen Einstellung der Teilnehmer zusammen. In der zweiten Studie gelang es lediglich bei manchen Statements, die Einschätzungen des wissenschaftlichen und sozialen Konsenses zu manipulieren. Wo dies erfolgreich war, schlug es sich auch in den Einstellungen der Versuchspersonen nieder.

Schlussfolgerungen: Wissenschaftliche Laien schätzen den Konsens unter Forschern zu einem Thema oft anders ein als die Übereinstimmung unter Nichtforschern. Beides beeinflusst unabhängig voneinander die eigenen Einstellungen zum Thema, bei einigen Fragestellungen spielt jedoch nur der vermutete wissenschaftliche Konsens eine Rolle. Gelingt es, den wahrgenommenen Konsens von Wissenschaftlern oder der Bevölkerung zu modifizieren, hat das offenbar auch einen Einfluss auf die persönlichen wissenschaftlichen Überzeugungen.

Einschränkungen: Es wurden nur vier Themen abgefragt, bei denen der vermutete Konsens unter Wissenschaftlern und in der Bevölkerung jeweils unterschiedlich stark mit den persönlichen Einstellungen zusammenhing. Für andere als die untersuchten Themen lassen sich daher keine Aussagen treffen. Ebenso funktionierte die Manipulation des vermuteten Konsenses nur bei manchen Statements. Kobayashi merkt außerdem an, dass wissenschaftlicher Konsens in dieser Studie nur sehr grob erfragt wurde. Es könnte aber nötig sein, auch zu erklären, warum Forscher sich bei bestimmten Themen widersprechen und worauf genau sich ihre Differenzen beziehen.

Kobayashi, K. (2018). The impact of perceived scientific and social consensus on scientific beliefs. Science Communication, 40, 63–88. https://doi.org/10.1177/1075547017748948