Foto: Anne Weißschädel

Im Profil: Thomas Splettstößer und Johannes Richers

Thomas Splettstößer und Johannes Richers vermitteln Wissenschaft mittels Kunst und Design. Ihr Ziel dabei: Illustrationen und Visualisierungen auf höchstem ästhetischen und fachlichen Niveau. Was sie vom Labor in die Designbranche führte und warum sich beides sehr gut ergänzt, davon berichten die selbstständigen Kreativen hier.

Karriereleiter, Karrieresprungbrett oder Karrierekarussell – Wie war Ihr Weg in die Wissenschaftskommunikation?

Thomas Splettstößer (links im Bild): Mein Biologiestudium hatte ich mit der festen Absicht begonnen, ein waschechter Forscher zu werden. Schon in der Schule hatte ich viel Spaß an den Naturwissenschaften. Während der Promotion habe ich dann aber festgestellt, das die Forschung zwar interessant und spannend ist, meine Leidenschaft aber wohl doch woanders liegen muss. Um zu schauen, was mir liegt, schnupperte ich bei meiner Suche in verschiedene Bereiche rein: Fotografie, Theater, Videoproduktion. Und schon während meiner Zeit an der Uni habe ich festgestellt, dass viele wissenschaftliche Visualisierungen leider zu wünschen übrig lassen, nicht zeitgemäß oder einfach unverständlich sind. Da gibt es also Nachholbedarf. Grafische Darstellungen jeglicher Art waren aber etwas, woran ich schon immer den meisten Spaß hatte, auch bei meiner wissenschaftlichen Arbeit. So habe ich während meiner Promotion eine ganze Reihe von Visualisierungen für meine eigenen Projekte und die meiner Laborkollegen gemacht, oder auch für die Wikipedia. Und als ich mit der Doktorarbeit fertig war, war klar: Ich mache mich mit wissenschaftlichen Visualisierungen selbstständig. Das war erst mal ein Sprung ins kalte Wasser. Ich hatte von Business keine Ahnung und noch keinen Businessplan geschrieben. Aber durch meine Kontakte an der Universität hatte ich schon erste Kunden. Vor allem durch Mundpropaganda kamen über die Jahre viele hinzu, sodass ich sie alle irgendwann nicht mehr allein bewältigen konnte.

Johannes Richers (rechts im Bild): Nach der Schule musste ich mir die Frage stellen: Studiere ich eine Naturwissenschaft oder Grafikdesign? Ich habe mich zwar für Chemie entschieden, aber das Thema Design hat mich nie losgelassen. Während des Chemiestudiums beschäftigte ich mich intensiv mit Grafikprogrammen, Typografie und Visualisierungsmöglichkeiten. Dabei sind in vielen kleinen Projekten immer wieder schöne Ergebnisse entstanden, wie zum Beispiel das Design eines Brettspiels mit erfolgreicher Crowdfunding-Kampagne oder Poster und Flyer für befreundete Musikbands. Ich dachte allerdings immer, es sei ein Widerspruch, fleißig im Labor zu arbeiten und in der Freizeit Design zu machen. Dass man diese beiden Gebiete verbinden kann, ist mir erst im Rahmen des Scifinder Future Leaders Programms der American Chemical Society aufgefallen. Nach vielen Jahren Labortätigkeit kam ich plötzlich mit Leuten in Kontakt, die sehr viele unterschiedliche Themen und Leidenschaften verbinden. Bei einer Konferenz für Chemie gab es dann ein Panel zum Thema Wissenschaftskommunikation und da habe ich gemerkt: Die Leute kann man ernst nehmen, das ist ein wichtiges Thema! Nach der Doktorarbeit bin ich deshalb nach Berlin gezogen, um im Masterstudium „Wissenschaftsmarketing“ an der Technischen Universität Berlin zu studieren sowie als Freiberufler an der Schnittstelle von Wissenschaft, Kunst und Design zu arbeiten.

Letztes Jahr kam dann Johannes mit der Idee zur Gründung einer gemeinsamen Agentur für wissenschaftliche Visualisierungen auf mich zu. Und seit letztem Sommer habe ich mehrere Biologiestudenten betreut, die sich in Richtung wissenschaftliche Illustrationen entwickeln wollten, woraus sich auch eine weiterführende lose Zusammenarbeit ergeben hat. Und jetzt stehen die nächsten Schritte und neue Projekte zusammen mit Johannes an.

Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Job und warum lohnt es sich trotzdem jeden Tag?

Wissenschaftliche Ergebnisse zu studieren, sich in abstrakte Konzepte hineinzuversetzen und sie dann zu visualisieren, das ist eine großartige Kombination. Wir haben viele Möglichkeiten, uns mit verschiedenen Themenbereichen zu beschäftigen. Thomas interessiert sich zum Beispiel besonders für Virusstrukturen und hat damit begonnen, die komplexen Systeme zu illustrieren und zu sammeln. Solche Visualisierungen werden gerne angefragt, zum Beispiel von Virologen. Es gibt aber noch viele andere Themen und genau das macht die Tätigkeit spannend und abwechslungsreich. Wissenschaft anschaulich darzustellen ist aber auch eine Herausforderung. Komplexe Sachverhalte lassen sich am besten mithilfe von Bildern, Grafiken und Videos vermitteln. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verstehen zwar viel von Wissenschaft, beschäftigen sich aber oft wenig mit Grafik und Design. Designer hingegen wissen viel über Grafik und Design, verstehen jedoch oft wenig von Wissenschaft. Da setzen wir an. In wissenschaftlicher Forschung stecken viele tolle Geschichten und jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler kann ein Narrativ in seiner Forschung entdecken. Die Herausforderung ist es, aus diesen Geschichten visuelle Kommunikationslösungen zu entwickeln, die nicht nur gut aussehen, sondern auch wissenschaftlich akkurat sind.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation?

Wissenschaft spricht nicht für sich selbst. Nur die Menschen, die sich damit beschäftigen, können das tun. Eine große Herausforderung der Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter ist die Dissoziation von Wissenschaft und Gesellschaft. Dem müssen wir begegnen und Brücken schlagen. In der Kreativwirtschaft liegt enormes Potenzial für die visuelle Kommunikation von Wissenschaft. Unsere Vision: Wenn Wissenschaft kommuniziert wird, geschieht das in Kollaboration mit Kreativen, mit Künstlern und Designern.